Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Wann genau ich den Film »Der Wüstenplanet« oder kurz »Dune« wirklich sah, weiß ich nicht mehr. Sicher nicht gleich in der ersten Woche – in den kleinen Kinos in unserer Kleinstadt wurden die Filme nie gleich zum Start gezeigt, sondern immer mit einiger Verspätung. Also dürfte es im Januar oder Februar 1985 gewesen sein, vielleicht sogar erst im März. Ich erinnere mich nicht an ein genaues Datum, sondern eher an die Stimmung jener Zeit.
Zu Beginn des Jahres 1985 ging es mir nicht besonders gut. Ich war als Wehrpflichtiger zur Bundeswehr eingezogen worden. Nachdem ich im Herbst 1984 in Ulm angefangen hatte, saß ich in einer Kaserne im badischen Bruchsal. Dort hatte ich viel Wachdienst zu leisten – unter anderem verbrachte ich den Jahreswechsel 1984/85 in der Kaserne – und langweilte mich sehr oft.
Leider klappte es nicht so gut mit den guten Absichten: Ich wollte eigentlich viel lesen, meine Englischkenntnisse verbessern und Geschichten schreiben. Stattdessen machte ich das, was viele Soldaten in dieser Zeit taten: Ich saß an den Abenden mit anderen Leuten herum und trank zu viel Bier.
Ein farbenprächtiger Science-Ficction-Film wie »Dune« musste bei mir also einschlagen. Ich kannte den Roman »Der Wüstenplanet«, ich hatte ihn drei oder vier Jahre zuvor gelesen. Frank Herbert hatte mit dem Werk in den späten 60er-Jahren einen Science-Fiction-Klassiker geschrieben, der mich fasziniert hatte. Seine Art, eine fremde Welt zu beschreiben, fand ich umwerfend; seine Schilderungen von Arrakis und seinen Bewohnern erzeugte in meinem Kopf allerlei Bilder, die über viele Jahre hängen blieben.
Das war eine andere Art von Science Fiction als die, wie ich sie von PERRY RHODAN oder ATLAN kannte. