12 Januar 2015

Ein Papier zur FanZentrale

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Im Juni 1994 fand ich meine eigene Rolle in der Science-Fiction-Szene ein wenig merkwürdig. Ich kam aus der Fan-Szene, dem Fandom, und ich fühlte mich dieser Szene immer noch zugehörig; ich verfasste Texte für Fanzines und brachte gelegentlich selbst noch ein eigenes Heft heraus. Gleichzeitig war ich seit über eineinhalb Jahren als PERRY RHODAN-Redakteur im Einsatz – dadurch wurde ich von vielen Menschen von »außerhalb« anders wahrgenommen.

Die Fan-Szene schien in der Mitte der neunziger Jahre in einer Phase starker Veränderungen zu stehen. Viele der »alten Aktivisten« hatten aufgehört, neue traten auf den Plan, und es zeichnete sich ab, dass das klassische Modell des kleinen PERRY RHODAN-Clubs ausgedient hatte. Da ich seit 1986 die PERRY RHODAN-Clubnachrichten betreute, bekam ich das direkt mit.

Immer wieder sprach ich mit Freunden darüber, unter anderem mit Hermann Ritter, der selbst ein »offenes Ohr« für alle Fan-Belange hatte. In seiner Küche hatten wir eines Morgens eine ausführliche Diskussion, bei der wir die grundlegende Idee entwarfen, eine sogenannte PERRY RHODAN-FanZentrale zu gründen, eine Organisation für die PERRY RHODAN-Fans und ihr Umfeld.

»Die muss aber einen offiziellen Charakter haben«, argumentierte ich. »Wir brauchen den Segen des Verlages, nur dann kann ich als PERRY RHODAN-Redakteur offiziell zu der Fan-Zentrale Stellung beziehen und sie fördern.«

Nach meiner Rückkehr aus Weiterstadt, wo Hermann Ritter damals wohnte, berichtete ich meinem Chefredakteur von unseren Überlegungen. Wie so oft bei fannischen Überlegungen war Dr. Florian F. Marzin eher skeptisch. »Warum sollen wir solche Aktivitäten unterstützen, was hat der Verlag davon?«

Ich erläuterte ihm mündlich die gesamte Argumentationskette, er blieb skeptisch. Immerhin lehnte er das Konzept nicht komplett ab. »Es soll nicht die Arbeit der Redaktion blockieren«, sagte er noch, bevor er mir den Auftrag gab, das ganze Konzept zu verschriftlichen. »Dann können wir uns die einzelnen Punkte genauer anschauen.«

Am Mittwoch, 1. Juni 1994, war mein entsprechendes Arbeitspapier fertig, einen Tag vor Fronleichnam und einem weiteren Wochenende, das sich mit einem »Brückentag« verlängern ließ. Auf zwei Seiten, geschrieben mit dem damals modernen Computerprogramm Wordstar und ausgedruckt mit einem laut ratternden Matrixdrucker, listete ich alle Ideen rings um eine mögliche Fan-Zentrale auf. Damals schrieb ich die geplante Vereinigung übrigens mit Bindestrich zwischen »Fan« und »Zentrale«.

Mein Arbeitspapier begann mit »prinzipiellen Überlegungen im voraus«: Ich fasste die Situation der Club-Szene zusammen, schrieb auch über die »neue Welle« an Clubs und Fanzines, die meiner Ansicht nach »zu einer verstärkten PR-Diskussion im Fandom führte«.

Auffallend war in meinen Augen die Tatsache, dass ein Clubmitglied eigentlich nichts davon habe, wenn er in einem Club aktiv sei – »außer dem eigentlichen Spaß natürlich«. Es gab zu der Zeit Clubausweise, mehr aber nicht. Ebensowenig habe der Verlag davon; beide Seiten lebten gewissermaßen nebeneinander her. »Eine Art PERRY RHODAN-Fan-Zentrale könnte für beide Seiten etwas erreichen«, formulierte ich vage.

Von vorneherein sollte die geplante Vereinigung unabhängig vom Verlag sein, ich dachte an einen eigenen Verein. Ich wollte aber ebenso, dass der Verlag den Verein unterstützt und dass er auch offiziell Mitglied darin werden sollte. Ebenso war von vorneherein klar, dass der Verein »demokratisch strukturiert« werden sollte.

Mein eigentliches Ziel, das in der Küche bei Hermann Ritter intensiv diskutiert wurde, war aber das »Dienstleistungs-Angebot«. Dazu äußerte ich mich klar: »Die Fan-Zentrale kann klare Service-Angebote anbieten, was der Verlag nicht kann (aufgrund der anderen Produktionsmöglichkeiten).« So wollte ich gern, das die Fan-Zentrale beispielsweise Produkte herstellen sollte, die Fans nur »erhalten, wenn sie in dieser Zentrale Mitglied sind«. Ziel war, den engagierten Fans Dinge anzubieten, »die sie sonst nirgends erhalten«, während gleichzeitig der Verlag eine Möglichkeit erhielt, »Fans stärker an sich zu binden und als Multiplikatoren einzusetzen«.

Mein gesamtes Konzept kam aus der fannischen Denkweise heraus. Ich wollte tatsächlich etwas Gutes für die Fan-Szene tun. Meinem Chefredakteur brauchte ich aber nicht mit einer fannischen Argumentation zu kommen: Wenn der Verlag die Fan-Zentrale unterstützen sollte, musste der Verlag auch etwas davon haben.

Ich sah die Fan-Zentrale in meinem Arbeitspapier auch als Unterstützer und Förderer lokaler Veranstaltungen und hatte bereits Visionen einer weiteren Zukunft. »Eine Zusammenarbeit mit Schulen oder Volkshochschulen wäre möglich«, formulierte ich. Zu der Zeit war ich sehr optimistisch, was solche Fragen anging: Im nahe gelegenen Ettlingen hatte ich mehrfach die Chance gehabt, unsere Serie vor Schulklassen vorzustellen und mit Schülern ins Gespräch zu kommen. Warum also sollte so etwas nicht häufiger und aktiver gemacht werden?

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