06 Juli 2007

Foremons klopfende Geburt

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Die Frankfurter Buchmesse im Oktober 1995 war eine seltsame Veranstaltung – und das in mehrfacher Hinsicht. Es war die erste Buchmesse ohne Dr. Florian Marzin, und es war die erste Buchmesse, bei der es eigenes PERRY RHODAN-Prospektmaterial gab; es war die Buchmesse, auf der bei den Fans die Erkenntnis durchsickerte, dass Johnny Bruck kurz davor gestorben war, und es war die Buchmesse, bei der Robert Feldhoff und ich erstmals eine Exposé-Besprechung hatten.

An jenem Freitag abend saßen wir in dem fürchterlichen Messe-Hotel, in das uns in jenem Jahr der Verlag einquartiert hatte, zum ersten Mal zusammen. Ich war müde und erschöpft, weil ich gewissermaßen direkt von der Beerdigung Johnny Brucks angereist war. Und Robert Feldhoff wirkte noch einigermaßen irritiert, weil er an diesem Tag erstmals mit einer vollen Breitseite an Verlagsinterna konfrontiert worden war.

Wir hatten uns nicht zu den anderen Verlagsangestellten gesetzt, um uns über die weiteren Ideen zu unterhalten, die wir verwirklichen sollten. Noch lief der Hamamesch-Zyklus, der langsam auf sein Ende zusteuerte, und wir machten uns intensiv Gedanken über den zu planenden Thoregon-Zyklus. Für diesen stammten die Grundideen von Robert Feldhoff, der damit bereits den Exposé-Kollegen Ernst Vlcek und mich hatte überzeugen können. Jetzt ging es um die Detailarbeit.

Robert und ich saßen zu zweit an einem kleinen Tisch, neben uns das Fenster, von dem aus man hinaus in die schwarze Nacht und auf den unbeleuchteten Parkplatz schauen konnte. Aber wir kamen nicht so zum Arbeiten, wie wir es gerne getan hätten. Bernhard Maurer, der damalige Leiter des Buchverlags, war nämlich neugierig und wollte wissen, was wir »denn so besprechen«.

Keine Ahnung, was er wirklich erwartete, aber es musste für ihn völlig unverständlich gewesen sein. Robert und ich unterhielten uns in Kürzeln und Chiffren, wie so oft in der Vorbereitung für einen neuen Zyklus, wenn die Begrifflichkeiten noch nicht stehen und man sich ausschließlich Gedanken über die eigentliche Handlung macht. So sprachen wir von einem »Mister X«, der ein Problem hatte, und von einem »Montechristo«-Wesen, das Jahrmillionen mit Hilfe eines Zeitraffer-Feldes überbrücken wollte – und so weiter.

Maurer hörte fasziniert zu, verstand sichtlich kein Wort. »Sie machen das schon«, sagte er irgendwann, klopfte mir leutselig auf die Schulter und ließ uns allein. Nacheinander kamen dann Marketing- und Vertriebsleute sowie Kollegen aus dem Buchverlags-Lektorat, um herauszufinden, wie denn bei PERRY RHODAN die Ideen ausgebrütet wurden.

Kein Wunder, dass Robert und ich am nächsten Abend eine andere Lokalität ansteuerten. Wir kannten uns beide in Frankfurt nicht aus und entschieden uns spontan für ein vietnamesisches Restaurant in der Innenstadt. Dort bestellten wir allerlei Nahrungsmittel, ohne vorher genau zu wissen, was wir bekommen sollten, und machten spätestens bei den kleinen Frühlingsrollen keine besonders gute Figur. Beide überlegten wir, wie man sie fachgerecht isst, ohne sich in den Augen der Leute am Nachbartisch zu blamieren.

Irgendwann saß ich da, wälzte irgendeinen halbwegs guten Gedanken in meinem Hirn hin und her, während ich immer wieder einen Schluck Bier trank. Auch Robert dachte über etwas nach, und als wir beide so vor uns hindachten (Winnie der Pu hätte eine große Freude an uns gehabt.), klopfte ich unrhythmisch mit dem Fingerknöchel auf dem Tisch herum.

Auf einmal guckte mich Robert an. »Mach das noch mal«, forderte er.

»Was denn?« Ich war völlig verwirrt.

»Na das Klopfen natürlich.« Er starrte mich an, als falle ihn gerade aus dem Nichts eine Idee an.

Ich klopfte erneut auf der Tischplatte herum, nicht zu laut, um die anderen Gäste nicht zu stören, und Robert grinste. »Ich hab's«, sagte er, »wir führen ein Wesen ein, das auf Stein klopft, und wenn es auf den Steinen rumklopft, verformen die sich.«

Jetzt guckte ich ihn an. »Und wofür?«, gab ich zurück, im ernsthaften Bemühen, eine Lücke in seiner logisch klingenden Argumentation zu finden. »Wofür soll das gut sein?«

»Er ist ein Wächter«, sagte Robert andächtig, »einer der Wächter über so einen Brückenpfeiler.« An Pilzdome dachten wir damals beide noch nicht; wir wussten aber, dass die mysteriöse Brücke in die Unendlichkeit mehrere Ausgänge haben musste. »Und dieser Wächter übt seine Pflicht in einer Wüste aus Steinen aus. Aus Basalt! Und wenn er auf die Steine klopft, verformen die sich, bilden eine riesige Falle, unter der er Feinde seiner Organisation begraben kann.«

Das hörte sich gut an, und mir gefiel es sofort. Wir unterhielten uns weiter, und im Laufe der nächsten halben Stunde entwickelte Robert im Gespräch die Figur des »Basalt-Trommlers«, wie wir Foremon damals noch nannten, und seines Begleiters Steinkind. Darüber hinaus dachten wir uns zahlreiche weitere Details aus, die später in die ersten Bände des THOREGON-Zyklus einflossen.

Es war ein fruchtbarer Abend in diesem vietnamesischen Restaurant, eine kurze Exposé-Besprechung, die ohne große Vorbereitung eine Reihe von sehr positiven Ergebnissen mit sich brachte. Und sie war vor allem ein weiterer Etappenstein zum Start in den großen THOREGON-Zyklus ...

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