Ein Logbuch der Redaktion
Am Wochenende des 15. bis 17. Mai 2015 begab ich mich auf eine
Dienstreise, die viel mit PERRY RHODAN zu tun hatte, aber auch mit
allgemeiner Science Fiction und mit meiner generellen Arbeit als
Redakteur. Ich fuhr mal wieder nach Wolfenbüttel, um ein Seminar mit
Autorinnen und Autoren zu besuchen.
Erst als ich im Zug saß und
nach Norden fuhr, wurde mir bewusst, welch besondere Reise es war: Vor
zwanzig Jahren hatte ich zum ersten Mal als Dozent an der Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel
gearbeitet. In diesen Jahren hatte ich schon viele Autorinnen und
Autoren kennengelernt, die mittlerweile ihre eigenen Romane
veröffentlicht hatten.
Das diesjährige Seminar stand unter dem
schönen Motto »Klassische Ideen neu interpretieren – Die phantastische
Kurzgeschichte«, und als mein Co-Dozent war der PERRY RHODAN-Autor Uwe Anton
mit an Bord. Die Teilnehmer an dem Seminar hatten im Vorfeld eine
Aufgabe gestellt bekommen. Sie sollten eine Kurzgeschichte verfassen.
Diese Texte waren eingeschickt worden, in der Akademie bastelte man
daraus einen Reader – und die Texte in diesem Reader las ich während der
Zugfahrt nach Norden.
Schon während der Lektüre fiel mir auf,
wie unterschiedlich die Autorinnen und Autoren waren. Manche hatten
schon fast einen professionellen Schreibstil, bei anderen merkte ich
deutlich, dass sie am Anfang ihrer schriftstellerischen Entwicklung
standen. Mir wurde klar, dass der Plan, den ich mit Uwe Anton für das
gesamte Seminar ausgetüftelt hatte, so nicht funktionieren würde.
In
Wolfenbüttel sprach ich mit dem Kollegen sowie Dr. Olaf Kutzmutz, dem
literarischen Leiter der Bundesakademie. Im Prinzip verwarfen wir das
bisherige Konzept und änderten es grundlegend; nach all den Jahren
verfügen wir glücklicherweise über einen »Baukasten« von Möglichkeiten,
aus dem wir immer wieder schöpfen können.
Das eigentliche Seminar
begann am Freitag, 15. Mai, gegen 16 Uhr. Wir Dozenten stellten uns
vor, die Autorinnen und Autoren – eine kleine Gruppe mit elf Personen –
berichteten von ihren bisherigen Erfahrungen und äußerten sich zu ihren
Erwartungen. Uwe Anton und ich erzählten vom Verlagsbetrieb, von der
Arbeit eines Schriftstellers und was eigentlich eine gute Kurzgeschichte
ausmacht.
Nach dem Abendessen begannen wir bereits damit, die
Texte zu besprechen, die von den Teilnehmern eingereicht worden waren.
In gemeinsamer Diskussion wurden die Stärken und Schwächen des
jeweiligen Textes hervorgehoben; wo wir es nötig fanden, gingen wir
stark ins Detail und versuchten auszuloten, wie man den Text gut
verbessern könnte.
Wie es sich für ein Seminar gehört, saßen wir
abends noch einige Stunden zusammen. Uwe Anton und ich unternahmen
gegen Mitternacht sogar einen Spaziergang durch Wolfenbüttel, wobei wir
uns vor allem über aktuelle PERRY RHODAN-Themen unterhielten.
Den
Samstagmorgen begannen wir mit einer Aufgabe. Die Seminarteilnehmer
sollten den Anfang einer neuen Kurzgeschichte schreiben, die
stimmungsvoll sein und eine phantastische Idee vermitteln sollte. An
dieser Kurzgeschichte arbeiteten wir an diesem Tag auch ein zweites Mal;
da sollten die Teilnehmer versuchen, die Begegnung ihres »Helden« mit
seinem »Gegenspieler« zu schildern.
Die neu geschriebenen Texte
wurden jedes Mal diskutiert und vorgelesen. Dazwischen besprachen wir
die zuvor eingereichten Kurzgeschichten und gaben Hinweise zum
»theoretischen Anteil« beim Thema Kurzgeschichte. Der Samstag raste
buchstäblich an uns vorbei, und ich war echt froh, als ich nach 22 Uhr
endlich ein Feierabendbier trinken konnte.
Auch am Sonntag gingen
wir noch einmal an die neu geschriebene Geschichte; diesmal sollten die
Teilnehmer einen Abschluss verfassen, obwohl sie teilweise nicht
wussten, in welche Richtung sich ihr Text entwickeln würde. Ich hatte
den Eindruck, dass die meisten Autoren während des Seminars und bei den
jeweiligen Aufgaben ein besseres Gefühl für ihren Text entwickelt
hatten.
Letztlich kann bei einem Seminar nur die Person lernen,
die »offen« ist und sich so in das Seminar setzt, dass sie die
unterschiedlichen Meinungen und Ansichten aufnehmen kann. Nicht nur das,
was von den Dozenten kommt, ist wichtig; jede Aussage eines jeden
Seminarteilnehmers kann dazu helfen, dass man besser mit seinen Texten
umgehen kann. Ein Seminar in Wolfenbüttel ist in diesem Sinn
außergewöhnlich – die dauernde Kommunikation ist zwar anstrengend und
fordernd, bringt aber meiner Ansicht nach mehr für die jeweiligen
Autorinnen und Autoren.
Als ich am Sonntagmittag die Heimfahrt
nach Süden antrat, war ich recht erschöpft. Aber ich war davon
überzeugt, dass die meisten durch das Seminar neue Erkenntnisse gewonnen
hatten ...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen