Aus der Reihe »Der Redakteur erinnert sich«
Das Thema dieser Redakteurs-Erinnerung ist ein wenig schwierig, weil ich ins Jahr 1994 zurückblende und über die damalige Exposé-Arbeit plaudern möchte. Das ist möglicherweise kompliziert für jene Leser, die die damaligen Romane nicht gelesen (oder bereits vergessen?) haben. Zu viele Details zum Hintergrund würden aber noch weiter verwirren; ich empfehle im Zweifelsfall das Stöbern in der Zykluszusammenfassung auf der PR-Homepage.
Die ersten Romane des neuen Ayindi-Zyklus waren noch gar nicht erschienen, die Autoren kämpften sich durch die Exposés, die auf den Band 1700 folgten – doch es gab zu diesem Zeitpunkt bereits die ersten inhaltlichen Probleme. Die bisher übliche Taktik, einen großen Handlungsbogen zu erdenken, sich aber um die Details nicht zu kümmern, schien nicht aufzugehen.
Das merkte vor allem einer – Robert Feldhoff. Der Autor war mit Band 1701 offiziell als Mitglied in die sogenannte Expo-Factory aufgenommen worden war. Robert, der mit dem Doppelband 1707 und 1708 zwei entscheidende Romane schreiben sollte, erkannte nach Durchsicht der Exposés, welche Probleme auf ihn zukamen.
Immerhin sollte er eine Reihe von grundsätzlichen Themen behandeln ...
Er sollte darstellen, in welcher Form die Ayindi die Angriffe der Abruse abwehrten – hierzu hatte sich bislang noch niemand grundsätzliche Gedanken gemacht –, und er sollte zeigen, wie die Terraner in die Raumschlacht eingreifen und ihre Aktion letztlich dazu führt, dass ein Splitter der Abruse ins Solsystem transferiert wird, um dort dann zur »Kristallisierung« des Mars zu führen. Und »ganz nebenbei« sollte er beschreiben, wie der Nakk Paunaro den Kyberklon Voltago wiederfindet ...
Alles miteinander schon sehr komplex, vor allem deshalb, weil damit der Brückenschlag zwischen der Milchstraßen- und der Arresum-Handlung hergestellt werden sollte. Ein doppelter Schlüsselroman also, der dadurch verkompliziert wurde, dass ich in einer Redaktionskonferenz mit einer komplett offenen Frage genervt hatte: Was zum Teufel hatten eigentlich die Ennox mit der ganzen Sache zu tun, außer der Tatsache, dass sie Perry Rhodan auf den Weg zur Großen Leere geschickt hatten?
Am 10. Februar 1994 schrieb Robert Feldhoff dann ein langes Fax an den damaligen Redakteur, also an mich. Damals kommunizierten wir vorzugsweise per Telefon oder per Fax; Robert schickte solche Faxe vor allem nachts gern los. In diesem drei Seiten umfassenden Fax formulierte er seine Idee einer sogenannten Ennoxstraße, die von mir in dieser Form am selben Tag noch abgelehnt wurde; sie erschien mir als noch komplizierter als das bisher schon schwierige Ideenkonstrukt.
Robert war unwohl bei den vielen ungelösten Fragen: »Jedenfalls liegt mir Mystery im Magen, zumal ich das Gefühl habe, diese Mystery-Schiene schlecht zu überblicken.« Damit meinte er den Ennox-Planeten Mystery, der ihm nicht so recht zu den Shuwashen zu passen schien, die laut unserer neuen Überlegung vor zwei Millionen Jahren auf dem Mars siedelten. Und er präzisierte: »Besser jetzt dieser kleine, aber immerhin logische Salto, als später. Am Zyklusende haben wir noch so viele schwere Sachen, daß ich dies hier gern abgeräumt wüßte.«
In seiner Konzeption sollte der Nakk Paunaro in einen Schacht auf dem Planeten Achtzehn steigen und dort eine Art Ennoxstraße finden. Mit Hilfe dieses Schachtes seien die Ertruserin Lyndara und ihre Begleiter – ein Handlungselement der Romane zwischen Band 1650 und 1699 – von der Großen Leere in die Milchstraße gelangt.
Bei der Erforschung dieser Ennoxtraße sollten Paunaro sowie der Wissenschaftler Myles Kantor in seiner Begleitung eine mysteriöse Energieblase finden. In dieser könnten »Ennox niemals stofflich existieren, sondern würden von hier aus als entstofflichter Energieimpuls direkt zum Ausgang der Blase weitergeleitet werden, zu einem Dimensionstor«. Dort wiederum stoßen Paunaro und Kantor auf die Leiche eines Lebewesens, das sich vor etwa 900.000 Jahren aufgemacht hatte, das Rätsel der Sampler-Planeten zu lösen.
Roberts Vorschlag: »In einem mitgeführten Datenspeicher (Raumanzug) finden Kantor und Paunaro jede Menge Angaben über das Sampler-Rätsel. So muß das unbekannte Wesen geglaubt haben, auf der anderen Seite, der Minus-Seite, warte eine ungeheure Belohnung. Und es wußte vermutlich auch, daß nur ein Vitalenergiespeicher/Zellaktivator es vor dem Tod drüben schützen könnte ...«
Mit Hilfe des Wesens und der Ennoxstraße – so Roberts Kalkül – ließen sich viele offene Fragen klären. Dank der »dimensionalen Verwindung« im Schacht hätten beispielsweise die Ertruser »ihre negative Strangeness erhalten und ihre geistige Verwirrung. Als sie auf Mystery herauskamen, wußten sie nur noch etwas von Macht und Blohnung und daß sie einen Aktivator brauchen ...«
Höhepunkt des Romans sollte sein, dass Paunaro dann doch das entscheidende finden sollte: »den Kyberklon Voltago, vielleicht unter einer Geröllhalde verborgen«. Das alles lässt sich heute kaum noch darstellen, ohne den kompletten Gesamtzyklus um das Große Galaktische Rätsel noch einmal Revue passieren zu lassen; immerhin beschäftigten sich 200 PERRY RHODAN-Romane mit diesem Thema.
Aber schon damals waren Robert Feldhoffs Überlegungen sehr komplex, arbeitete er anders mit der Stoff-Fülle des PERRY RHODAN-Kosmos als manche andere Kollegen. Deshalb passte auch das Ende seines Faxes: »Vom rein schriftstellerischen her traue ich mir zu, die Sache so zu bringen, daß sie im Roman gut kommt. Nur, wollen wir das? Besser wäre es ...«
Das war der Auftakt für ein langes Telefonat. Wie immer drängte die Zeit, wie immer mussten wir uns eine Möglichkeit ausdenken, die mit überschaubarem Aufwand zu schaffen war. Aus diesem Grund, so denke ich, wurde diese Überlegung Robert Feldhoffs nicht umgesetzt. Er schrieb seinen Roman nach Exposé zu Ende und definierte in diesem Doppelband sehr viel Grundsätzliches zum laufenden Zyklus – viele seiner Überlegungen kamen nicht zum Tragen, andere nutzten wir für spätere Ideen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen