Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Wie wäre es, wenn ... So beginnen bei vielen Science-Fiction-Romanen
die Planung und die Schreibarbeit der Autoren. Und so war es auch bei
PERRY RHODAN NEO – wir stellten uns Fragen. Wie wäre es, wenn Perry
Rhodan mit seinen Begleitern nicht 1971 zum Mond geflogen wäre, sondern
der Start im Jahr 2036 erst noch bevorsteht?
Bei
unseren Überlegungen zur neuen Serie war uns immer eines klar: Seit
fünf Jahrzehnten faszinierte die PERRY RHODAN-Serie ihre Fans. Eine
geeinte Menschheit und Frieden auf der Erde waren 1961 die Visionen, mit
denen sich die Leser identifizieren konnten. Die Suche nach der
Unsterblichkeit, der Kontakt zu Außerirdischen und der Besuch fremder
Welten kamen hinzu.
Diese »Essenz« sollte bleiben, an dieser
wollten wir nicht »rütteln«. Seit 1961 waren Tausende von Romanen
erschienen, und das Perryversum hatte sich in diesen fünf Jahrzehnten
zum größten fiktionalen Universum aller Zeiten entwickelt.
Bei
vielen Gesprächen mit Journalisten und potenziellen Neulesern hatten wir
eines immer wieder festgestellt: Die Serie litt von Jahr zu Jahr unter
einem kleinen Problem: Wenn Perry Rhodan im Jahr 1971 zum Mond fliegt,
so ist das aus Sicht des Jahres 1961 und zur Zeit, in der Band eins
erschien, eine richtig tolle Vision. Aus Sicht des Jahres 2011 wirkte
das Ganze ein wenig antiquiert, wie ein Blick in eine Vergangenheit.
Und
so hatte schon anfangs der Nuller-Jahre in der PERRY RHODAN-Redaktion
die Überlegung gereift: Wie wäre es denn, wenn man die Serie noch einmal
starten würde? Ein sogenannter Reboot, wie es die amerikanischen
Comic-Serien immer wieder wagten, wäre eine Möglichkeit. Eine parallele
Geschichte wäre die andere Möglichkeit – aber es wäre spannend genug,
das Thema Mondlandung von Neuem aufzurollen.
Im Frühjahr 2005
entstand ein erstes Konzeptpapier in der PERRY RHODAN-Redaktion. In
diesem wurde überlegt, wie es wäre, die Serie in einem neuen Gewand
quasi aufzufrischen. Das durfte in keinster Weise »schwach« sein,
sondern musste vom ersten Tag an mit einem klaren Auftrag ablaufen.
Zitat aus dem damaligen Ideenpapier, das ich verfasst und zu dem Frank Borsch wesentliche Bestandteile beigesteuert hatte:
»Der
PERRY RHODAN-Neustart muss auf einem sehr hohen Niveau geschrieben
werden: spannend und actionreich, aber mit all den modernen Einblicken,
wie sie heutige Leser erwarten. Aktuelle Erkenntnisse der Wissenschaft,
der Medien- und Computertechnik müssen selbstverständlich einfließen.«
Zu
der Zeit ging man in der Redaktion davon aus, die neue PERRY
RHODAN-Serie in Zusammenarbeit mit dem Moewig-Buchverlag verwirklichen
zu können. Die kurzen Wege von Büro zu Büro boten sich hierfür an. Um
den Kollegen im Buchverlag, die vom Inhalt der Serie wenig bis gar keine
Ahnung hatten, das Thema zu erläutern, formulierte es mein Konzept sehr
kritisch:
»Die grundlegende PERRY RHODAN-Story ist stark, aber
auch antiquiert. In den frühen Bänden gibt es keine tragbaren Computer,
Handys und dergleichen. Für einfache Rechenoperationen braucht man
gigantische Computer. Die Außerirdischen besitzen eine märchenhafte
Technik, mit der sie die Wirkung von Atombomben auf der Erde ausschalten
können, sie sind aber nicht selbst in der Lage, sich gegen eine Bombe
zu wehren; sie haben nach 20.000 Jahren der Forschung kein Hilfsmittel
gegen eine Krankheit wie Leukämie, wohl aber die Menschen.«
Bevor
die Konzepte sich weiter entwickeln konnten, änderte der Buchverlag
zuerst seine Ausrichtung und schloss dann Ende 2006 seine Pforten. Die
Idee selbst starb nicht, sie wurde immer wieder aufgegriffen und neu
angedacht.
