Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Im Januar 1994 war ich seit 14 Monaten als Redakteur bei PERRY RHODAN. Ich glaubte so langsam zu verstehen, »wie der Hase läuft«, und machte mir grundsätzliche Gedanken darüber, wie es mit den aktuellen Romanen weitergehen sollte. Dabei griff ich auf Ideen zurück, die ich schon im Vorjahr in Gesprächen mit Dr. Florian F. Marzin, dem damaligen Chefredakteur, geäußert hatte.
Die damalige Zykluskonzeption ging davon aus, dass wir die Handlung um das Arresum bis Band 1649 komplett abschließen wollten. Das Team hatte zwar zuvor angekündigt, einen 200 Bände umfassenden Großzyklus um »Das große kosmische Rätsel« schreiben zu wollen, aber davon wollte man jetzt weg. Die angedachte Geschichte um die Hamamesch sollte nicht mehr viel mit der Großen Leere, den Ayindi und den Ennox zu tun haben.
Das fand ich nicht korrekt. Deshalb entwickelte ich ein Arbeitspapier, das teilweise sehr grundsätzliche Gedanken äußerte, teilweise aber auch tief ins Detail ging.
»Wir können die Handlung ab Band 1750 nicht völlig abgekoppelt von den vorherigen 150 Bänden und damit ›neu‹ gestalten«, argumentierte ich in meinen Arbeitspapier. »Wir haben den Lesern irgendwann nämlich versprochen, daß der Zyklus bis Band 1799 geht«, schlussfolgerte ich: »Warum sollten wir uns diese überflüssige Blöße geben?« Zudem seien viele Fragen übrig, die noch offen seien und die man beantworten könnte.
Ich schlug vier unterschiedliche Schauplätze vor, die in den ausbleibenden fünfzig Heften behandelt werden sollten. Dabei hatte ich durchaus weiterführende Pläne, die ich seelenruhig und mit ein bisschen viel Selbstbewusstsein verkündete: »Zielbewußte Folge dieser ganzen Handlungen wäre dann Band 1800, in dem wir wieder eine völlig neue Epoche der PERRY RHODAN-Handlung eröffnen: die der ›Tafelrunde der ZA-Träger‹, wie ich es in Ermangelung eines besseren Namens nennen möchte.«
(Soviel kann ich an dieser Stelle vorgreifen: Von der angedachten Tafelrunde blieb so viel nicht übrig. Aber immerhin hieß der Planet, auf dem Perry Rhodan und seine Gefährten nach Band 1800 gewissermaßen Zuflucht finden konnten, dann Camelot - und diese Parallelität zur Artus-Saga rührt von meinem frühen Ideenpapier her.)
Ich wollte vier Schauplätze haben: die Milchstraße allgemein, die Hamamesch und ihre Heimatgalaxis Hirdobaan, die SOL und die Geschehnisse um den Ennox-Planeten Mystery sowie die vielen ungeklärten Geheimnisse an der Großen Leere. Und ich schlug einen »kleinen Zeitsprung von etwa zwei Jahren« zwischen den Bänden 1749 und 1750 vor. Der Grund: Damit könnte man die Hamamesch-Handlung bis 1749 gut vorbereiten, bevor sie dann nach Band 1750 richtig losgehen würde. Dann nämlich sollten die ersten Hanse-Karawanen in Hirdobaan aufkreuzen; so viel war zu diesem Zeitpunkt noch sicher.
Darüber hinaus wollte ich erste Probleme mit der BASIS und der langsam durchdrehenden Hamiller-Tube bereits vor Band 1749 behandeln, damit das »BASIS-Problem einen entscheidenden Schritt« machen könnte. Leider geht aus dem Papier nicht hervor, welche ursprünglichen Ziele wir mit der BASIS hatten. Sicher ist, dass die weitere Entwicklung des terranischen Großraumschiffes nicht hundertprozentig sicher war: Während Florian F. Marzin das Raumschiff »verschrotten« wollte, hatte ich vor, es in einer noch zu definierenden Weise in der Handlung zu behalten.
Mein Arbeitspapier ging in einer längeren Passage auf den Hintergrund meiner geplanten Handlung ein. Es ging um Kosmokraten, die Abruse, das Arresum und die Ayindi - zahlreiche Details, die in den 150 Romanen zuvor eine Rolle gespielt hatten und die ich für die Zukunft aufbereiten wollte. Das seltsame Klonwesen Voltago, von Robert Feldhoff vor einigen Jahren erst in die Handlung eingeführt und seither auf eine noch unbekannte Bestimmung zusteuernd, sollte bei mir eine große Rolle spielen.
»Wir haben die bizarre Situation, daß die Kosmokraten mit der Arbeit von ES und den Galaktikern zufrieden sein müssen«, schlussfolgerte ich aus den vorherigen Romanen. Gleichzeitig aber hätten die Terraner für einen Stachel im Fleisch der kosmischen Mächte gesorgt; denn es sei eine Tatsache, dass »ES und die Galaktiker einen Weg zwischen Kosmokraten und Chaotarchen gesucht und gefunden haben«. Ich brachte die nach wie vor ungelöste Dritte Ultimate Frage ein, die ich weiter behandeln wollte, und suchte nach einem Weg, das Geheimnis der Ennox in diesem Rahmen abzuhandeln.
Es bleibe »ein generelles Mißtrauen der kosmischen Ordnungsmächte gegenüber den Emporkömmlingen aus der Mächtigkeitsballung ES«, formulierte ich in meinem Arbeitspapier. Dieses Misstrauen wollte ich in den verbleibenden Bänden des Hamamesch-Zyklus weiter vertiefen, gleichzeitig sollte es einen wichtigen »Aufhänger für den kosmischen Rahmen ab Band 1800« sein. Mein Arbeitspapier vervollständigte ich auf weiteren Seiten. Ich stellte die einzelnen Bereiche dar und skizzierte mögliche Entwicklungen; vieles davon wurde nie umgesetzt, und das ist - im Nachhinein betrachtet - auch richtig so.
Einige grundsätzliche Überlegungen arbeiteten Robert Feldhoff und ich aber ein, als wir im Sommer 1995 daran gingen, den Thoregon-Zyklus anzugehen. Der Thoregon-Zyklus sollte letztlich nichts anderes darstellen, als den von mir geforderten Weg zwischen den Kosmokraten und Chaotarchen; mit seiner Fabulierkunst und seiner überschäumenden Phantasie fand Robert Feldhoff dann aber Roman-Ideen, auf die ich im Traum nicht gekommen wäre. Völlig umsonst waren meine Gedanken vom Januar 1994 also dennoch nicht ...
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