Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Das »Marketingbüro«, wie wir ab dem Sommer 1996 das Büro nannten, in
dem Eckhard Schwettmann rings um die Marke PERRY RHODAN zu wirbeln
begonnen hatte, war am Dienstag, 14. Januar 1997, der Ort einer
Besprechung. Oliver Reiff und Matthias Schnurrer waren zu Besuch; die
beiden Kollegen waren von Anfang an für unseren Internet-Auftritt
zuständig.
Wir saßen um den Tisch, Eckhard auf der einen Seite,
ich auf der anderen, die beiden Internet-Kollegen seitlich von uns. Das
Fenster stand offen, wie Eckhard es auch bei frischen Temperaturen
mochte, und es kam kühle Luft herein. Das war durchaus nötig; wir
diskutierten intensiv über alle möglichen Fragen. Wie immer ging es
darum: Was kann man mit diesem neumodischen Medium namens Internet
eigentlich alles machen, wohin entwickeln wir die PERRY RHODAN-Seite?
Wie
so oft, war Eckhard rasch mit einer neuen Idee dabei: »Die Leute lieben
Geschichten. Und sie lieben Geschichten hinter den Geschichten.« Er
erinnerte an »PERRY RHODAN-privat«, eine Rubrik, die es in den 70er- und
80er-Jahren auf der Leserkontaktseite der PERRY RHODAN-Serie gegeben
hatte. »Lass uns so etwas auch auf unserer Internet-Seite machen«, so
sein Argument.
Zuerst verstand ich gar nicht, was er meinte; die
Internet-Kollegen waren schneller. »Eine Art Internet-Logbuch also«,
ergänzte Eckhard. Er sah mich an. »Ein Logbuch der Redaktion.«
Ich
sperrte mich ein wenig. Das sei eine zusätzliche Arbeit, so ein Logbuch
müsse schließlich von mir geschrieben werden, und ich sei doch sowieso
nicht gerade mit Langeweile gestraft.
Eckhard argumentierte
dagegen. Ich sei derjenige, bei dem die Fäden der Redaktion
zusammenliefen; die Autoren schickten ihre Manuskripte an mich, und ich
sei die Person, mit dem sie kommunizierten. »Eine wöchentliche Kolumne
wäre toll«, meinte er, »neues aus der Redaktion, ein wenig Tratsch und
Klatsch.« Ich solle einfach über das schreiben, was mir einfiele; das
würde man dann auf die Internet-Seite stellen.
Nach einigem Hin
und Her kapierte ich seine Idee. Zwar befürchtete ich, dass die Routine
meiner Arbeit niemanden interessieren würde. »Vielleicht empfinden die
Leser das als belanglos, was so ein Redakteur macht«, orakelte ich.
Eckhard
war anderer Ansicht, die zwei Kollegen von Trilobit – so nannten sie
ihre kleine Zwei-Mann-Firma mit einer gewissen Eigenironie – schlossen
sich ihm an. Und ich willigte ein. »Mal schauen, was daraus wird«,
meinte ich pessimistisch; ich ging nicht davon aus, dass ich das lange
machen würde.
Zwei Tage später schrieb ich mein erstes »Logbuch
der Redaktion«. Unter anderem kündigte ich an, das die Leser künftig
erfahren sollten, »was in den letzten Tagen in der PERRY
RHODAN-Redaktion und ringsherum los war«. Darüber hinaus versprach ich:
»Das können durchaus aktuelle Informationen sein, ebenso aber auch
unstrukturierte Gedanken.« Letztlich hänge es von der Zeit ab, die ich
dafür aufbringen könne, und von den Themen, die zu bearbeiten seien.
Unter
anderem schrieb ich in diesem Logbuch über das aktuelle ATLAN-Buch, das
von Hans Kneifel geliefert worden war. Ich hatte das Manuskript am
Vortag in die Setzerei gegeben. Es waren die »Balladen des Todes«, also
der zehnte Band der ATLANA-Buchreihe. Der Roman spielte im Mittelalter,
und es tauchten wichtige Figuren wie Leonardo da Vinci, Christopher
Columbus und Kopernikus auf.
Dabei amüsierte mich sehr, wie
schön Hans Kneifel beispielsweise die Geschichte der Mona Lisa mit der
des unsterblichen Arkoniden verbunden hatte: Die Dame auf dem Bild
lächelt deswegen so seltsam, weil sie die Nacht zuvor mit Atlan
verbringen durfte ... Das allerdings schrieb ich nicht; ich erzählte es
jedoch Eckhard Schwettmann, der künftig Mona Lisa und Atlan in vielen
Presse- und Marketinggesprächen erwähnte.
Zurück zum ersten
Logbuch. Ich schrieb über die weiteren Fortschritte bei der
ATLAN-Arbeit, erzählte vom Lektorat des umfangreichen Manuskriptes und
vom Verfassen der zusätzlichen Texte. Letztlich ging es in diesem
Logbuch also vor allem um Kleinkram.
Auf die aktuelle
Romanhandlung blickte ich in diesem Logbuch auch; Eckhard hatte
vermutet, dass das die Leser besonders interessieren könnte. Ich verwies
auf ein anstehendes Exposé-Wochenende mit Ernst Vlcek und Robert
Feldhoff in Hamburg. Bei diesem sollte es um die PERRY RHODAN-Romane ab
Band 1875 gehen: um die geteilte Stadt Terrania, den Deltaraum der
Baolin-Nda, das Geheimnis der Nonggo oder die Herkunft Shabazzas ...
Anfang
schaffte ich es, jede Woche ein Logbuch der Redaktion zu schreiben.
Nach einiger Zeit ließ der Elan aber nach, vor allem auch deshalb, weil
sich die Themen rasch wiederholten. Aber seit diesem Januar 1997 zählte
das Logbuch zu den festen Einrichtungen unserer Internet-Seite.
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