10 Dezember 2018

Eine Musical-Reise

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Es war eine Geschäftsreise, mit ich mehrere Dinge auf einmal zu erledigen hatte – in Hamburg wollte ich in der Zentrale des Bauer-Konzerns mit verschiedenen Menschen sprechen, unsere neuen Partner von Edel besser kennenlernen und mit H. G. Francis einen ganz speziellen Termin absolvieren. Als ich am Donnerstag, 13. Oktober 2007, in den Zug von Hamburg nach Karlsruhe stieg, war das Musical-Thema am wichtigsten für mich.

Unterwegs vertiefte ich mich gründlich in die Konzepte, die mir H. G. Francis  bereits geschickt hatte. Ich las mir zum wiederholten Mal seine Texte durch, führte mir die Grafiken vor Augen und rief mir die Musik in Erinnerung, die ich im Vorfeld gehört hatte. Als ich am Hauptbahnhof aus dem ICE kam, fühlte ich mich bestens vorbereitet.

Ich fuhr nicht zum Hotel, sondern ließ mich von H. G. abholen. Er war in Eile und drängte mich. »Schnell etwas essen, dann los!« Ich packte meinen kleinen Koffer in sein Auto.

Wir steuerten ein Hotel an in der Innenstadt, von dem der Autor wusste, dass die Küche »gut und flott« war. Wir suchten uns einen Tisch am Fenster, von dem aus man hinaus in den Nieselregen schauen konnte, und dort informierten wir uns gegenseitig über den aktuellen Stand der Dinge.

Ich erzählte ihm von meinen Plänen, eine neue Serie in den Handel zu bringen. »Die soll PERRY RHODAN-Action heißen«, erläuterte ich. Die Serie solle actionlastig werden, wie der Titel es versprach, mit kurzen Exposés für die Autoren und der Möglichkeit, die komplexe Technik der laufenden Erstauflage zu ignorieren.

Für H. G. Francis klang das spannend. Er sicherte zu, einen Roman für die neue Serie zu liefern. »Wenn’s sein muss, auch zwei«, meinte er. Allerdings sei er gerade dabei, an historischen Romanen zu arbeiten. Er berichtete von seinen Plänen, über Klaus Störtebeker zu schreiben, und seinen Recherchen in Hamburg und Lübeck. Historische Romane seien ein großes neues Thema für ihn.

Wir sprachen über die Serie und die Autoren, über den aktuellen Stand der Dinge und die große weite Welt der Science Fiction. Erst danach kamen wir zu dem Punkt, weshalb wir uns eigentlich trafen: Der Autor arbeitete seit einigen Jahren intensiv daran, ein PERRY RHODAN-Musical auf die Beine zu stellen.

»Leider bin ich in jüngster Zeit nicht weitergekommen«, gestand er. Sein Partner, mit dem er bei diesem Projekt zusammenarbeite, habe sich zurückgezogen. Er wisse also nicht, wie es mit der Musik weitergehe.

Ich war verwirrt. Bisher waren H. G. Francis und sein Partner immer gemeinsam in Erscheinung getreten: Er als Autor verfasste das Konzept und schrieb die Liedtexte, sein Partner steuerte die Musik bei. Ich hatte einige Sequenzen gehört, die als »musikalische Leitlinie« dienen sollten; sie sollten das Gerüst des geplangen Musicals bilden.

H. G. Francis lieferte mir weitere Hintergründe und stellte mir seine Sicht der Dinge dar. »Wir müssen einen neuen Partner auf unsere Seite bringen«, argumentierte er. »Die Musik ist dann nachgeordnet.«

Wir aßen zu Ende, wir bezahlten, dann ging es weiter. In einem schönen Haus in einer schicken Gegend der Hamburger Innenstadt trafen wir auf einen Rechsanwalt, der darauf spezialisiert war, große Musikproduktionen zu steuern. Ich fand ihn recht sympathisch und hatte bald das Gefühl, er sei sehr kompetent. In seinem Büro hingen einige Gemälde von Udo Lindenberg – ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht einmal, dass der Rockmusiker malte.

Unser Gesprächspartner erläuterte mir die Zusammenhänge. Er trete für Musiker und Produzenten als Bindeglied auf, sei an mehreren Musical-Produktionen als Rechtsbeistand beteiligt und wirke gewissermaßen wie ein Verlag. So kümmere er sich bei großen Produktionen um die Markenrechte und sichere bekannte Stars rechtlich ab. Unter anderem arbeite er intensiv mit Udo Lindenberg zusammen. Trotz aller Termine nahm er sich zwei Stunden Zeit für uns.

H. G. Francis und er kannten sich bereits. Ich stellte ihm die Marke PERRY RHODAN vor, zeigte die internationalen Verbindungen der Serie auf. Der Rechtsanwalt stellte viele Zwischenfragen, auch zu gesellschaftlichen und politischen Themen, wirkte aber stets sehr offen. Ich hatte Bücher und Heftromane mitgebracht, die ich ihm gab. Er hatte sich mit der Materie ein wenig beschäftigt und kannte PERRY RHODAN.

Dass es bislang so wenig Musik zu dem geplanten Musical gab, fand er schade. Immerhin verstand er, was H. G. Francis als Story entwickelt hatte. »Das ist nicht nur abgefahrene Science Fiction«, meinte er. Manche der spielerischen Elemente könnte auch der normale Musical-Besucher gut finden, vor allem, wenn sie schmissig präsentiert würden.

Trotzdem fand er unsere Serie »noch nicht so richtig sexy«, wie er offen zugab. Er bekomme jede Woche ein Konzept für ein neues Musical auf den Tisch – nicht nur er allein. Um ein solches Konzept umzusetzen, bräuchte man viel Zeit und Geld. Ob PERRY RHODAN dafür unbedingt tauglich sei, wüsste er nicht.

H. G. Francis argumentierte, dass der Musical-Besuch eine »Familienangelegenheit« sei, in der vor allem die Frauen den Ton angeben würden. »Meist geht der Mann eben mit, wenn die Frau sich ein Musical ausgesucht hat«, meinte er. »Bei einem PERRY RHODAN-Musical könnte auch mal der Mann sagen, ›komm, Schatz, wir gehen ins Musical‹, das könnte also eine andere Zielgruppe aufmerksam machen.«

Der Anwalt hörte sich alles an, er wirkte bis zum Ende unseres Gespräches aufgeschlossen, aber nicht begeistert. Wir vereinbarten, uns in einiger Zeit noch einmal zusammenzusetzen. Er würde unsere Unterlagen prüfen, H. G. Francis würde an der Story arbeiten. Als ich das Büro verließ und zum Auto spazierte, fühlte ich mich zwar nicht gerade euphorisch, hatte aber ein positives Gefühl …

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