07 Mai 2015

Sinzig im Oktober 1997 – Teil 4

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Der PERRY RHODAN-Con in Sinzig war gut verlaufen, und an diesem Oktober-Wochenende im Jahr 1997 hatte ich beste Laune. Das einzige, was mich ein wenig nervte, war die Tatsache, dass mir niemand sagen konnte, wo ich in dieser Nacht eigentlich schlafen sollte. Die Veranstalter hatten gesagt, sich darum zu kümmern, aber vergessen, mir – trotz aller Nachfragen – etwas Konkretes zu übermitteln.

Es war ziemlich genau um Mitternacht, als Werner Fleischer zu mir kam, einen gemütlich wirkenden Mann im Schlepptau. »Das ist der Taxifahrer«, erläuterte er mir, »er wird dich jetzt ins Hotel bringen.«

Weil ich tatsächlich glücklich war, nach einem ganzen Tag voller Fragerei endlich zu meinem Schlafplatz zu kommen, fragte ich nicht nach, wohin es denn gehen würde. Ich ging ganz selbstverständlich davon aus, dass das Hotel in Sinzig liegen würde. In flottem Tempo verabschiedete ich mich von den anderen Conbesuchern, die immer noch im Helenensaal bei lauter Musik feierten, und folgte dem Fahrer.

Der Mann verließ die Stadt; wir nahmen die Schnellstraße. Auch wenn ich mich nicht auskannte, merkte ich schnell, dass wir in Richtung Bonn fuhren. Der Fahrer erwies sich als wortkarg und gab keine großen Auskünfte. Aber er brachte mich nach Bad Godesberg, einem Ortsteil von Bonn, wo er vor einem Hotel anhielt.

Dort wussten bereits alle Bescheid. Ein Zimmer war für mich reserviert worden, man hatte das Personal darüber informiert, dass ich spät in der Nacht kommen würde. Die freundliche Dame an der Rezeption wusste darüber hinaus, dass ich die Rechnung am nächsten Morgen übernehmen und später über den Verlag abrechnen würde; ebenso wussten der Fahrer und das Personal, wann ich am nächsten Morgen abgeholt werden würde.

Ich fühlte mich einigermaßen überrumpelt und nahm mir vor, Werner am nächsten Tag zur Rede zu stellen. Das hätte er mir doch alles rechtzeitig und im Voraus sagen können. Doch jetzt war ich vor allem froh darüber, einen Schlafplatz bekommen zu haben. Dieser erwies sich als angenehm und bequem, und meine Nacht war sehr erholsam.

Wie ich später erfuhr, hatten einige Conbesucher im Helenensaal noch lange weitergefeiert, bevor sie zu Fuß zur Turnhalle gegangen waren, um dort im Schlafsack und auf der Isomatte zu nächtigen. Unterm Strich hatten sie wahrscheinlich trotzdem mehr Schlaf gefunden als ich – bei ihnen entfiel schließlich die Fahrerei.

Am nächsten Morgen war mein Ärger über Werner Fleischer sowieso wieder verraucht. An diesem Sonntag, 5. Oktober 1997, war das Wetter so schön wie am Vortag, und ich hatte so gut wie nichts zu tun. Ich nahm ein kleines Frühstück zu mir und checkte aus, der Taxifahrer war pünktlich zur Stelle – derselbe wie in der Nacht – und fuhr mich zum »Haus der offenen Tür«, ohne unterwegs mehr als das allernötigste zu sprechen.

Als ich beim Con ankam, lief bereits das PERRY RHODAN-Quiz. Rainer Nagel saß mit den Kandidaten auf der Bühne und stellte ihnen Fragen, deren Schwierigkeit sich von Stufe zu Stufe steigerte. Gespannt hörte ich eine Viertelstunde lang zu und genoss es, dabei in der letzten Reihe zu sitzen, direkt vor dem Stand des Science-Fiction-Clubs Universum, und dort meine Ruhe zu haben.

Rainer Nagel stellte Fragen, von denen ich einen Teil beim besten Willen nicht hätte beantworten können. Einige waren einfach, zumindest für jemanden, der seit fünf Jahren als PERRY RHODAN-Redakteur arbeitete, andere erforderten aber ein Sachwissen zu unserer Science-Fiction-Serie, das ich so im Detail nicht hatte. Teilweise war ich echt beeindruckt, auf welche Fragen die Fans auf der Bühne sofort eine Antwort hatten.

Vom Rest des Programms bekam ich an diesem Tag nicht mehr viel mit. Ich führte viele Einzelgespräche, unter anderem gab es eine Reihe von Exposé-Diskussionen mit Peter Terrid und Rainer Castor. Die beiden Autoren fanden den laufenden Thoregon-Zyklus, an dem wir seit 1995 arbeiteten, grundsätzlich gut, merkten aber eine Reihe von Kritikpunkten an, ergänzt durch Verbesserungsvorschläge.

Peter Terrid ging es vor allem um eine intensivere Ausgestaltung der Hintergründe. »Wie funktioniert eigentlich so eine galaktische Wirtschaftsordnung?«, fragte er nicht zum ersten Mal. »Und wie habe ich mir eine Steuergesetzgebung vorzustellen, die dafür sorgt, dass angesichts einer Lebenserwartung von 200 Jahren nicht irrsinnige Zins- und Zinseszins-Steigerungen stattfinden?«

Ich wusste zu diesem Zeitpunkt bereits, was sich Robert Feldhoff und Ernst Vlcek für die Handlung des nächsten PERRY RHODAN-Zyklus ausgedacht hatten. Zumindest hatte ich eine grobe Vorstellung von den Plänen der beiden Exposéautoren; da passten Peter Terrids Überlegungen nicht unbedingt hinein. Ich notierte mir aber alles und versprach, die Ideen in die Zyklusplanung ab Band 1900 einfließen zu lassen. »Wenn es sich machen lässt«, schränkte ich ein, wie immer in solchen Fällen.

Am Nachmittag führte ich ein letztes Gespräch mit Werner Fleischer, wir zogen gemeinsam ein Fazit aus den PERRY RHODAN-Tagen Rheinland-Pfalz. »Das war eine tolle Veranstaltung«, lobte ich und meinte es ernst. »Das mit der Übernachtung müssen wir nächstes Mal aber anders machen.«

»Es gibt direkt um die Ecke ein kleines Hotel«, machte mir Werner klar. »Keine 500 Meter von hier. Aber das war schon ausgebucht.«

»Dann wäre es doch schlau, bereits fürs nächste Jahr alle Zimmer zu reservieren«, schlug ich vor.

Er versprach, sich darum zu kümmern. Ich verabschiedete mich von den Veranstaltern sowie den Fans, die vor der Tür herumstanden, und machte mich auf den Weg zum Bahnhof. Es war 15 Uhr, und die Sonne schien. Wieder einmal war ein schöner Con zu Ende, und ich freute mich schon auf das nächste Jahr in Sinzig.

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