Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Es war ein vergleichsweise schöner Samstag. Die Sonne schien, es ging ein lauer Wind. Mit Robert Feldhoff
spazierte ich durch die kleine Stadt Wolfenbüttel, die wir an diesem
Wochenende beide zum ersten Mal besuchten. An der Bundesakademie für
kulturelle Bildung waren wir erstmals als Dozenten tätig und sollten
Autorinnen und Autoren in die Geheimnisse der
Science-Fiction-Schriftstellerei einweihen.
Nach dem Mittagessen
hatten Robert und ich gut eineinhalb Stunden Zeit. Nach dem Spaziergang
ließen wir uns in einem Straßen-Café nieder, bestellten Kaffee und
unterhielten uns. Wobei die erste halbe Stunde wohl eher darin bestand,
dass ich versuchte, den aktuellen Sachstand im Verlag zusammenzufassen.
Nicht nur in meinem Augen herrschte in der Verlagsunion Pabel-Moewig
eine Krisenstimmung vor.
»Es kann sein, dass wir im Verlauf des
Jahres rausgeworfen werden«, erzählte ich. Es gab eine neue
Führungsriege, und im Zuge massiver Umstrukturierung waren schon viele
Stellen abgebaut worden. Man wollte den Buchverlag »verschlanken«, man
wollte die Heftromanserien »einkürzen«, und es hielten sich seit Monaten
die Gerüchte, dass die PERRY RHODAN-Serie außerhalb des Verlages zum
Verkauf angeboten würde.
Robert hörte sich das alles an,
unterbrach mich nur selten und wartete eigentlich nur darauf, bis ich
mit dem Klagen und Jammern fertig war. Dann schaute er mich mit diesem
kühlen Blick an, den ich damals schon schätzte und den ich im Verlauf
der nächsten Jahre noch mehr schätzen sollte. Es sei zwar alles richtig,
was ich sagte, und er verstünde mich, aber ...
»Ich als Autor
kann daran nichts ändern«, meinte er trocken. Und noch während ich
darüber nachdachte, dass er damit eigentlich komplett recht hatte, kam
er mit seinem eigenen Anliegen. »Lass uns doch darüber reden, wie wir
aus der inhaltlichen Krise bei PERRY RHODAN herauskommen.«
Er
musste mich nicht daran erinnern, wie schwierig die vergangenen Jahre
verlaufen waren. Seit ich 1992 als Redakteur eingestellt worden war,
hatten unsere Planungen oft den Charakter eines »Stocherns im Dunkeln«
gehabt. Das war sehr spontan gewesen, und spontane Ideen hatten die
Serie oftmals bereichert, aber wir hatten immer wieder gespürt, wie
knapp wir vor einem Scheitern gestanden waren. »Und das ist doch so,
seit ich dabei bin«, argumentierte er.
Wie wäre es denn, so seine
Überlegung, wenn man alles anders machen würde? »Wir gehen strukturell
an die Sache heran«, schlug er vor. »An Ideen mangelt es den Autoren
nicht, es mangelt an Struktur.« Er begann damit, ein Konzept zu
skizzieren, mit dem man – so seine Gedanken – bis Band 2000 eine
spannende Handlung schaffen könnte.
»Wir stellen einen großen
Handlungsbogen her, ein überstrahlendes Thema«, sagte er. »Und in dieses
Thema hängen wir gewissermaßen die kurzen Zyklen ein. Die sind dann in
sich abgeschlossen, sie hängen aber alle mit dem Thema zusammen – und
dann können wir viele Ideen spinnen, die wir einfügen.«
Es klang
völlig überzeugend. Robert Feldhoff und ich waren fast gleichalt, wir
beide hatten die PERRY RHODAN-Romane zwischen 700 und 999 geliebt, wir
schwärmten für die Geschichten von der Aphilie bis hin zu den Kosmischen
Burgen. »Stell dir vor, wir schaffen es, einen großen Zyklus zu
schaffen, der auch einige hundert Bände umspannt«, schwärmte er – und
genau das konnte ich mir sehr gut vorstellen.
Nur: Welches
inhaltliche Konzept sollte dahinter stecken? Ein Thema benötigten wir ja
schon. In der von uns geliebten Handlungsepoche war es schließlich
darum gegangen, dass Perry Rhodan und Co. immer weiter ins Universum
vorstießen und immer mehr über die kosmischen Hintergründe erfuhren:
über Superintelligenzen und Materiequellen, über Kosmokraten und
Chaotarchen.
Eine echtes Konzept für mehrere Dutzend oder gar
hundert Bände hatte Robert noch nicht, dazu war die Zeit zu früh. Aber
er dachte in die richtige Richtung. »Stell dir ein Bündnis von mehreren
Galaxien vor, vielleicht gerade sechs Stück, sie alle unter der
Kontrolle von einer Superintelligenz. Und die Menschen werden das
sechste Mitglied in diesem Bündnis. Sie müssen sich in diesem Bündnis
behaupten – und natürlich gibt es Anfeindungen und Probleme, allerlei
Schwierigkeiten, die unsere Helden beseitigen müssen.«
Wir
berauschten uns beide an der Idee. Robert entwickelte seinen
Gedankengang bei einem Kaffee, ich gab weitere Vorschläge dazu, und er
kritzelte immer mehr Notizen auf einen Block. Wir hatten noch keinen
konkreten Begriff, wir dachten weder an »Thoregon«, noch wussten wir,
wie wir seine Idee mit dem Zeitrafferfeld um den Mars einbauen konnten –
aber es elektrisierte uns, dass wir eine gemeinsame Vision
entwickelten.
Ich war mir vor allem sicher, dass Ernst Vlcek
als Exposéautor bereitwillig mitmachen würde. Wenn er eine Struktur
hatte, in der er seine Phantasie spielen lassen konnte, trug das sicher
dazu bei, dass er noch mehr phantastische Ideen entwickelte.
Ob
wir es allerdings schaffen würden, unseren Chefredakteur zu überzeugen,
wusste ich nicht. Mir war bekannt, dass Dr. Florian F. Marzin für den
geplanten Zyklus nach Band 1800 eine ganz anderes Konzept favorisierte.
Er mochte seine eigene Planung eines »Cortez-Zyklus«, so der
Arbeitstitel – würde er Roberts Idee überhaupt ernstnehmen?
An
diesem Punkt kamen wir nicht weiter. Wir mussten zurück in das Gästehaus
der Bundesakademie. Dort warteten die Autorinnen und Autoren sowie Dr.
Hartmut Kasper auf uns; wir mussten wieder an die Arbeit gehen, für die
wir an diesem Wochenende in Wolfenbüttel waren. Aber ich sah Robert
Feldhoff an, dass ihm die grundsätzliche neue Idee keine weitere Ruhe
mehr lassen sollte ...
1 Kommentar:
Damals wurde also das Schema F(eldhoff) der Perry-Rhodan-Serie geboren.
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