Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Bei strahlendem Sonnenschein fuhr ich am Samstag, 4. Oktober 1997,
ins Rheinland. Ich nahm die Bahn, das war bequem und ermöglichte mir,
während der Fahrt die Landschaft des Rheintales zu betrachten: hübsche
kleine Städte, Weinberge, alte Burgen und Schlösser. Zudem konnte ich
mich so ein wenig auf die Veranstaltung vorbereiten, die ich in den
bevorstehenden Tagen besuchen wollte.
In Sinzig am Rhein liefen
zum fünften Mal die PERRY RHODAN-Tage Rheinland-Pfalz ab. Zum vierten
Mal war ich nunmehr selbst dabei. Ich reiste mit kleinem Gepäck, weil
ich noch nicht einmal wusste, wo ich in dieser Nacht schlafen würde.
Werner Fleischer, der Veranstalter, hatte in seiner üblichen leicht
chaotischen Art gesagt, dass er mir ein Hotel reservieren würde,
allerdings völlig vergessen, mir weitere Informationen dazu mitzuteilen.
Aber ich war sicher, dass alles gut gehen würde.
Der Zug war
pünktlich, und ich verließ in Sinzig den Bahnhof. Die Sonne strahlte
über der kleinen Stadt, alles wirkte perfekt. Ich spazierte in aller
Ruhe die paar hundert Meter – mehr als ein Kilometer war es nicht –
entlang eines Parks. Rechts von mir floss irgendwo der Rhein, links von
mir erhob sich ein Hügel, auf dem sich die Altstadt von Sinzig
erstreckte. Gegen zehn Uhr kam ich beim Haus der Offenen Tür an, kurz
HOT genannt.
Vor der Tür parkten Autos, an deren Aufkleber man
teilweise erkennen konnte, dass Science-Fiction-Fans mit ihnen angereist
waren. Fans standen auf der Treppe und im Freien, sie unterhielten sich
und genossen die Morgensonne. Manche hielten Romanhefte, Fanzines oder
Taschenbücher in der Hand, die sie frisch gekauft hatten und über die
sie diskutierten.
Ich trat näher und begrüßte die vielen
Bekannten. Hände wurden geschüttelt, freundliche Erinnerungen
ausgetauscht. Die Stimmung war locker und entspannt, wie sie es
eigentlich immer in Sinzig war. Die ersten Fragen zum Fortgang der PERRY
RHODAN-Handlung wurden gestellt, jemand drückte mir sein neues Fanzine
in die Hand. Ein zweiter Fanzinemacher überreichte mir ein Druckwerk.
Bereits nach fünf Minuten stand ich mit Koffer, kleiner Tasche und
Fanzines vor dem Eingang, die Jacke locker über dem Arm.
»Wo ist
eigentlich Werner?«, fragte ich. Mir war klar, dass es so nicht
weitergehen konnte; innerhalb der nächsten halben Stunde würde ich unter
Papier buchstäblich zusammenbrechen.
»Keine Ahnung«, bekam ich
zur Antwort. »Er ist überall und nirgends, wie immer. Du kennst ihn
doch.« Alle lachten; jeder mochte Werner und seine liebenswerte Art, die
sehr oft in Chaos umschlug.
Noch während wir lachten, sah ich
ihn. Er eilte die Treppe im Inneren des Jugendzentrums herunter und kam
auf mich zu. Sein Gesicht war gerötet, vor Anspannung und Freude
gleichermaßen, und er strahlte mir entgegen. »Schön, dass du da bist!«,
rief er mir entgegen. »Du hast ja noch ein wenig Zeit, bis dein Programm
los geht. Ich muss dann gleich weiter.«
Er wollte sich zum
Gehen wenden, doch ich stoppte ihn. »Werner – wo kann ich mein Gepäck
hintun? Und weißt du schon, wo ich heute Nacht schlafen werde?«
In
einem Wortstrudel, dem ich folgen konnte, machte mir Werner klar, dass
er alles gut lösen werde. Dann winkte er einen der Zivildienstleistenden
des Jugendzentrums zu uns heran, erklärte ihm, was zu tun sei, und
überließ mich der Obhut des jungen Mannes. Während dieser mich grinsend
musterte, verschwand Werner wieder in einem der zahlreichen Räume des
Jugendzentrums.
Mithilfe des Zivildienstleistenden brachte ich
mein Gepäck in das offizielle Büro des Jugendzentrums, das rechts von
der Eingangstür lag. Dort funktionierte ich kurzerhand einen kleinen
Besprechungstisch mit Stühlen zu meinem Arbeitsplatz um; an diesem
wollte ich mich in den nächsten Tagen mit Leuten besprechen, die unter
vier Augen mit mir reden wollten. Mir wurde jetzt schon klar, dass es
ein stressiges Wochenende werden würde.
Als nächstes steuerte ich
den großen Saal an. An der Theke wurden die Getränke ausgeschenkt,
zudem hatten die Clubs und Fanzines in diesem Raum ihre Verkaufsstände –
spätestens dann, wenn das Hauptprogramm auf der Bühne lief, wurde es
mit der Kommunikation anstrengend. Ich durchquerte den Raum, grüßte im
Vorbeigehen weitere Fans und freute mich darauf, Elmar Wietor und seine
Frau Heidi zu treffen. Sie sorgten in der Küche bereits jetzt dafür,
dass es später Essen geben würde.
Der schnauzbärtige Rheinländer
war stets guter Laune und schlug mir begeistert auf die Schulter. Auch
wenn er selbst gar kein Science-Fiction-Fan war, hätte es die Cons in
Sinzig ohne ihn nicht gegeben. Sein Organisationstalent hielt die
Veranstaltung zusammen, während Werner das Programm erarbeitete.
»Freust du dich, dass du wieder da bist?«, fragte er grinsend.
Ich
bestätigte. Nach Sinzig zu kommen, das sei mittlerweile fast, als käme
man nach Hause. Jemand hatte damals den Spruch geprägt: »Sinzig – da wo
das Fandom zuhause ist.« So fühlte ich mich, und das gab ich an Elmar
weiter.
Er freute sich über das Lob, dann aber hatte er eine
Frage: »Hast du den Werner gesehen? Er wollte mir doch vorhin noch was
vorbeibringen.«
Lachend ging ich weiter. Es hatte sich nicht viel
geändert: Wie immer suchte Elmar nach Werner, der irgendwann sicher bei
ihm eintreffen würde.
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