30 April 2015

Sinzig im Oktober 1997 – Teil 1

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Bei strahlendem Sonnenschein fuhr ich am Samstag, 4. Oktober 1997, ins Rheinland. Ich nahm die Bahn, das war bequem und ermöglichte mir, während der Fahrt die Landschaft des Rheintales zu betrachten: hübsche kleine Städte, Weinberge, alte Burgen und Schlösser. Zudem konnte ich mich so ein wenig auf die Veranstaltung vorbereiten, die ich in den bevorstehenden Tagen besuchen wollte.

In Sinzig am Rhein liefen zum fünften Mal die PERRY RHODAN-Tage Rheinland-Pfalz ab. Zum vierten Mal war ich nunmehr selbst dabei. Ich reiste mit kleinem Gepäck, weil ich noch nicht einmal wusste, wo ich in dieser Nacht schlafen würde. Werner Fleischer, der Veranstalter, hatte in seiner üblichen leicht chaotischen Art gesagt, dass er mir ein Hotel reservieren würde, allerdings völlig vergessen, mir weitere Informationen dazu mitzuteilen. Aber ich war sicher, dass alles gut gehen würde.

Der Zug war pünktlich, und ich verließ in Sinzig den Bahnhof. Die Sonne strahlte über der kleinen Stadt, alles wirkte perfekt. Ich spazierte in aller Ruhe die paar hundert Meter – mehr als ein Kilometer war es nicht – entlang eines Parks. Rechts von mir floss irgendwo der Rhein, links von mir erhob sich ein Hügel, auf dem sich die Altstadt von Sinzig erstreckte. Gegen zehn Uhr kam ich beim Haus der Offenen Tür an, kurz HOT genannt.

Vor der Tür parkten Autos, an deren Aufkleber man teilweise erkennen konnte, dass Science-Fiction-Fans mit ihnen angereist waren. Fans standen auf der Treppe und im Freien, sie unterhielten sich und genossen die Morgensonne. Manche hielten Romanhefte, Fanzines oder Taschenbücher in der Hand, die sie frisch gekauft hatten und über die sie diskutierten.

Ich trat näher und begrüßte die vielen Bekannten. Hände wurden geschüttelt, freundliche Erinnerungen ausgetauscht. Die Stimmung war locker und entspannt, wie sie es eigentlich immer in Sinzig war. Die ersten Fragen zum Fortgang der PERRY RHODAN-Handlung wurden gestellt, jemand drückte mir sein neues Fanzine in die Hand. Ein zweiter Fanzinemacher überreichte mir ein Druckwerk. Bereits nach fünf Minuten stand ich mit Koffer, kleiner Tasche und Fanzines vor dem Eingang, die Jacke locker über dem Arm.

»Wo ist eigentlich Werner?«, fragte ich. Mir war klar, dass es so nicht weitergehen konnte; innerhalb der nächsten halben Stunde würde ich unter Papier buchstäblich zusammenbrechen.

»Keine Ahnung«, bekam ich zur Antwort. »Er ist überall und nirgends, wie immer. Du kennst ihn doch.« Alle lachten; jeder mochte Werner und seine liebenswerte Art, die sehr oft in Chaos umschlug.

Noch während wir lachten, sah ich ihn. Er eilte die Treppe im Inneren des Jugendzentrums herunter und kam auf mich zu. Sein Gesicht war gerötet, vor Anspannung und Freude gleichermaßen, und er strahlte mir entgegen. »Schön, dass du da bist!«, rief er mir entgegen. »Du hast ja noch ein wenig Zeit, bis dein Programm los geht. Ich muss dann gleich weiter.«

Er wollte sich zum Gehen wenden, doch ich stoppte ihn. »Werner – wo kann ich mein Gepäck hintun? Und weißt du schon, wo ich heute Nacht schlafen werde?«

In einem Wortstrudel, dem ich folgen konnte, machte mir Werner klar, dass er alles gut lösen werde. Dann winkte er einen der Zivildienstleistenden des Jugendzentrums zu uns heran, erklärte ihm, was zu tun sei, und überließ mich der Obhut des jungen Mannes. Während dieser mich grinsend musterte, verschwand Werner wieder in einem der zahlreichen Räume des Jugendzentrums.

Mithilfe des Zivildienstleistenden brachte ich mein Gepäck in das offizielle Büro des Jugendzentrums, das rechts von der Eingangstür lag. Dort funktionierte ich kurzerhand einen kleinen Besprechungstisch mit Stühlen zu meinem Arbeitsplatz um; an diesem wollte ich mich in den nächsten Tagen mit Leuten besprechen, die unter vier Augen mit mir reden wollten. Mir wurde jetzt schon klar, dass es ein stressiges Wochenende werden würde.

Als nächstes steuerte ich den großen Saal an. An der Theke wurden die Getränke ausgeschenkt, zudem hatten die Clubs und Fanzines in diesem Raum ihre Verkaufsstände – spätestens dann, wenn das Hauptprogramm auf der Bühne lief, wurde es mit der Kommunikation anstrengend. Ich durchquerte den Raum, grüßte im Vorbeigehen weitere Fans und freute mich darauf, Elmar Wietor und seine Frau Heidi zu treffen. Sie sorgten in der Küche bereits jetzt dafür, dass es später Essen geben würde.

Der schnauzbärtige Rheinländer war stets guter Laune und schlug mir begeistert auf die Schulter. Auch wenn er selbst gar kein Science-Fiction-Fan war, hätte es die Cons in Sinzig ohne ihn nicht gegeben. Sein Organisationstalent hielt die Veranstaltung zusammen, während Werner das Programm erarbeitete.

»Freust du dich, dass du wieder da bist?«, fragte er grinsend.

Ich bestätigte. Nach Sinzig zu kommen, das sei mittlerweile fast, als käme man nach Hause. Jemand hatte damals den Spruch geprägt: »Sinzig – da wo das Fandom zuhause ist.« So fühlte ich mich, und das gab ich an Elmar weiter.

Er freute sich über das Lob, dann aber hatte er eine Frage: »Hast du den Werner gesehen? Er wollte mir doch vorhin noch was vorbeibringen.«

Lachend ging ich weiter. Es hatte sich nicht viel geändert: Wie immer suchte Elmar nach Werner, der irgendwann sicher bei ihm eintreffen würde.

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