Mir war immer eines klar: Wollte ich als Redakteur
ein solches Projekt richtig vorantreiben, benötigte ich die Mitarbeit
guter Autoren. Bewusst entschieden wir uns für Frank Borsch, der zu
jener Zeit mit seiner »Alien Earth«-Trilogie – die drei Taschenbücher
erschienen im Heyne-Verlag – zeigte, wie gut er es verstand, kühne
Science-Fiction-Ideen mit einer realitätsnahen Handlung zu verknüpfen.
»Alien
Earth« spielte in den 60er- und 70er-Jahren des 21. Jahrhunderts, also
nur wenige Jahrzehnte nach einem angenommenen neuen Start Perry Rhodans
zum Mond. In dieser Trilogie präsentierte Borsch eine Erde, in der alle
Prophezeiungen zur Klimakatastrophe Wahrheit geworden sind: Inselstaaten
sind überflutet, Staaten brechen zusammen, und ein allgegegenwärtiges
Klima des Mistrauens herrscht vor.
Wollten wir eine PERRY
RHODAN-Serie präsentieren, die in einem fiktiven Jahr 2036 spielt,
mussten ähnliche Themen zumindest im Hintergrund eine Rolle spielen.
»Genau das haben Scheer und die anderen Autoren 1961 ja ebenfalls
getan«, formulierte ich es in einem der ersten Konzepte.
Frank
Borsch griff die ursprünglichen Gedanken auf und entwickelte sie weiter.
Vor allem nahm er sich den Stoff des allerersten PERRY RHODAN-Romans
vor, um zu schauen, was man von diesem noch in eine moderne Zeit retten
konnte. Recht schnell war klar: nicht viel. Er erarbeitete eine
neuartige Konzeption.
In einem Arbeitspapier für die
Geschäftsleitung formulierte ich Franks Konzept folgendermaßen: »Frank
Borsch hat die klassische Geschichte genommen und in eine potenzielle
Zukunft versetzt, in welcher wieder ein Mondflug ansteht. Der Autor
bringt die klassischen Figuren in neue Konstellationen und verleiht
ihnen zusätzliche Charaktereigenschaften – wie das von heutigen Romanen
verlangt wird, die am Markt erfolgreich sind.«
Nach vielen
Diskussionen und vielem Hin und Her war klar: Die neue Serie, die intern
nur als »Geheimprojekt X« vorbereitet wurde, sollte mit dem PERRY
RHODAN-Jubiläumsjahr verknüpft werden. Wenn die erfolgreichste
Science-Fiction-Serie der Welt ihren fünfzigsten Geburtstag feierte,
passte es gut ins Bild, zu diesem Termin ein neuen Blick auf den
Klassiker zu werfen.
Der Titel PERRY RHODAN NEO wurde festgelegt,
mit »Die Zukunft beginnt von vorn« stand bald ein Untertitel fest, und
der PERRY RHODAN-Coverkünstler Dirk Schulz
gestaltete die ersten Titelbilder. Zur selben Zeit arbeiteten die
Autoren an den ersten Exposés und Romanen – sie waren mit Feuereifer bei
der Arbeit.
Es wurde keine einfache Neuauflage, kein
»Abklatsch«, sondern vielmehr eine Neu-Interpretation der klassischen
Geschichten, die wir mit einer komplett neuen Handlung ergänzten.
Altbekannte Charaktere wollten wir in frischerem Licht präsentieren,
neue Charaktere ergänzen.
Und als der WeltCon näher kam, als
sich der Sommer langsam seinem Ende neigte, rollte der erste Roman über
die Druckmaschinen. Wir hatten acht Romane geplant, die einen ersten
kleinen Handlungsabschnitt bilden sollten. Unser Plan war: PERRY RHODAN
präsentierte genau fünfzig Jahre nach dem ersten Start einen zweiten
Start zum Mond.
Im September 2011 waren wir extrem gespannt darauf, wie das alles ankommen würde ...
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