Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Der Freitag, 13. Oktober 2006, war kein Tag, an dem auffällige Dinge
geschahen. Aber ich hatte eine meiner regelmäßigen Besprechungen mit der
Verlagsleitung. Dabei kamen viele Themen auf den Tisch, die erst später
verwirklich werden konnten.
Unter anderem ging es um ein
Projekt, das mir sehr am Herzen lag. Ich nervte seit Jahren viele
Stellen in der »oberen Etage« mit meinem »PERRY RHODAN Newborn«. Im
Rahmen der Besprechung im Oktober 2006 wollte ich mal wieder eine
Entscheidung – oder ich wollte zumindest klare Hinweise darauf erhalten,
in welcher Weise ich weitermachen konnte.
Mein Plan umfasste
eine Neuerzählung der PERRY RHODAN-Serie. Ich wollte die klassische
Geschichte nehmen und sie »mit den Mitteln und den Autoren von heute«
quasi neu erfinden. Damit wollte ich neue Leser ansprechen und der
Stammleserschaft einen frischen Blick auf die Klassiker geben. Wenn ich
davon erzählte – wie beispielsweise bei dieser Besprechung–, bemühte ich
stets die Vergleiche mit den amerikanischen Comic-Serien.
»Batman«
oder »Spider-Man«, so argumentierte ich gern, seien immer wieder neu
erfunden worden. Man habe alle paar Jahre die klassischen Geschichten
genommen und sie in ein frisches Gewand gekleidet. Das müsste man mit
PERRY RHODAN auch tun. An diesem Freitag hatte ich wichtige Argumente in
ausgedruckter Form auf meiner Seite.
»Frank Borsch
hat geliefert«, berichtete ich stolz. »Er hat einen möglichen Anfang
geschrieben, und der ist richtig klasse. Er stellt die Mondlandung des
amerikanischen Raumfahrers Perry Rhodan nicht ins Jahr 1961, sondern ins
Jahr 2036 – und von dort aus erzählen wir alles neu.« Ich war sehr
zufrieden mit Franks erstem Manuskript-Vorschlag. Sowohl Frank als Autor
wie auch ich als Redakteur wussten allerdings, dass es ein erster
Entwurf war und noch lange nichts komplettes.
Mit der
Verlagsleiterin diskutierte ich zum wiederholten Mal durch, welche
Möglichkeiten es gab, eine solche »Newborn«-Serie zu machen: Man könnte
die klassischen Romane eins zu eins bringen, um sie dann mit einem
Nachwort zu ergänzen – eine klassische »sechste Auflage«. Man könnte
aber auch die Originalromane nehmen und sehr straff bearbeiten lassen;
hierzu lag uns bereits ein Manuskript vor.
Ein freier Redakteur
hatte die erste Hälfte von »Unternehmen Stardust« genommen und einmal
gründlich durchgearbeitet. Das Original von Karl-Herbert Scheer klang nach der Bearbeitung meiner Ansicht nach nicht mehr so gut.
»Wenn
schon, dann müssen wir alles komplett neu machen«, argumentierte ich.
»Ein echter Neustart ist nötig.« Für diesen lag das
Frank-Borsch-Manuskript jetzt vor. Ich selbst hatte es gründlich gelesen
und mit dem Autor ein erstes Mal durchgesprochen. Meiner Ansicht nach
war es für einen Test mehr als ausreichend: Der Autor hatte gezeigt, wie
man die klassische Geschichte in moderner Weise neu erzählen konnte.
»Die
klassischen Elemente sind alle enthalten«, fasste ich für die
Verlagsleiterin zusammen. »Die bekannten vier Astronauten landen auf dem
Mond und treffen dort auf die Arkoniden.« Sogar viele Nebencharaktere,
die im ersten der klassischen Romane nur mit Namen auftauchen, hatte
Frank Borsch in seinem Manuskript mit Leben erfüllt. Er hatte es
modernisiert, er verneigte sich gewissermaßen aber auch vor den Autoren,
die 1961 die PERRY RHODAN-Ideen erarbeitet hatten.
Wir
vereinbarten, dass ich ein Dossier für die Geschäftsleitung
zusammenstellen sollte: Es sollte aus dem »Original-Scheer«, der
bearbeiteten Version und dem Borsch-Text bestehen. Das alles sollte
ebenso der Vertrieb als Lektüre erhalten – wir wollten den Vertrieb
bewusst einbinden. »Wenn die im Vertrieb das Thema gut finden,
platzieren sie die neuen Romane auch gut im Handel« – davon war die
Verlagsleiterin überzeugt.
So wollten wir das Thema weiter
vorantreiben. Es gab keinen Handlungsdruck, aber ich wollte
weiterkommen. Es war an der Zeit, die klassische Geschichte erneut zu
erzählen.
Die weiteren Themen des Tages hatten ebenfalls einige
Brisanz. Uns machte beispielsweise die dritte Auflage immer mehr Sorgen.
Die Verkaufszahlen sanken unaufhörlich. »Wir müssen bis Band 1800
durchhalten«, argumentierte ich. »Damals sind bei diesem Band in der
Erstauflage ebenfalls die Verkaufszahlen stark gestiegen.«
Die
Verlagsleiterin blieb skeptisch. Wir sollten uns stärker auf die
Erstauflage konzentrieren. Der Band 2350 war kurz davor erschienen,
bislang gab es noch keine aussagekräftigen Verkaufszahlen. »Es ist eh
ein kleines Jubiläum«, argumentierte ich, »da wird am Kiosk nicht viel
passieren.« Uns beiden war klar, dass die nächste Vertriebsaktion für
unsere Serie erst mit dem Band 2400 vernünftig zu planen sein würde.
»Wir
müssen schauen, dass wir an anderen Punkten den Verkauf verstärken«, so
die Verlagsleiterin. Sie habe jetzt regelmäßige Besprechungen mit der
Abonnement-Verwaltungen eingeführt. Dabei wollte sie herausfinden, ob es
möglich sei, durch geschickt gewählte Prämien die Zahl der Abonnements
zu erhöhen. »Denken Sie mal mit Ihrer Redaktion darüber nach, welche
neuen Prämien möglich wären«, schlug sie vor. »Nicht die üblichen
Taschen mit PERRY RHODAN-Aufdruck, sondern mehr.«
Weitere Themen,
über die wir an diesem Tag sprachen, waren unser Archiv auf dem
Speicher des Verlages, sowie ein allgemeiner Vertrag mit unserer
Marketing-Agentur. Als wir auseinander gingen, hatten wir aber beide das
Gefühl, mit dem PERRY RHODAN-Neustart einen wichtigen Schritt weiter
gekommen zu sein ...
1 Kommentar:
1971 flog Perry Rhodan zum Mond, nicht 1961!
Ansonsten gabs bei der Besprechung offensichtlich nur die Wahl zwischen Pest und Cholera, wenn man sich das so durchliest.
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