22 Dezember 2015

Die MYTHOR-Buchreihe wird konzipiert

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Schon seit ich als Jugendlicher die MYTHOR-Heftromane gelesen hatte, wollte ich diese Serie ein zweites Mal veröffentlichen. MYTHOR hatte mich fasziniert, und ich fand es in der Mitte der 80er-Jahre traurig, dass die Serie so sang- und klanglos verschwunden war. Doch wie sollte eine Neuauflage geschehen? Idealerweise vielleicht sogar damit kombiniert, dass man die Serie abschloss?

Ich wollte sie zudem nicht als Heftroman »neu« haben, sondern als »richtiges« Buch, am besten sogar im Hardcover-Format. Die packenden Abenteuer von Mythor und seinen Freunden, all diese Welten voller Phantasie – die sollten auch in den 90er-Jahren und danach ihr Publikum finden.

Immerhin entwickelte sich die Fantasy-Literatur im Verlauf der 90er-Jahre zu einem Trend – wenngleich weit von dem Niveau entfernt, das in den Nuller-Jahren erreicht werden sollte. Im Fernsehen liefen Serien wie »Xenia« und »Hercules«, die »Conan«-Geschichten wurden in gedruckter Form zum wiederholten Mal aufgelegt. Zahlreiche Spiele im Computer-, Brett- und Rollenspielbereich nutzten Fantasy-Motive. Autoren wie Wolfgang Hohlbein oder David Eddings wurden in den Buchhandlungen gut platziert, ihre jeweils aktuellen Romane verkauften sich sehr gut.

Doch meine Versuche, die Serie im Moewig-Buchverlag neu zu veröffentlichen, scheiterten kläglich. »Fantasy ist ein temporäres Phänomen«, wurde mir beschieden. Damit könne man kein Geld verdienen, ich sollte solche Gedanken lassen. Doch ich gab nicht auf, und in den späten 90er-Jahren schien die Zeit tatsächlich reif für MYTHOR zu werden.

Konkrete Kontakte und Überlegungen entwickelte ich ab 1998. Bei einem der vielen Abende, an denen Eckhard Schwettmann – unser neuer Marketingleiter – und ich bei einem Bier zusammensaßen, kamen wir nicht nur einmal auf MYTHOR. Er hatte die Serie nicht so vollumfänglich gelesen wie ich, aber er hatte sie auch gemocht.

»Wir sollten den Verlag umstrukturieren«, überlegte er. »Dann machen wir aus den alten Heftromanserien neue Serien in Form von gebundenen Büchern. Moewig wird auf diese Weise der Verlag für phantastische Unterhaltung.« Bis er diese Idee in Angriff nehmen konnte, sollte allerdings noch einige Zeit vergehen.

Zuerst konnten wir für den Weltbild-Verlag die klassische DRAGON-Heftromanserie im Hardcover-Format produzieren – ein klassisches Lizenzthema also, bei dem wir die Rechte behielten und Weltbild die Bücher veröffentlichte. Es lag nahe, sofort danach MYTHOR in Angriff zu nehmen.

»Mit der schon fast klassischen Reihe MYTHOR, die in den Jahren 1980 bis 1985 als Heftroman erschien, hat VPM einen interessanten Stoff anzubieten, der sich multimedial in den verschiedensten Bereichen umsetzen lässt«, argumentierte ich zu Beginn des Jahres 2000 in einem ausführlichen Arbeitspapier.

Für den Vertrieb stellte ich in diesem internen Papier dar, was eigentlich den Inhalt der Serie ausmachte: »Die spannenden Abenteuer schildern den Weg des Recken Mythor auf einer Welt, die von Zauberei und Magie erfüllt ist, in der es Städte auf den Rücken wandernder Tiere gibt, in der Drachen fliegen und tollkühne Männer mit Feuer und Schwert gegen das Böse kämpfen.«

Mit solchen Argumenten versuchte ich die Faszination der Serie zu vermitteln. MYTHOR empfahl ich stets als »klassische Unterhaltungsliteratur mit Fortsetzungscharakter«, und eigentlich sei diese Fantasy-Serie nur mit der PERRY RHODAN-Serie zu vergleichen. Was beim Moewig-Vertrieb nicht so gut ankam, fand bei Weltbild dann eher seine Freunde.

Den Zyklus-Charakter versuchre ich in einen langen Satz zu fassen: »Die ersten fünfzig Bände spielen in einer Fantasy-Welt, die dem mittelalterlichen Europa und Nordafrika verwandt ist, danach wechselt die Handlung in eine ebenso fantastische Inselwelt (die Südhalbkugel der Fantasy-Welt), bevor ab Band 100 verstärkt Horror-Elemente auftauchen.«

Als Zielgruppe der klassischen Heftromanserie bezeichnete ich »damals männliche Jugendliche und Junggebliebene im Alter von 15 bis 20 Jahren«. Die Serie sei auf Sammlerbörsen gefragt – sie sei bei den ehemaligen Lesern sehr präsent. Mein Argument war deshalb klar: Ein Nachdruck in stark gestraffter Buchform, die sich an den PERRY RHODAN-Büchern orientierte, sollte deshalb sowohl bei »alten« Fans als auch bei neuen Lesern auf großes Interesse stoßen.

Vor allem sollte MYTHOR bei den Menschen gut ankommen, die vorher im Weltbild-Versand die DRAGON-Buchreihe abonniert hatten. »Eine MYTHOR-Serie in Buchform ist zu behandeln wie die DRAGON-Serie«, argumentierte ich. »Jeweils drei Bände werden zu einem neuen Buch von etwa 300 Seiten zusammengefasst.« Was einmal geklappt hatte, sollte auch ein zweites Mal funktionieren.

Als »redaktionellen Betreuer« kam für mich nur »ein profilierter Autor in Frage, der früher schon bei der Serie mitgeschrieben hat«; damit meinte ich Hubert Straßl, der unter seinem Pseudonym Hugh Walker als einer der ersten im deutschsprachigen Raum überhaupt Fantasy publiziert hatte. Für die »redaktionelle Verantwortung« hatte ich Sabine Kropp und mich vorgesehen, für »das Marketing und weitere Aktivitäten« sollten Eckhard Schwettmann und Klaus Bollhöfener in den Ring steigen.

»Nachdrucke der bisherigen Titelbilder kommen kaum in Frage, da diese schon etwas veraltet wirken und zudem kein Kontakt zum Illustrator besteht«, argumentierte ich. Ich schlug vor, »preiswertes Lizenzmaterial über Agenturen einzukaufen«. Darüber hinaus sollten wir uns in punkto Optik an den bisherigen DRAGON-Büchern orientieren.

Mein Arbeitspapier war am 21. März 2000 fertig. Ich diskutierte es mit Eckhard Schwettmann, dann ging es zuerst an unseren Buchvertrieb – er musste die Überlegungen »abnicken« –, bevor wir es an Weltbild weiterleiteten. In der Folge warteten wir gespannt darauf, wie es weitergehen würde ...

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