Aus der Reihe »Der Redakteur erinnert sich«:
In den 90er Jahren war es fast ein Ritual, dass Josef Zumdieck, der damalige Vertriebsleiter des Buchverlages, mich etwa einmal pro Woche in meinem Büro besuchte. Zumdieck, ein seriös wirkender Herr mit grauen Haaren, der stets korrekt gekleidet war, erzählte bei solchen kurzen Besuchen gern, was sich »draußen im Handel« so tat, was ihm die Buchhändler berichteten oder wo er welche PERRY RHODAN-Bücher wie gut verkauft hatte. Ich fand diese Informationen immer interessant, weil sie eine Art von Feedback boten, die sonst eher selten war.
Im Herbst 1997 kam Zumdieck mit einer gewissen Spannung in mein Büro. Er sei bei Weltbild gewesen. Der Augsburger Buchversand, der zu dieser Zeit in einer beeindruckenden Expansionsphase steckte, war mittlerweile zu einem der wichtigsten Partner für Moewig geworden. Nur war es nie gelungen, die PERRY RHODAN-Silberbände in einem größeren Umfang in den Weltbild-Katalog zu bekommen. Aber jetzt, so Zumdieck, hätten »die Weltbild-Leute« endlich einmal echtes Interesse an PERRY RHODAN aufgebracht.
Allerdings nicht mit bereits existierenden Silberbänden: »Die wollen aktuelles Material. Je aktueller, desto besser.« Den Gedanken, neu geschriebene Romane bei Weltbild unterzubringen, sollte ich mir allerdings gleich aus dem Kopf schlagen. Die Kalkulation sei messerscharf. »Da wird es vor allem darauf ankommen, dass wir einen guten Preis bieten.« Ich sollte mir mal Gedanken darüber machen.
Die Gedanken machte ich mir, viel Zeit war ohnehin nicht. Ich unterhielt mich mit Sabine Kropp, damals noch Bretzinger, und mit Eckhard Schwettmann, der zu dieser Zeit seit über einem Jahr das PERRY RHODAN-Marketing verantwortete. Recht schnell kamen wir auf eine schlüssige Idee: »Wir setzen den THOREGON-Zyklus in Buchform um – dann bekommen die Leser ein aktuelles Buchprodukt, und wir können mit Nachdruckhonoraren gut kalkulieren.« Gesagt, getan – das Konzept gefiel unserem Vertriebsleiter, der es dann den Weltbild-Kollegen vermittelte und diese damit ebenfalls überzeugte.
Das kleine, aber feine Problem: Auf einmal musste alles ganz schnell gehen. Eine Erfahrung, die wir im Lauf der Jahre wiederholt kennenlernten: Oftmals dauerte die Entscheidungsfindung bei einem neuen Projekt recht lange, und dann musste alles praktisch »übermorgen« vorliegen. Die Weltbild-Kollegen wollten das erste THOREGON-Buch am besten »übermorgen« haben.
Glücklicherweise mussten wir mit den Autoren nicht lange verhandeln, da wir über Rahmenverträge verfügten. Ich telefonierte statt dessen mit Michael Thiesen, schon damals ein ausgewiesener PERRY RHODAN-Experte, und besprach mit ihm das Prinzip: Wir wollten in jedem Buch vier Heftromane unterbringen; für die gewünschten 300 Buch-Seiten war das richtig viel Material, aber für die Setzerei gut zu schaffen. Seine Aufgabe war, die mehr oder weniger überflüssigen Szenen-Wiederholungen sowie grobe Fehler im Inhalt zu streichen und dadurch die vier Romane besser lesbar zu gestalten. Bewusst wollten wir keine so engagierte und strenge Bearbeitung vollziehen, wie wir sie von den Silberbänden her kannten.
Während dessen war Sabine Bretzinger im Dialog mit der Agentur Zeuner in Ettlingen, die zu jener Zeit viele Titelbilder für den Moewig-Buchverlag gestaltete. Es ging darum, ein Layout zu finden, das den Weltbild-Kollegen gefallen konnte, das in einem Katalog auch dann wirkte, wenn das Bild sehr klein war, und deren Gestaltung sofort »kapierbar« war, sprich, jeder potentielle Kunde sollte sofort sehen, dass es ein Science-Fiction-Thema war. Ein Titelbild von Alfred Kelsner, das Kugelraumer über einem Planeten zeigte, bot sich dafür an.
Wir verhandelten mit Weltbild; es wurden Kalkulationen gewälzt, Sabine diskutierte mehrmals mit der Agentur einerseits und Weltbild andererseits über die Cover-Gestaltung, während Michael Thiesen mir irgendwann das fertige Manuskript lieferte. Wir entschlossen uns kurzfristig, auch die Innenillustrationen zu übernehmen, die von Alfred Kelsner stammten, und sehr schnell stand ein 300 Seiten umfassendes Buch.
Es enthielt die ersten vier Romane des THOREGON-Zyklus: »Zeitraffer« und »Die Herreach« von Robert Feldhoff sowie »Stiefkinder der Sonne« und »Der Riese Schimbaa« von Hubert Haensel. Den Zyklus-Anfang fand ich schon in Form der Heftromane klasse; zwei Jahre später waren wir daran, das Hardcover dazu zu machen, und das fand ich ebenfalls klasse. Wir hatten also mehrere Gründe, uns über diese Buchausgabe zu freuen. Damit das Buch einen neuen Titel hatte, nannten wir es »Der zweite Mars erwacht«.
Warum Weltbild das Buch dann unter dem Label des Bechtermünz Verlages in Augsburg erscheinen ließ, erfuhr ich nie. Es war mir auch gleichgültig. Ich weiß aber noch, wie sehr wir uns freuten, als im Januar 1998 das erste THOREGON-Buch vor uns lag: Es war handlich und schön, es war preisgünstig, und inhaltlich empfand ich es als klasse. Es war zugleich der Beginn einer jahrelangen Zusammenarbeit der PERRY RHODAN-Redaktion mit dem Weltbild-Verlag.
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