Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Als die PERRY RHODAN-Redaktion damit anfing, sich mit E-Books zu
beschäftigen, wusste niemand, wie sich das neue Geschäftsfeld entwickeln
würde. Nicht zuletzt deshalb, weil die ersten Versuche mit dem
Rocket-E-Book kein Geld eingebracht, sondern nur Geld gekostet hatten,
wussten wir, dass wir uns sehr vorsichtig verhalten mussten.
Entsprechend
behutsam bewegten wir uns in diesem neuen Markt, der anfangs der
Nuller-Jahre sehr klein war. Kaum jemand konnte sich vorstellen, dass
das »elektronische Lesen« irgendwann zu einer Selbstverständlichkeit
werden würde. Dennoch blickten wir optimistisch in die Zukunft: Vor
allem Miriam Hofheinz war innerhalb der Redaktion diejenige, die an das neue Medium glaubte, ebenso Frank Borsch, der als Redakteur für PERRY RHODAN tätig war.
Als wichtiger Einstieg in das Geschäft fungierte die ATLAN-Serie. Zusammen mit unserem Partner readersplanet begannen
wir in den frühen 90er-Jahren damit, die klassischen ATLAN-Romane als
E-Books anzubieten. Als Format diente damals PDF – die Romane wurden
schließlich auf Bildschirmen gelesen, die an ganz gewöhnliche Computer
angeschlossen waren. An Lesegeräte oder Smartphones mit entsprechenden
Apps war noch nicht zu denken.
Warum wir die klassischen
ATLAN-Romane als E-Books anboten, ist leicht zu erklären: Diese Romane
waren nicht mehr in gedruckter Form zu haben, ich glaubte auch nicht an
eine Buchausgabe beispielsweise des Zyklus' »König von Atlantis«. Da es
aber genügend Fans gab, die schlichtweg lesen wollten, war es
folgerichtig, vor allem solche »ungehobenen Schätze« bevorzugt als
E-Books zu veröffentlichen.
Wir boten die Romane nur im
Abonnement an; einzelne Bände gab es nicht. Wir hatten uns anfangs
überlegt, jeden Band einzeln auszuliefern, dann aber schnell
festgestellt, dass uns die Kosten dafür über den Kopf wachsen würden.
Die Kunden, die sich für ATLAN interessierten, mussten sich also für ein
Paket entscheiden; dies erhielten sie dann Stück für Stück, Roman für
Roman zugestellt. Es gab genügend Käufer dafür, wenngleich die Zahlen
unterm Strich nie riesig waren.
»Ich will endlich mal neue Romane
anbieten«, forderte Christian Bildner von readersplanet immer wieder.
»Meine Leser schreiben mir E-Mails, sie wollen auch die aktuellen
ATLAN-Abenteuer, die gerade neu erscheinen.« In dasselbe Horn stieß
Miriam Hofheinz: »Wollen wir den E-Book-Markt entwickeln, benötigen wir
frischen Stoff.«
Frank Borsch schlug vor, die aktuellen
ATLAN-Miniserien, die wir als Heftromane in den Zeitschriftenhandel
gebracht hatten, recht schnell als E-Books zu veröffentlichen. »Damit
können wir testen, ob das von den Lesern angenommen wird«, so sein
Argument. Da die Serien derzeit nicht mehr im Handel zu haben seien,
würden wir damit dem Kiosk-Verkauf sicher nicht schaden. Zudem könnten
wir für die neuen ATLAN-Romane eine schöne Werbung erhalten.
Der
Autor und Redakteur formulierte einen Brief, und dieser wurde am 30.
September 2004 an die bisherigen ATLAN-Abonnenten verschickt. »Es tut
sich was in Sachen ATLAN-ebooks«, begann das Schreiben, »und ihr als die
Pioniere der Edition sollt es als erste erfahren: Bald gibt es weitere
ATLAN-Hefte digital!«
Im Oktober 2004 sollte die neue
ATLAN-Miniserie »Die Lordrichter« in Form gedruckter Heftromane
erscheinen; die Vertriebsinformationen standen schon bereit. Bereits am
15. Oktober sollten die bisherigen Miniserien »Traversan«, »Centauri«
und »Obsidian« als E-Book über readersplanet vertrieben werden. Wir
hielten es für eine gute Idee, in dieser Weise sowohl die digitale als
auch die klassisch-gedruckte Welt sinnvoll zu verbinden.
Frank
Borsch formulierte diese Zielsetzung in einem guten Slogan: »Allen drei
Serien ist eines gemein: Sie verkörpern das absolute Abenteuer.« Darüber
hinaus ergänzte er unseren Brief mit Argumenten für die
ATLAN-Miniserien:
»Sie spielen an Schauplätzen, die der großen
Bruderserie PERRY RHODAN bislang verwehrt waren. Sie bringen einen Hauch
von Exotik mit, den viel beschworenen ›Sense of Wonder‹ der frühen
PERRY RHODAN-Serie – und sie sind eine Spielwiese für die Autoren. Für
die etablierten, die von den Fesseln der Hauptserie befreit loslegen,
und für Newcomer, die sich bei ATLAN die ersten Sporen verdienen.«
readersplanet
war der einzige Partner, mit dem wir solche E-Book-Modelle umsetzen
konnten. Die Leser konnten die Romane abonnieren, sie konnten sie
nacheinander oder auch alle auf einmal erhalten, und sie erhielten
attraktive Preisangebote: Wer alle drei ATLAN-Miniserien auf einmal
bestellte, hatte echte Vorteile.
Das funktionierte tatsächlich.
Wie es sich herausstellte, gab es viele Fans für die neuen ATLAN-Romane.
Es schadete zudem nicht dem Verkauf der Romanhefte am Kiosk – die
vielzitierte und befürchtete »Kannibalisierung« fand also nicht statt.
Für
uns war damit klar, dass wir mit den E-Books weitere Experimente
unternehmen würden. Vielleicht konnten wir sogar irgendwann aktuelle
PERRY RHODAN-Romane als digitale Lektüre anbieten ... doch davon
sprachen wir nur in der Möglichkeitsform ...
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