Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Im Juni 1994 fand ich meine eigene Rolle in der Science-Fiction-Szene
ein wenig merkwürdig. Ich kam aus der Fan-Szene, dem Fandom, und ich
fühlte mich dieser Szene immer noch zugehörig; ich verfasste Texte für
Fanzines und brachte gelegentlich selbst noch ein eigenes Heft heraus.
Gleichzeitig war ich seit über eineinhalb Jahren als PERRY
RHODAN-Redakteur im Einsatz – dadurch wurde ich von vielen Menschen von
»außerhalb« anders wahrgenommen.
Die Fan-Szene schien in der
Mitte der neunziger Jahre in einer Phase starker Veränderungen zu
stehen. Viele der »alten Aktivisten« hatten aufgehört, neue traten auf
den Plan, und es zeichnete sich ab, dass das klassische Modell des
kleinen PERRY RHODAN-Clubs ausgedient hatte. Da ich seit 1986 die PERRY
RHODAN-Clubnachrichten betreute, bekam ich das direkt mit.
Immer
wieder sprach ich mit Freunden darüber, unter anderem mit Hermann
Ritter, der selbst ein »offenes Ohr« für alle Fan-Belange hatte. In
seiner Küche hatten wir eines Morgens eine ausführliche Diskussion, bei
der wir die grundlegende Idee entwarfen, eine sogenannte PERRY
RHODAN-FanZentrale zu gründen, eine Organisation für die PERRY
RHODAN-Fans und ihr Umfeld.
»Die muss aber einen offiziellen
Charakter haben«, argumentierte ich. »Wir brauchen den Segen des
Verlages, nur dann kann ich als PERRY RHODAN-Redakteur offiziell zu der
Fan-Zentrale Stellung beziehen und sie fördern.«
Nach meiner
Rückkehr aus Weiterstadt, wo Hermann Ritter damals wohnte, berichtete
ich meinem Chefredakteur von unseren Überlegungen. Wie so oft bei
fannischen Überlegungen war Dr. Florian F. Marzin eher skeptisch. »Warum
sollen wir solche Aktivitäten unterstützen, was hat der Verlag davon?«
Ich
erläuterte ihm mündlich die gesamte Argumentationskette, er blieb
skeptisch. Immerhin lehnte er das Konzept nicht komplett ab. »Es soll
nicht die Arbeit der Redaktion blockieren«, sagte er noch, bevor er mir
den Auftrag gab, das ganze Konzept zu verschriftlichen. »Dann können wir
uns die einzelnen Punkte genauer anschauen.«
Am Mittwoch, 1.
Juni 1994, war mein entsprechendes Arbeitspapier fertig, einen Tag vor
Fronleichnam und einem weiteren Wochenende, das sich mit einem
»Brückentag« verlängern ließ. Auf zwei Seiten, geschrieben mit dem
damals modernen Computerprogramm Wordstar und ausgedruckt mit einem laut
ratternden Matrixdrucker, listete ich alle Ideen rings um eine mögliche
Fan-Zentrale auf. Damals schrieb ich die geplante Vereinigung übrigens
mit Bindestrich zwischen »Fan« und »Zentrale«.
Mein Arbeitspapier
begann mit »prinzipiellen Überlegungen im voraus«: Ich fasste die
Situation der Club-Szene zusammen, schrieb auch über die »neue Welle« an
Clubs und Fanzines, die meiner Ansicht nach »zu einer verstärkten
PR-Diskussion im Fandom führte«.
Auffallend war in meinen Augen
die Tatsache, dass ein Clubmitglied eigentlich nichts davon habe, wenn
er in einem Club aktiv sei – »außer dem eigentlichen Spaß natürlich«. Es
gab zu der Zeit Clubausweise, mehr aber nicht. Ebensowenig habe der
Verlag davon; beide Seiten lebten gewissermaßen nebeneinander her. »Eine
Art PERRY RHODAN-Fan-Zentrale könnte für beide Seiten etwas erreichen«,
formulierte ich vage.
Von vorneherein sollte die geplante
Vereinigung unabhängig vom Verlag sein, ich dachte an einen eigenen
Verein. Ich wollte aber ebenso, dass der Verlag den Verein unterstützt
und dass er auch offiziell Mitglied darin werden sollte. Ebenso war von
vorneherein klar, dass der Verein »demokratisch strukturiert« werden
sollte.
Mein eigentliches Ziel, das in der Küche bei Hermann
Ritter intensiv diskutiert wurde, war aber das
»Dienstleistungs-Angebot«. Dazu äußerte ich mich klar: »Die Fan-Zentrale
kann klare Service-Angebote anbieten, was der Verlag nicht kann
(aufgrund der anderen Produktionsmöglichkeiten).« So wollte ich gern,
das die Fan-Zentrale beispielsweise Produkte herstellen sollte, die Fans
nur »erhalten, wenn sie in dieser Zentrale Mitglied sind«. Ziel war,
den engagierten Fans Dinge anzubieten, »die sie sonst nirgends
erhalten«, während gleichzeitig der Verlag eine Möglichkeit erhielt,
»Fans stärker an sich zu binden und als Multiplikatoren einzusetzen«.
Mein
gesamtes Konzept kam aus der fannischen Denkweise heraus. Ich wollte
tatsächlich etwas Gutes für die Fan-Szene tun. Meinem Chefredakteur
brauchte ich aber nicht mit einer fannischen Argumentation zu kommen:
Wenn der Verlag die Fan-Zentrale unterstützen sollte, musste der Verlag
auch etwas davon haben.
Ich sah die Fan-Zentrale in meinem
Arbeitspapier auch als Unterstützer und Förderer lokaler Veranstaltungen
und hatte bereits Visionen einer weiteren Zukunft. »Eine Zusammenarbeit
mit Schulen oder Volkshochschulen wäre möglich«, formulierte ich. Zu
der Zeit war ich sehr optimistisch, was solche Fragen anging: Im nahe
gelegenen Ettlingen hatte ich mehrfach die Chance gehabt, unsere Serie
vor Schulklassen vorzustellen und mit Schülern ins Gespräch zu kommen.
Warum also sollte so etwas nicht häufiger und aktiver gemacht werden?
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