Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Der PERRY RHODAN-Con in Sinzig war gut verlaufen, und an diesem
Oktober-Wochenende im Jahr 1997 hatte ich beste Laune. Das einzige, was
mich ein wenig nervte, war die Tatsache, dass mir niemand sagen konnte,
wo ich in dieser Nacht eigentlich schlafen sollte. Die Veranstalter
hatten gesagt, sich darum zu kümmern, aber vergessen, mir – trotz aller
Nachfragen – etwas Konkretes zu übermitteln.
Es war ziemlich
genau um Mitternacht, als Werner Fleischer zu mir kam, einen gemütlich
wirkenden Mann im Schlepptau. »Das ist der Taxifahrer«, erläuterte er
mir, »er wird dich jetzt ins Hotel bringen.«
Weil ich tatsächlich
glücklich war, nach einem ganzen Tag voller Fragerei endlich zu meinem
Schlafplatz zu kommen, fragte ich nicht nach, wohin es denn gehen würde.
Ich ging ganz selbstverständlich davon aus, dass das Hotel in Sinzig
liegen würde. In flottem Tempo verabschiedete ich mich von den anderen
Conbesuchern, die immer noch im Helenensaal bei lauter Musik feierten,
und folgte dem Fahrer.
Der Mann verließ die Stadt; wir nahmen die
Schnellstraße. Auch wenn ich mich nicht auskannte, merkte ich schnell,
dass wir in Richtung Bonn fuhren. Der Fahrer erwies sich als wortkarg
und gab keine großen Auskünfte. Aber er brachte mich nach Bad Godesberg,
einem Ortsteil von Bonn, wo er vor einem Hotel anhielt.
Dort
wussten bereits alle Bescheid. Ein Zimmer war für mich reserviert
worden, man hatte das Personal darüber informiert, dass ich spät in der
Nacht kommen würde. Die freundliche Dame an der Rezeption wusste darüber
hinaus, dass ich die Rechnung am nächsten Morgen übernehmen und später
über den Verlag abrechnen würde; ebenso wussten der Fahrer und das
Personal, wann ich am nächsten Morgen abgeholt werden würde.
Ich
fühlte mich einigermaßen überrumpelt und nahm mir vor, Werner am
nächsten Tag zur Rede zu stellen. Das hätte er mir doch alles
rechtzeitig und im Voraus sagen können. Doch jetzt war ich vor allem
froh darüber, einen Schlafplatz bekommen zu haben. Dieser erwies sich
als angenehm und bequem, und meine Nacht war sehr erholsam.
Wie
ich später erfuhr, hatten einige Conbesucher im Helenensaal noch lange
weitergefeiert, bevor sie zu Fuß zur Turnhalle gegangen waren, um dort
im Schlafsack und auf der Isomatte zu nächtigen. Unterm Strich hatten
sie wahrscheinlich trotzdem mehr Schlaf gefunden als ich – bei ihnen
entfiel schließlich die Fahrerei.
Am nächsten Morgen war mein
Ärger über Werner Fleischer sowieso wieder verraucht. An diesem Sonntag,
5. Oktober 1997, war das Wetter so schön wie am Vortag, und ich hatte
so gut wie nichts zu tun. Ich nahm ein kleines Frühstück zu mir und
checkte aus, der Taxifahrer war pünktlich zur Stelle – derselbe wie in
der Nacht – und fuhr mich zum »Haus der offenen Tür«, ohne unterwegs
mehr als das allernötigste zu sprechen.
Als ich beim Con ankam,
lief bereits das PERRY RHODAN-Quiz. Rainer Nagel saß mit den Kandidaten
auf der Bühne und stellte ihnen Fragen, deren Schwierigkeit sich von
Stufe zu Stufe steigerte. Gespannt hörte ich eine Viertelstunde lang zu
und genoss es, dabei in der letzten Reihe zu sitzen, direkt vor dem
Stand des Science-Fiction-Clubs Universum, und dort meine Ruhe zu haben.
Rainer Nagel stellte Fragen, von denen ich einen Teil beim
besten Willen nicht hätte beantworten können. Einige waren einfach,
zumindest für jemanden, der seit fünf Jahren als PERRY RHODAN-Redakteur
arbeitete, andere erforderten aber ein Sachwissen zu unserer
Science-Fiction-Serie, das ich so im Detail nicht hatte. Teilweise war
ich echt beeindruckt, auf welche Fragen die Fans auf der Bühne sofort
eine Antwort hatten.
Vom Rest des Programms bekam ich an diesem
Tag nicht mehr viel mit. Ich führte viele Einzelgespräche, unter anderem
gab es eine Reihe von Exposé-Diskussionen mit Peter Terrid und Rainer
Castor. Die beiden Autoren fanden den laufenden Thoregon-Zyklus, an dem
wir seit 1995 arbeiteten, grundsätzlich gut, merkten aber eine Reihe von
Kritikpunkten an, ergänzt durch Verbesserungsvorschläge.
Peter
Terrid ging es vor allem um eine intensivere Ausgestaltung der
Hintergründe. »Wie funktioniert eigentlich so eine galaktische
Wirtschaftsordnung?«, fragte er nicht zum ersten Mal. »Und wie habe ich
mir eine Steuergesetzgebung vorzustellen, die dafür sorgt, dass
angesichts einer Lebenserwartung von 200 Jahren nicht irrsinnige Zins-
und Zinseszins-Steigerungen stattfinden?«
Ich wusste zu diesem
Zeitpunkt bereits, was sich Robert Feldhoff und Ernst Vlcek für die
Handlung des nächsten PERRY RHODAN-Zyklus ausgedacht hatten. Zumindest
hatte ich eine grobe Vorstellung von den Plänen der beiden
Exposéautoren; da passten Peter Terrids Überlegungen nicht unbedingt
hinein. Ich notierte mir aber alles und versprach, die Ideen in die
Zyklusplanung ab Band 1900 einfließen zu lassen. »Wenn es sich machen
lässt«, schränkte ich ein, wie immer in solchen Fällen.
Am
Nachmittag führte ich ein letztes Gespräch mit Werner Fleischer, wir
zogen gemeinsam ein Fazit aus den PERRY RHODAN-Tagen Rheinland-Pfalz.
»Das war eine tolle Veranstaltung«, lobte ich und meinte es ernst. »Das
mit der Übernachtung müssen wir nächstes Mal aber anders machen.«
»Es
gibt direkt um die Ecke ein kleines Hotel«, machte mir Werner klar.
»Keine 500 Meter von hier. Aber das war schon ausgebucht.«
»Dann wäre es doch schlau, bereits fürs nächste Jahr alle Zimmer zu reservieren«, schlug ich vor.
Er
versprach, sich darum zu kümmern. Ich verabschiedete mich von den
Veranstaltern sowie den Fans, die vor der Tür herumstanden, und machte
mich auf den Weg zum Bahnhof. Es war 15 Uhr, und die Sonne schien.
Wieder einmal war ein schöner Con zu Ende, und ich freute mich schon auf
das nächste Jahr in Sinzig.
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