03 März 2008

Der erste Tag in der Redaktion

Aus der Reihe »Der Redakteur erinnert sich«

Anfang November 1992 trat ich meinen ersten Arbeitstag in der PERRY RHODAN-Redaktion an. Es war eine Zeit des Umbruchs: Bis in den Oktober 1992 hinein hatte ich in Freudenstadt (60 Kilometer entfernt) gewohnt und in Tübingen (120 Kilometer entfernt) gearbeitet. Jetzt musste alles recht schnell gehen. Ich hatte eine Wohnung in einem Nachbardorf von Rastatt angemietet und mir ein neues Auto gekauft, eingerichtet war die neue Wohnung aber noch nicht.

Und so rollte ich am Montag, 2. November 1992, recht hektisch mit meinem grünen VW Jetta auf den Parkplatz der Verlagsunion Pabel-Moewig, wie der Verlag zu jener Zeit hieß. Der Parkplatz war groß und schlammig, und zwischen dem Parkplatz und der Hauptstraße reckten sich Betonmauern in die Höhe: Hier bauten gerade verschiedene Firmen an der neuen VPM-Druckerei, in der unter anderem künftig die Heftromane hergestellt werden sollten.

Ich meldete mich an der Pforte und wartete dort einen Augenblick, bis mich die Redaktionsassistentin abholte. Sabine Bretzinger, damals mit sehr langen blonden Haaren, führte mich die Treppen hoch bis ins Obergeschoss. Dort ging es in den Seitenflügel, und in dieser Ecke – »hinter der Schwingtür«, wie es hieß – begann der Bereich der noch existierenden Heftroman-Redaktion.

Ein Büro PERRY RHODAN und ein Büro Frauenromane, dazwischen eine Art Übergangszimmer, und ganz in der Nähe die Redaktion des »Landser«: Das war alles. Einige Türen weiter kam darüber hinaus die Abteilung Druckvorlagenherstellung, in der man damals noch manuell arbeitete: Filme wurden von Hand ausgeschnitten und auf Bogen aufgeklebt.

Mein Büro erwies sich als vergleichsweise kleiner Raum, dessen Fenster zur Straße ging: Beide Wände waren bis zur Decke mit alten Regalen bedeckt, in denen sich Heftromane, Taschenbücher, Silberbände und Vertragsordner stapelten. Und natürlich gab es die Exposé-Ordner, in denen die Aufzeichnungen zur PERRY RHODAN-Serie seit Band eins aufbewahrt wurden – ein Schatz, um den ich mich frühzeitig kümmern wollte.

Sabine Bretzinger zeigte mir meinen Schreibtisch: Ich übernahm den Tisch und den Stuhl von Dr. Florian F. Marzin, der zu dieser Zeit bereits sein neues Büro im Buchverlag übernommen hatte. Dann führte sie mich durch die anderen Büros, wo ich die Kolleginnen und Kollegen der anderen Heftromane kennenlernte. (Darunter war übrigens eine junge Redaktionsassistentin namens Bettina Lang. Nach verschiedenen Tätigkeiten in anderen Medienbereichen kam sie vor einigen Jahren zu VPM zurück und ist seither für PERRY RHODAN tätig.)

Ganz besonders wichtig war eine Art Ablagesystem aus Kunststoff, in dem die bereits redigierten Manuskripte deponiert wurden. Sabine drückte mir Terminpläne und anderes in die Hände, erläuterte, wie der Computer funktioniert und wo ich weiteres Büromaterial herbekommen könnte – und so verstrich die erste Stunde wie im Flug.

Florian Marzin tauchte kurz danach auf, die Kaffeemaschine köchelte bereits vor sich hin, und er packte mehrere Stapel Papier auf den Tisch. »Das hier sind die neuen Manuskripte«, sagte er und wies auf einen Stapel. »Die habe ich teilweise gelesen, teilweise noch nicht – aber sie müssen alle noch redigiert werden.«

Ich schaute mir die Schnellhefter mit den Manuskripten an. Obenauf lag ein Manuskript von Wolfpeter Ritter alias Peter Terrid. Ich blätterte es auf. »Sieht aus wie bei KX«, bemerkte ich. Immerhin war ich zwei Jahre lang als freier Mitarbeiter für die Kriminalroman-Serie KOMMISSAR X tätig gewesen; für diese Serie hatte Wolfpeter unter dem Pseudonym Patrick Wynes gearbeitet und mich mit vielen Tippfehlern und anderen Schlampereien häufig geärgert – aller Ideenvielfalt zum Trotz.

»Das hier sind Manuskripte, die ich abgelehnt habe oder bei denen es Ärger gab«, sagte Florian und schob mir einen anderen Stapel zu. »Gewissermaßen der Giftschrank.« Er gab mir zu einigen Manuskripten diverse Kommentare, und ich packte den Papierberg in eine tiefe Stelle des Büros, um ihn dort die nächsten Jahre hoffentlich nie wieder anfassen zu müssen.

»Und das hier ...« Er grinste. »Das sind Manuskripte von Fans und anderen Autoren, die unaufgefordert PERRY RHODAN-Taschenbücher eingereicht haben.« Es war der größte Stapel, und er wirkte sehr chaotisch. »Da ist einer dabei, der heißt Roderer oder so, den solltest du dir mal anschauen.«

Wir tranken Kaffee, wir unterhielten uns, und dann kam die Mittagspause. »Du solltest noch einen Brief an die Autoren schreiben«, riet Florian, bevor er verschwand. Wir würden uns in der Kantine wiedertreffen.

Ich nickte und verfasste einen Brief an das Autorenteam, in dem ich mich vorstellte. Die meisten kannten mich von Namen her, weil ich jahrelang die PERRY RHODAN-Clubnachrichten betreut hatte, und einige hatte ich bei Cons getroffen. Zudem hatte mich Florian bei der Autorenkonferenz im Mai kurz präsentiert.

Der Brief endete mit einer positiven Aussage: »Ich freue mich auf den Job und hoffe auf eine gute und ersprießliche Zusammenarbeit am nunmehr gemeinsamen ›Kind‹ PERRY RHODAN.«

Dass ich mehr als 15 Jahre danach immer noch als Redakteur für PERRY RHODAN tätig sein würde, hätte ich mir damals nicht träumen lassen ...