10 Juli 2025

Wir üben Verschränkungen

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
 

Es war immer etwas Besonderes, mit Robert Feldhoff zusammenzuarbeiten. Das merkte ich nicht nur bei Exposés und Romanen, sondern auch bei Computerspielen oder Seminaren. Und so fuhr ich am Freitag, 19. Februar 1999, in bester Laune mit der Bahn nach Wolfenbüttel, wo ich zum dritten Mal mit Robert zusammen als Dozent in einem Seminar wirken sollte.

Robert und ich trafen uns bereits am Nachmittag. Die Bundesakademie für kulturelle Bildung hatte uns in der Schünemannschen Mühle einquartiert, dem Gästehaus der Einrichtung. Dort gab es Sitzecken, und wir nutzten die Chance für eine erste Besprechung. Ziel des Seminars war für uns schließlich auch, nebenbei die eine oder andere Angelegenheit rings um unsere Serie zu diskutieren.

Die 13 Personen, die an dem Seminar teilnahmen, hatten im Voraus ihre Texte eingereicht; diese hatten sie nach einer Aufgabe geschrieben, die wir im Vorfeld gestellt hatten. Ich hatte alle Texte im Zug gelesen, Robert bisher nur einen Teil geschafft.

Wir legten in unserem Gespräch erst einmal fest, in welcher Reihenfolge wir sie durcharbeiten würden – damit er die Zeit hatte, die noch fehlenden Texte zu lesen. Und wir überlegten uns, wie wir uns Freiräume schaffen konnten, um über PERRY RHODAN diskutieren zu können.

Für das Seminar hatte Robert eine klare Idee: »Lasst uns mal Verschränkungen üben.« Darunter verstand Robert Feldhoff einen Kunstgriff, der in Romanen sehr häufig verwendet wird: Auf Seite 23 wird beispielsweise ein völlig banaler Gegenstand eher am Rande eingeführt, der dann aber dem Helden auf Seite 122 des Romans hilft, den Bösewicht zu besiegen. Generell dient eine Verschränkung aber dazu, einen Handlungsverlauf abzuändern und den Leser so zu überraschen.

Details dieser Art müssen im Roman gut vorbereitet werden, um die Leserinnen und Leser an der richtigen Stelle überraschen zu können. Das funktioniert im Krimi genauso wie in der Science Fiction und in der Fantasy, im Liebesroman sowieso. Und man kann damit in der Kurzgeschichte ebenso arbeiten wie im Roman. Vor allem dient das »Verschränken« als Methode für Autoren von Spannungsromanen.

Solche Dinge sollten die Teilnehmer des Seminars feststellen, üben und selbst erarbeiten. Roberts Vorschlag fand ich hervorragend, den wollten wir gemeinsam umsetzen. Nachdem wir diese Eckpunkte festgelegt hatten, konnten wir ins eigentliche Seminar gehen.

Erwartungsvoll sahen uns die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an. Robert und ich saßen im großen Saal der Schünemannschen Mühle, die anderen an einer Kombination aus Tischen, die ein großes Viereck formte. Zu Beginn erläuterte ich die technischen Gegebenheiten rings um die Mühle – Details wie das Bezahlen der Getränke und das gemeinsame Essengehen –, bevor wir zur Vorstellungsrunde übergingen.

Ein Redaktionsgespräch

Im Plan der Bundesakademie stand ein sogenanntes Redaktionsgespräch auf dem Programm. In diesem Fall hieß das: Ich führte eine Art Interview mit dem Exposéautor und befragte ihn zu seiner Arbeit als Autor und wie er seine Romane plante. Robet Feldhoff berichtete über seine schriftstellerische Laufbahn, auch über die Randbereiche wie Comics und Computerspiel, und er stellte dar, welche Unterschiede es zwischen einem Heftroman, einem Taschenbuch und einem Space-Thriller in puncto Schreibdisziplin und Recherche gibt.

Aus Rückfragen der Anwesenden entwickelten sich kleine Diskussionen. Ich erzählte ergänzend von meiner Arbeit als Redakteur. Wir machten damals Heftromane, die im eigenen Verlag erschienen, arbeiteten an Konzepten für neue Bücher und konzipierten zusammen mit externen Partnern beispielsweise Hörspiele und CD-ROMS. Das war für die Teilnehmenden interessant; sie bekamen so eine andere Sicht auf die Arbeit eines Verlags vermittelt.

Danach wurden eingeschickte Texte besprochen. Robert und ich gingen auf die stilistischen Stärken und Schwächen ein, und ich versuchte das zu moderieren, was von den Anwesenden in die Diskussion geworfen wurde. Bei diesen Seminaren fand ich immer spannend, wie manche Leute aus sich herausgingen: Waren sie anfangs noch zurückhaltend und trauten sich kaum, ihre Meinung zu sagen, wurden sie im Verlauf des Wochenendes aktiver. Letztlich fand ich es immer dann gut, wenn im Seminar eine Art Binnenklima entstand, bei dem die Autorinnen und Autoren gemeinsam an den Texten arbeiteten und über sie diskutierten.

An diesem Abend kamen wir nicht mehr dazu, weitere Aufgaben anzugehen. Aber das Seminar endete nicht mit dem offiziellen Schluss. Wir saßen noch lang zusammen. Eine lockere Runde bildete sich, bei der wir Bier und Wein tranken und über alle möglichen Themen sprachen. Die anwesenden PERRY RHODAN-Leser nutzten die Gelegenheit, mit Robert Feldhoff über die laufende Handlung und seine weiteren Pläne zu diskutieren.

Entsprechend spät kam ich ins Bett.

(Diesen Text brachten wir schon im Juni 2025 auf der Internet-Seite der PERRY RHODAN-Redaktion. Hier dann endlich auch die Veröffentlichung ...) 

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