Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Im Frühjahr 2011 wurde die PERRY RHODAN-Redaktion mit ungeahnten Herausforderungen konfrontiert: Das Jubiläum zu fünfzig Jahren PERRY RHODAN stand bevor, ein WeltCon musste veranstaltet werden, und dazu wollten wir eine Sonderpublikation veröffentlichen. Wir wollten zum Jubiläum auch mit den E-Books richtig durchstarten und eine neue Serie in den Handel bringen.
Und das alles fand vor dem Hintergrund statt, dass unsere Buchhaltung im Verlag aufgelöst wurde, um künftig von der Redaktion sowie einem »externen Dienstleister« erledigt zu werden. Wir waren also alle im Dauerstress, während gleichzeitig neue Kolleginnen eingearbeitet werden mussten. Keine guten Voraussetzungen für die neue Serie, die wir intern bereits als PERRY RHODAN NEO bezeichneten.
Vor allem Frank Borsch als Exposéautor fand die Situation nicht gerade optimal. Wir hatten bislang kein offizielles »Okay« von der Konzernleitung, und er wusste am besten, dass noch viel Arbeit vor ihm stand. Es gab durchaus die Befürchtung, dass die Konzepte umsonst sein könnten.
Allerdings hatte ich eine Devise ausgegeben, an die wir uns hielten: »Wir tun jetzt mal so, als hätten wir schon das ›okay‹. Wenn sie uns stoppen, müssen wir schauen, was wir dann tun.«
Aus diesem Grund hatte Frank Borsch schon viele Kapitel des ersten Serienromans geliefert. In einem langen Telefonat, das wir am 5. April 2011 führten, legten wir fest, dass er den Roman nunmehr fertigschreiben und auch gründlich durcharbeiten sollte. Wesentliche Teile lagen seit langem vor, die kannte ich, und über diese hatten wir mehrfach diskutiert.
»Spätestens Mitte Juli brauchen wir das fertige Manuskript«, so vereinbarten wir. In der Folge würden wir alle Termine mit der Setzerei und der Herstellung, dem Lektorat und Korrektorat gut halten können.
Und wie sollte es danach weitergehen? Frank plädierte für ein »Allstar-Team«. Sein Argument: »Wenn wir mit PERRY RHODAN NEO eine neue Version der klassischen PERRY RHODAN-Serie präsentieren wollen, müssen diese Romane unbedingt von den Stammautoren verfasst werden.«
Sein Argument war, dass wir damit von Anfang an eine gute Qualität erzielen würden. Die Teamautoren kannten die Original-Serie seit Jahren, sie waren mit unserer Science-Fiction-Welt bestens vertraut. Also dürfte es ihnen nicht schwer fallen, die neuen Gesichtspunkte gut zu integrieren. Ich war damit einverstanden – und so vereinbarten wir, dass die ersten acht Romane von Teamautoren geschrieben werden sollten.
Trotzdem sollte Frank versuchen, »Autoren von außerhalb« anzusprechen. Wir sprachen über Kollegen wie Andreas Brandhorst oder Andreas Eschbach, die wir beide sehr schätzten. Vielleicht konnte es gelingen, einen in das NEO-Team einzubinden, und sei es nur für einen Gastauftritt.
Zu diesem Zeitpunkt war bereits klar, dass ich es nicht schaffen würde, den engen Kontakt zu den Autoren zu pflegen. »Was ich bei der laufenden Serie mache, kann ich bei der neuen Serie nicht auch noch leisten«, argumentierte ich. Auch Elke Rohwer, unsere neue Kollegin in der Redaktion, würde das nicht schaffen.
Also vereinbarten wir bei diesem Telefonat im April 2011, dass Frank die Autoren ansprechen, einplanen und koordinieren würde. Er sollte also nicht nur der Exposéautor sein, sondern in gewisser Weise auch der Außenredakteur. Uns war klar, dass »es bei NEO bei jedem Band einiges an inhaltlicher Koordinationsarbeit geben wird – das Ganze ist zu komplex, als dass wir mit einer Nummernshow durchkommen, bei der wir bequem in jedem Roman zu einem anderen Schauplatz springen und der Autor machen kann, was er will«.
Frank sollte intensiv mit Elke Rohwer zusammenarbeiten. Mir würde vor allem 2011 die Zeit fehlen, intensiv an den Texten für PERRY RHODAN NEO mitzuwirken – das sollte die Redakteurin machen. Sie würde zudem das Lektorat übernehmen und mit Frank über die Inhalte der Exposés diskutieren. Sie sollte die Fäden in der Hand halten, zusammen mit Frank natürlich.
»Apropos Exposés …«, sagte ich an dieser Stelle des Telefonats. Der Autor wusste Bescheid, er war schon mitten in der Arbeit. Noch im Verlauf der Woche wollte er die Exposés für die erste Handlungsstaffel liefern. Wir wollten den Schwerpunkt auf »runde und lebendige Charaktere« legen, die Technik der Raumschiffe sollte »klar und praktisch definiert« werden.
Wir waren uns einig darüber, die Politik der nahen Zukunft so realitätsnah wie möglich zu beschreiben, aber nicht zu sehr ins Detail zu gehen. PERRY RHODAN NEO sollte kein Polit-Thriller werden, sondern ein spannendes Science-Fiction-Abenteuer, eine Verneigung vor der klassischen Serie.
In unserem Telefonat schafften wir es auch, die heiklen Themen aus dem Weg zu räumen. So hatten wir vor, den ersten Roman der Serie als kostenloses E-Book anzubieten; der Autor musste hier also auf mögliche Einnahmen verzichten – aber wir fanden eine Regelung, mit der beide Seiten leben konnten.
Als ich an diesem Tag das Telefonat beendete, atmete ich tief durch. Die nächste Besprechung stand an, eine von vielen in diesen Tagen. PERRY RHODAN NEO aber war auf einem richtig guten Weg. Ich war sicher, dass wir die geplanten acht Romane veröffentlichen würden – sie würden sicher auch gut ankommen …
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