Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Es war ein seltsames Gefühl für mich: Ich stand auf der Bühne, Elke
Rohwer neben mir, und wir lasen gemeinsam einen Text vor, den ich erst
einige Tage zuvor geschrieben hatte. Es war der 1. Oktober 2011, ein
Samstag, und der PERRY RHODAN-WeltCon sollte auf einen weiteren
Höhepunkt zusteuern. Wir wollten unsere neue Serie präsentieren, wir
wollten über PERRY RHODAN NEO sprechen – ohne zu wissen, wie die Serie
ankommen würde.
Elke stellte als Redakteurin die grundsätzlichen Gedanken vor,
präsentierte unsere neue Serie »als eine klassische
Science-Fiction-Überlegung«, als »eine Was-wäre-wenn-Frage, eine Frage
nach grundsätzlich anderen Gedankenspielen«. Sie erzählte von unserem
Gedankengang, von den »zwei Wirklichkeiten in Sachen Mondlandung«.
Die eine spreche davon, dass Neil Armstrong auf dem Mond landet und
vom kleinen Schritt für einen Mann und dem großen Schritt für die
Menschheit spricht. Die andere hingegen – so Elke – setze den
amerikanischen Astronauten Perry Rhodan sowie seine Begleiter Reginald
Bull, Clark Flipper und Eric Manoli ins Zentrum.
»Mit PERRY RHODAN NEO gesellt sich zu diesen zwei Wirklichkeiten eine
dritte hinzu«, sagte sie. »Sie ist ebenfalls fiktiv, aber sie jongliert
mit einer grundsätzlich anderen Ausgangsposition.« Die Mondlandung
sollte erneut stattfinden, aber erst im Jahr 2036 …
Elke berichtete von den Überlegungen der Autoren; vor allem Frank Borsch
als Exposéautor hatte sich über politisch-gesellschaftliche Dinge viele
Gedanken gemacht. Welche Entwicklungen mussten berücksichtigt werden?
Mussten wir Klimawandel, Terrorismus und Umweltverschmutzung in der
Handlung der Serie verarbeiten?
Nachdem Elke die aktuelle Planung vorgestellt hatte, ging ich in die
Vergangenheit. Ich verwies auf die frühen Exposés von Karl-Herbert
Scheer und Walter Ernsting alias Clark Darlton. Bekanntlich
beratschlagten die beiden Autoren in stunden- und tagelangen
Diskussionen darüber, wie eine nahe Zukunft aussehen könnte.
»Während sich Karl-Herbert Scheer viele grundsätzliche Gedanken darüber machte, wie eine Mondlandung technisch-wissenschaftlich zu verlaufen hatte, war Clark Darlton
derjenige, der die träumerischen Ideen beisteuerte«, fasste ich
zusammen. Ich verwies auf »den Gedanken an die Unsterblichkeit, der
Traum vom Ewigen Leben, die Flüge in andere Sonnensysteme und die Reisen
in andere Zeiten und Universen«. Wäre PERRY RHODAN am Anfang auf reine
Action konzentriert gewesen, wäre die Serie nie ein solcher Erfolg
geworden – die Ernstingschen Träumereien gehörten stets dazu.
Ähnlich ging es uns bei der Planung von PERRY RHODAN NEO. Seit 2003
hatten wir immer wieder an dem Thema gearbeitet. Mir war recht früh
klargeworden, dass nur ein Autor in Frage käme, diese Serie zu steuern.
Frank Borsch hatte in meinen Augen mit seiner »Alien Earth«-Trilogie
gezeigt – die drei Bände waren bei Heyne erschienen –, wie klarsichtig
und spannend zugleich er eine Welt in der nahen Zukunft beschreiben
konnte.
An dieser Stelle setzte wieder Elke an; sie erwähnte die Figuren, die
in der neuen Serie auftauchen sollten. »Selbstverständlich wäre es
töricht gewesen, auf Perry Rhodan zu verzichten oder aus Reginald Bull
eine Frau zu machen«, sagte sie und verwies auf die Figuren, die wir für
NEO veränderten.
Der Telepath John Marshall beispielsweise wohne nicht in Australien,
sondern kümmert sich in den Vereinigten Staaten um Jugendliche. Das
Finanzgenie Homer G. Adams sollte in der neuen Serie eine ganz andere
Rolle innehaben. Und mit Sid Gonzalez wollen wir gleich im ersten Roman
eine Figur einführen, die es in der ursprünglichen Serie gar nicht gibt.
»Das alles ist kein Selbstzweck«, so die Redakteurin, »sondern
geschieht, weil wir eine neue Serie schaffen wollen – keine Replikation
des klassischen Stoffes.« Wir wollten schließlich nicht »einfach die
ersten zehn oder zwanzig PERRY RHODAN-Hefte nacherzählen«; das wäre
einfach gewesen. Wir hatten uns »bewusst für den komplizierteren Weg
entschieden, aber gleichzeitig für den spannenderen und
lohnenswerteren«.
Ich wusste, welche Sorgen sich in diesem Augenblick mancher Besucher
des WeltCons im Saal machte. Wir hatten diese Sorgen früh genug
diskutiert, und ich konnte mich darauf einstellen. Wie würde denn das
»Perryversum« aussehen, wenn es künftig PERRY RHODAN NEO geben würde?
Welche Fakten sollten künftig gelten? Müsste man sich künftig zwischen
zwei verschiedenen Angaben entscheiden?
»Wird Perry Rhodan, wenn er in Heft 2650 an die Mondlandung denkt,
sich an das Jahr 1971 oder an das Jahr 2036 erinnern?«, fragte ich in
den Saal. »Welche Erinnerungen hat Perry Rhodan an die Venus, welche an
die amerikanischen Astronauten Freyt und Deringhouse, was verbindet ihn
mit John Marshall oder Homer G. Adams?«
Ich hatte das Gefühl, dass mich alle anstarrten. Dann sprach ich die
Worte, die manchem wohl wie eine Erlösung vorkamen: »Es gibt künftig
schlicht zwei Perryversen – anders geht es nicht.« Die laufende PERRY
RHODAN-Serie basiere meiner Ansicht nach weiterhin auf den Fakten, die
mit »Unternehmen Stardust« im Jahr 1961 und den folgenden Romanen
geschaffen worden seien. Und PERRY RHODAN NEO werde etwas komplett
Neues.
Als an dieser Stelle im Saal spontaner Beifall ausbrach, dem sich viele anschlossen, war ich mehr als erleichtert.
1 Kommentar:
Das war der einzige Programmpunkt den bewusst ich ausgelassen habe beim Weltcon. Ich habe es nicht bereut. So ein Unsinn.
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