Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Es war eine Geschäftsreise, mit ich mehrere Dinge auf einmal zu
erledigen hatte – in Hamburg wollte ich in der Zentrale des
Bauer-Konzerns mit verschiedenen Menschen sprechen, unsere neuen Partner
von Edel besser kennenlernen und mit H. G. Francis
einen ganz speziellen Termin absolvieren. Als ich am Donnerstag, 13.
Oktober 2007, in den Zug von Hamburg nach Karlsruhe stieg, war das
Musical-Thema am wichtigsten für mich.
Unterwegs vertiefte ich mich gründlich in die Konzepte, die mir H. G. Francis
bereits geschickt hatte. Ich las mir zum wiederholten Mal seine Texte
durch, führte mir die Grafiken vor Augen und rief mir die Musik in
Erinnerung, die ich im Vorfeld gehört hatte. Als ich am Hauptbahnhof aus
dem ICE kam, fühlte ich mich bestens vorbereitet.
Ich fuhr nicht
zum Hotel, sondern ließ mich von H. G. abholen. Er war in Eile und
drängte mich. »Schnell etwas essen, dann los!« Ich packte meinen kleinen
Koffer in sein Auto.
Wir steuerten ein Hotel an in der
Innenstadt, von dem der Autor wusste, dass die Küche »gut und flott«
war. Wir suchten uns einen Tisch am Fenster, von dem aus man hinaus in
den Nieselregen schauen konnte, und dort informierten wir uns
gegenseitig über den aktuellen Stand der Dinge.
Ich erzählte ihm
von meinen Plänen, eine neue Serie in den Handel zu bringen. »Die soll
PERRY RHODAN-Action heißen«, erläuterte ich. Die Serie solle
actionlastig werden, wie der Titel es versprach, mit kurzen Exposés für
die Autoren und der Möglichkeit, die komplexe Technik der laufenden
Erstauflage zu ignorieren.
Für H. G. Francis
klang das spannend. Er sicherte zu, einen Roman für die neue Serie zu
liefern. »Wenn’s sein muss, auch zwei«, meinte er. Allerdings sei er
gerade dabei, an historischen Romanen zu arbeiten. Er berichtete von
seinen Plänen, über Klaus Störtebeker zu schreiben, und seinen
Recherchen in Hamburg und Lübeck. Historische Romane seien ein großes
neues Thema für ihn.
Wir sprachen über die Serie und die Autoren,
über den aktuellen Stand der Dinge und die große weite Welt der Science
Fiction. Erst danach kamen wir zu dem Punkt, weshalb wir uns eigentlich
trafen: Der Autor arbeitete seit einigen Jahren intensiv daran, ein
PERRY RHODAN-Musical auf die Beine zu stellen.
»Leider bin ich in
jüngster Zeit nicht weitergekommen«, gestand er. Sein Partner, mit dem
er bei diesem Projekt zusammenarbeite, habe sich zurückgezogen. Er wisse
also nicht, wie es mit der Musik weitergehe.
Ich war verwirrt. Bisher waren H. G. Francis
und sein Partner immer gemeinsam in Erscheinung getreten: Er als Autor
verfasste das Konzept und schrieb die Liedtexte, sein Partner steuerte
die Musik bei. Ich hatte einige Sequenzen gehört, die als »musikalische
Leitlinie« dienen sollten; sie sollten das Gerüst des geplangen Musicals
bilden.
H. G. Francis
lieferte mir weitere Hintergründe und stellte mir seine Sicht der Dinge
dar. »Wir müssen einen neuen Partner auf unsere Seite bringen«,
argumentierte er. »Die Musik ist dann nachgeordnet.«
Wir aßen zu
Ende, wir bezahlten, dann ging es weiter. In einem schönen Haus in einer
schicken Gegend der Hamburger Innenstadt trafen wir auf einen
Rechsanwalt, der darauf spezialisiert war, große Musikproduktionen zu
steuern. Ich fand ihn recht sympathisch und hatte bald das Gefühl, er
sei sehr kompetent. In seinem Büro hingen einige Gemälde von Udo
Lindenberg – ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht einmal, dass der
Rockmusiker malte.
Unser Gesprächspartner erläuterte mir die
Zusammenhänge. Er trete für Musiker und Produzenten als Bindeglied auf,
sei an mehreren Musical-Produktionen als Rechtsbeistand beteiligt und
wirke gewissermaßen wie ein Verlag. So kümmere er sich bei großen
Produktionen um die Markenrechte und sichere bekannte Stars rechtlich
ab. Unter anderem arbeite er intensiv mit Udo Lindenberg zusammen. Trotz
aller Termine nahm er sich zwei Stunden Zeit für uns.
H. G. Francis
und er kannten sich bereits. Ich stellte ihm die Marke PERRY RHODAN
vor, zeigte die internationalen Verbindungen der Serie auf. Der
Rechtsanwalt stellte viele Zwischenfragen, auch zu gesellschaftlichen
und politischen Themen, wirkte aber stets sehr offen. Ich hatte Bücher
und Heftromane mitgebracht, die ich ihm gab. Er hatte sich mit der
Materie ein wenig beschäftigt und kannte PERRY RHODAN.
Dass es bislang so wenig Musik zu dem geplanten Musical gab, fand er schade. Immerhin verstand er, was H. G. Francis
als Story entwickelt hatte. »Das ist nicht nur abgefahrene Science
Fiction«, meinte er. Manche der spielerischen Elemente könnte auch der
normale Musical-Besucher gut finden, vor allem, wenn sie schmissig
präsentiert würden.
Trotzdem fand er unsere Serie »noch nicht so
richtig sexy«, wie er offen zugab. Er bekomme jede Woche ein Konzept für
ein neues Musical auf den Tisch – nicht nur er allein. Um ein solches
Konzept umzusetzen, bräuchte man viel Zeit und Geld. Ob PERRY RHODAN
dafür unbedingt tauglich sei, wüsste er nicht.
H. G. Francis
argumentierte, dass der Musical-Besuch eine »Familienangelegenheit«
sei, in der vor allem die Frauen den Ton angeben würden. »Meist geht der
Mann eben mit, wenn die Frau sich ein Musical ausgesucht hat«, meinte
er. »Bei einem PERRY RHODAN-Musical könnte auch mal der Mann sagen,
›komm, Schatz, wir gehen ins Musical‹, das könnte also eine andere
Zielgruppe aufmerksam machen.«
Der Anwalt hörte sich alles an, er
wirkte bis zum Ende unseres Gespräches aufgeschlossen, aber nicht
begeistert. Wir vereinbarten, uns in einiger Zeit noch einmal
zusammenzusetzen. Er würde unsere Unterlagen prüfen, H. G. Francis
würde an der Story arbeiten. Als ich das Büro verließ und zum Auto
spazierte, fühlte ich mich zwar nicht gerade euphorisch, hatte aber ein
positives Gefühl …
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