07 Mai 2015

Sinzig im Oktober 1997 – Teil 3

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

An diesem Samstag, 4. Oktober 1997, ging der Science-Fiction-Con mit viel Kommunikation weiter; der Tag raste in unglaublichem Tempo an mir vorüber. Einen kleinen Imbiss nahm ich am frühen Abend mit den Autoren Rainer Castor, Peter Terrid und Konrad Schaef ein. Alle drei hatten Ideen für weitere PERRY RHODAN-Taschenbücher und wollten Informationen von mir dazu, wie es damit nun weitergehen würde.

Wir wussten alle nicht genau, wie die weitere Entwicklung sein würde. Die Zusammenarbeit mit dem Burgschmiet-Verlag, bei dem die Taschenbücher in Lizenz veröffentlicht wurden, verlief alles andere als positiv. Ständig hatten wir Kommunikationsprobleme, ständig kam es zu internen Streitereien zwischen uns und unserem Partner. Das versuchte ich den Autoren so zu erzählen, dass sie wussten, wie schwierig es war – zu sehr ins Detail konnte ich natürlich dabei nicht gehen.

Kaum war ich zurück im Congebäude, musste ich auch schon auf die Bühne. Der große Saal war randvoll, es gab keine freien Sitzplätze mehr. An der Theke standen die Fans, ebenso an den Verkaufstischen und entlang der Wände. Werner Fleischer fungierte als Diskussionsleiter, mit mir zusammen saß Peter Terrid als PERRY RHODAN-Autor auf dem Podium.

Es begann eine Art Schauspiel, das jahrelang in Sinzig aufgeführt wurde: Werner versuchte, den Autor und den Redakteur dazu zu bringen, irgendwelche Details zur künftigen Handlung auszuplaudern.

Peter Terrid und ich waren nicht faul, wir hatten uns ein wenig vorbereitet. So konnten wir – ohne zu viel zu verraten – einen kleinen Ausblick auf die weitere Handlung geben, bevor wir dann nur noch versuchten, Werners kritische Fragen möglichst witzig zu beantworten. Tatsächlich wurde uns beiden das mangelnde Technikverständnis mancher Autoren vorgehalten, worauf wir nicht viel sagen konnten. Peter gab zu, dass er mit Technik nicht so viel anfangen konnte, und ich klagte öffentlich darüber, technisch völlig unbegabt zu sein.

Während der Diskussion redeten wir uns buchstäblich warm. Vor allem Peter lief zur Hochform auf: Wir stritten uns – zum Gaudium der Fans – öffentlich über irgendwelche Details, und Peter parierte die kritischsten Fanfragen so, dass immer wieder Gelächter durch den Saal brandete. Immerhin fragte uns diesmal keiner nach dem Dimesexta-Triebwerk, was ansonsten in Sinzig zum festen Ritual gehörte. Nach über einer Stunde verließen Peter und ich das Podium, selbst wir beide hatten nun beste Laune und lachten gemeinsam mit den Fans.

Werner blieb auf der Bühne und leitete recht schnell zur Auktion über. Unter anderem versuchte er Buchpakete und allerlei originelle Dinge zu versteigern, die wir von der PERRY RHODAN-Redaktion ihm zur Verfügung gestellt hatten. Ich fand ihn ein wenig zu chaotisch und trat nach einiger Zeit an den Bühnenrand. Ob ich ihm helfen dürfte, fragte ich vorsichtig.

Danach funktionierte ich die Versteigerung um. Werner Fleischer und ich boten den Fans eine Show, die spontan war, aber immer wieder zu witzigen Dialogen anregte. Wir klopften allerlei Sprüche, es wurde viel gelacht, wir konnten alles versteigern, und am Ende hatten die Veranstalter einige hundert Mark eingenommen. »Damit können wir die Kosten reinholen, die es im Vorfeld des Cons einfach gegeben hat«, freute sich Werner am Ende.

Es war der letzte Programmpunkt, danach leerte sich das »Haus der offenen Tür«. Ich holte mein Gepäck aus dem Büro und machte mich auf die Suche nach Werner. Wieder wusste niemand, wo er genau steckte. Elmar Wietor, der Co-Veranstalter, wusste es ebensowenig wie die Zivildienstleistenden an der Theke. Als er endlich auftauchte, war ich ein wenig nervös.

»Ich will nicht nerven«, begann ich vorsichtig, »aber ich sollte schon irgendwann erfahren, wo ich heute Nacht schlafen kann.«

Werner winkte mit einer lockeren Handbewegung ab. »Mach dir mal keine Sorgen. Das ist alles geregelt.« Aber jetzt sei doch sowieso der Besuch der »Space Disco« angesagt. Das Nachtprogramm des Cons hatte ich nicht auf dem Schirm gehabt, aber ich folgte dem Veranstalter achselzuckend ins Freie. Dann standen wir vor der Treppe des Jugendzentrums, und ich wusste immer noch nicht, was auf mich zukommen würde.

In einer großen Gruppe zogen wir quer durch die Stadt, bis wir zum sogenannten Helenensaal kamen. Die Strecke betrug nach meiner Schätzung keinen Kilometer. Die meisten trugen nur kleines Gepäck mit sich; sie hatten ihre privaten Dinge entweder in einem Hotelzimmer, in ihrem Auto oder in der Turnhalle, in der viele Fans übernachteten. Der einzige, der seinen Rollkoffer durch die Straßen von Sinzig zog, war ausgerechnet ich. Und Werner, den ich vielleicht hätte fragen können, war wieder einmal spurlos verschwunden.

Als wir im Helenensaal eintrafen, herrschte dort schon richtig gute Stimmung. Einige hundert Jugendliche tanzten zu aktueller und antiquierter Musik, dazwischen tummelten sich die Conbesucher. Ich machte gute Miene zum irritierenden Spiel und bestellte Bier, stand an der Theke und plauderte mit anderen Conbesuchern. Die Musik gefiel mir zumeist nicht, sie war auch ein wenig zu laut, um sich gemütlich zu unterhalten.

Die Conbesucher amüsierten sich auf jeden Fall. Der Fan Andy Schmidt nervte den DJ und forderte immer wieder, er solle »One Million Lightyears From Home« spielen, den PERRY RHODAN-Song der holländischen Gruppe SENSUS. Der arme Mann wusste nicht, von was Andy sprach, und schickte den Fan weg. Es war ein riesiger Spaß für uns alle.

Ich gab es irgendwann auf, Werner zu suchen, um erneut nach meiner Unterkunft zu fragen. Es wurde später, ich trank das eine oder andere Bier, und als es langsam auf Mitternacht zuging, war ich der festen Ansicht, ich würde eben bei Werner irgendwo auf dem Fußboden übernachten.

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