Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
An diesem Samstag, 4. Oktober 1997, ging der Science-Fiction-Con mit
viel Kommunikation weiter; der Tag raste in unglaublichem Tempo an mir
vorüber. Einen kleinen Imbiss nahm ich am frühen Abend mit den Autoren
Rainer Castor, Peter Terrid und Konrad Schaef ein. Alle drei hatten
Ideen für weitere PERRY RHODAN-Taschenbücher und wollten Informationen
von mir dazu, wie es damit nun weitergehen würde.
Wir wussten
alle nicht genau, wie die weitere Entwicklung sein würde. Die
Zusammenarbeit mit dem Burgschmiet-Verlag, bei dem die Taschenbücher in
Lizenz veröffentlicht wurden, verlief alles andere als positiv. Ständig
hatten wir Kommunikationsprobleme, ständig kam es zu internen
Streitereien zwischen uns und unserem Partner. Das versuchte ich den
Autoren so zu erzählen, dass sie wussten, wie schwierig es war – zu sehr
ins Detail konnte ich natürlich dabei nicht gehen.
Kaum war ich
zurück im Congebäude, musste ich auch schon auf die Bühne. Der große
Saal war randvoll, es gab keine freien Sitzplätze mehr. An der Theke
standen die Fans, ebenso an den Verkaufstischen und entlang der Wände.
Werner Fleischer fungierte als Diskussionsleiter, mit mir zusammen saß
Peter Terrid als PERRY RHODAN-Autor auf dem Podium.
Es begann
eine Art Schauspiel, das jahrelang in Sinzig aufgeführt wurde: Werner
versuchte, den Autor und den Redakteur dazu zu bringen, irgendwelche
Details zur künftigen Handlung auszuplaudern.
Peter Terrid und
ich waren nicht faul, wir hatten uns ein wenig vorbereitet. So konnten
wir – ohne zu viel zu verraten – einen kleinen Ausblick auf die weitere
Handlung geben, bevor wir dann nur noch versuchten, Werners kritische
Fragen möglichst witzig zu beantworten. Tatsächlich wurde uns beiden das
mangelnde Technikverständnis mancher Autoren vorgehalten, worauf wir
nicht viel sagen konnten. Peter gab zu, dass er mit Technik nicht so
viel anfangen konnte, und ich klagte öffentlich darüber, technisch
völlig unbegabt zu sein.
Während der Diskussion redeten wir uns
buchstäblich warm. Vor allem Peter lief zur Hochform auf: Wir stritten
uns – zum Gaudium der Fans – öffentlich über irgendwelche Details, und
Peter parierte die kritischsten Fanfragen so, dass immer wieder
Gelächter durch den Saal brandete. Immerhin fragte uns diesmal keiner
nach dem Dimesexta-Triebwerk, was ansonsten in Sinzig zum festen Ritual
gehörte. Nach über einer Stunde verließen Peter und ich das Podium,
selbst wir beide hatten nun beste Laune und lachten gemeinsam mit den
Fans.
Werner blieb auf der Bühne und leitete recht schnell zur
Auktion über. Unter anderem versuchte er Buchpakete und allerlei
originelle Dinge zu versteigern, die wir von der PERRY RHODAN-Redaktion
ihm zur Verfügung gestellt hatten. Ich fand ihn ein wenig zu chaotisch
und trat nach einiger Zeit an den Bühnenrand. Ob ich ihm helfen dürfte,
fragte ich vorsichtig.
Danach funktionierte ich die Versteigerung
um. Werner Fleischer und ich boten den Fans eine Show, die spontan war,
aber immer wieder zu witzigen Dialogen anregte. Wir klopften allerlei
Sprüche, es wurde viel gelacht, wir konnten alles versteigern, und am
Ende hatten die Veranstalter einige hundert Mark eingenommen. »Damit
können wir die Kosten reinholen, die es im Vorfeld des Cons einfach
gegeben hat«, freute sich Werner am Ende.
Es war der letzte
Programmpunkt, danach leerte sich das »Haus der offenen Tür«. Ich holte
mein Gepäck aus dem Büro und machte mich auf die Suche nach Werner.
Wieder wusste niemand, wo er genau steckte. Elmar Wietor, der
Co-Veranstalter, wusste es ebensowenig wie die Zivildienstleistenden an
der Theke. Als er endlich auftauchte, war ich ein wenig nervös.
»Ich will nicht nerven«, begann ich vorsichtig, »aber ich sollte schon irgendwann erfahren, wo ich heute Nacht schlafen kann.«
Werner
winkte mit einer lockeren Handbewegung ab. »Mach dir mal keine Sorgen.
Das ist alles geregelt.« Aber jetzt sei doch sowieso der Besuch der
»Space Disco« angesagt. Das Nachtprogramm des Cons hatte ich nicht auf
dem Schirm gehabt, aber ich folgte dem Veranstalter achselzuckend ins
Freie. Dann standen wir vor der Treppe des Jugendzentrums, und ich
wusste immer noch nicht, was auf mich zukommen würde.
In einer
großen Gruppe zogen wir quer durch die Stadt, bis wir zum sogenannten
Helenensaal kamen. Die Strecke betrug nach meiner Schätzung keinen
Kilometer. Die meisten trugen nur kleines Gepäck mit sich; sie hatten
ihre privaten Dinge entweder in einem Hotelzimmer, in ihrem Auto oder in
der Turnhalle, in der viele Fans übernachteten. Der einzige, der seinen
Rollkoffer durch die Straßen von Sinzig zog, war ausgerechnet ich. Und
Werner, den ich vielleicht hätte fragen können, war wieder einmal
spurlos verschwunden.
Als wir im Helenensaal eintrafen, herrschte
dort schon richtig gute Stimmung. Einige hundert Jugendliche tanzten zu
aktueller und antiquierter Musik, dazwischen tummelten sich die
Conbesucher. Ich machte gute Miene zum irritierenden Spiel und bestellte
Bier, stand an der Theke und plauderte mit anderen Conbesuchern. Die
Musik gefiel mir zumeist nicht, sie war auch ein wenig zu laut, um sich
gemütlich zu unterhalten.
Die Conbesucher amüsierten sich auf
jeden Fall. Der Fan Andy Schmidt nervte den DJ und forderte immer
wieder, er solle »One Million Lightyears From Home« spielen, den PERRY
RHODAN-Song der holländischen Gruppe SENSUS. Der arme Mann wusste nicht,
von was Andy sprach, und schickte den Fan weg. Es war ein riesiger Spaß
für uns alle.
Ich gab es irgendwann auf, Werner zu suchen, um
erneut nach meiner Unterkunft zu fragen. Es wurde später, ich trank das
eine oder andere Bier, und als es langsam auf Mitternacht zuging, war
ich der festen Ansicht, ich würde eben bei Werner irgendwo auf dem
Fußboden übernachten.
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