Der Samstag, 6. September 1986, begann mit einer echten Show,
zumindest für die Tausende von PERRY RHODAN-Fans, die zu diesem Ereignis
nach Saarbrücken gefahren waren. Linda Ivanus, die Chefin der Abteilung
Public Relations der Verlagsgruppe Pabel-Moewig, betrat die Bühne und
begrüßte die Con-Besucher. Als Co-Moderator hatte sie Clark Darlton mitgebracht – der PERRY RHODAN-Autor war immer ein Garant für hervorragende Stimmung.
Die
beiden leiteten in das eigentliche Programm ein. Sie holten die Autoren
und Con-Teilnehmer auf die Bühne, immer wieder dröhnte lauter Beifall
durch die Halle. Trockeneisnebel wallten ständig über die Bühne, deren
Aufbauten ihr tatsächlich das Aussehen eines fremden Planeten verliehen.
Begrüßt wurden Fan-Delegationen aus Japan und Italien, als
Großbritannien und Frankreich, den Niederlanden und Belgien.
Direkt danach kam ein Vortrag, auf den die meisten Besucher wohl schon lange gewartet hatten. Kurt Mahr und Ernst Vlcek,
die beiden Exposéautoren der PERRY RHODAN-Serie, stellten die nahe und
ferne Zukunft der Serie vor. Im Saal herrschte gespannte Stille, während
die beiden Autoren ihre kosmische Vision verkündeten.
Sie
erzählten vom Moralischen Kode, der das Universum durchzieht, von der
kosmischen Evolution, von Superintelligenzen und Materiequellen, von
Kosmischen Nukleotiden und gigantischen Zusammenhängen über Raum und
Zeit hinweg. Da beide Autoren ein spezielles Deutsch sprachen – Kurt
Mahr hatte einen amerikanischen Einschlag entwickelt, bei Ernst Vlcek
klang immer Österreichisch mit –, entwickelte der Vortrag einen gewissen
Sog, der die Zuschauer eineinhalb Stunden lang fesselte.
Obwohl
der Vortrag gut eineinhalb Stunden dauerte, verließ niemand den Saal.
Von meinem Platz hinter der Bühne aus hörte ich ebenfalls gespannt zu.
Auch wenn ich zu dieser Zeit im Verlag arbeitete, hatte ich keine
Kenntnis von den Konzepten der Autoren. Mein Job war der eines
Public-Relations-Assistenten – so stand es im Arbeitsvertrag –, der mit
der eigentlichen Arbeit des Lektorats und der Redaktion nichts zu tun
hatte.
Danach wurde die Autogrammstunde vorbereitet, und ich
nutzte die Chance, mich ein wenig umzusehen. Die Autoren setzten sich in
einer Reihe hin, die Fans stellten sich in einer endlos erscheinenden
Schlange an. Mein Auftrag lautete, mich danach um das Ehepaar Scheer zu
kümmern. Das würde also danach kommen – während der Autogrammstunde
hatte ich nichts zu tun.
Im Eingangsbereich hatte der Ansturm
längst nachgelassen. Ich schaute mir an, was es eigentlich als »Space
Package« gab. Schließlich hatte ich in den Werbetexten, die ich
geschrieben hatte, immer wieder auf das tolle Paket hingewiesen, das es
geben würde. Tatsächlich enthielt es außer einem Infoblatt zum Programm
vor allem Werbung. Das enttäuschte sogar mich. An diesem Tag nahm ich
mir vor: Falls ich jemals in die Lage geraten würde, selbst einen großen
Con zu organisieren, würde es auf jeden Fall ein schönes Buch oder
zumindest eine Zeitschrift geben.
Beim Verkaufsstand des
»Ex-Press-Versands« traf ich auf Armin Reichrath. Mit ihm und einigen
anderen Bekannten gab ich in diesen Jahren die Zeitschrift »Sagittarius«
heraus. Unser Heft war das einzige Science-Fiction-Heft, das man auf
diesem Con kaufen konnte – angesichts der Tatsache, dass es sowieso nur
einen einzigen Verkaufsstand gab, hatten wir so einen riesigen Vorteil
gegenüber anderen Kleinverlagen und Magazinmachern.
Armin war
trotzdem sauer. »Die haben das aktuelle Heft aus dem Verkauf genommen«,
berichtete er, »wegen Verunglimpfung religiöser Gefühle.« Zuerst lachte
ich, dann verstand ich. Die aktuelle Ausgabe elf unseres Heftes hatte
als Thema »Religion« auf dem Titel stehen. Entsprechend kritisch gingen
die Kurzgeschichten und Artikel unter anderem mit der christlichen
Religion um. Der streng gläubige Geschäftsführer des Versands hatte in
dieser Hinsicht keinerlei Spaß verstanden und diese Ausgabe vom Stand
verbannt.
Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Es
nutzte aber nichts, sich zu sehr darüber zu ärgern. Aber da sich in
diesen Augenblicken ohnehin mein Beruf mit meinen privaten Interessen
vermischte, konnte ich gleich »Nägel mit Köpfen« machen. Ich beschloss,
die parallel verlaufende Science-Fiction-Börse zu besuchen.
Eigentlich
war ich sowieso schuld daran. Als ich erfahren hatte, dass es während
des WeltCons keine Verkaufsbörse geben würde – unter anderem aus
Platzgründen –, hatte ich Walter Arweiler angesprochen. Der
Science-Fiction-Fan wohnte in Saarbrücken, er war oft auf Flohmärkten
unterwegs, wir arbeiteten an »Sagittarius« zusammen, und ich wusste,
dass er geschäftstüchtig war. Ich informierte ihn über die mangelnde
Verkaufsfläche in der Halle, und er meinte, da könne er »etwas machen«.
Auf
dem Weg von der Saarlandhalle zur Verkaufsbörse kamen mir PERRY
RHODAN-Fans entgegen, die Plastiktüten mit Heftromanen trugen. Sie
hatten sich bereits mit Lesestoff versorgt. Vor der Halle hatte Walter
schon am frühen Morgen seine Flugblätter verteilt und die Fans zu
Dutzenden zu »seiner« Verkaufsbörse gelockt.
Einige hundert Meter
war ich schon am Ziel. In einem öffentlichen Gebäude hatten sich mehrere
Händler versammelt. Bananenkisten, in denen Heftromane und
Taschenbücher auf Käufer warteten, stapelten sich bis fast zur Decke. Es
war ein Paradies für PERRY RHODAN-Leser, die in diesem Raum für
»kleines Geld« ihre Sammlungen vervollständigen konnten.
Mit
breitem Grinsen sah ich zu, wie Berge von Heftromanen und Taschenbüchern
den Besitzer wechselten. Walter Arweiler strahlte vor Begeisterung, und
auch die Fans freuten sich, auf diese Weise ihre Schnäppchen machen zu
können.
Leider konnte ich nicht lange bleiben. Ich wusste, dass Karl-Herbert Scheer auf mich wartete ...
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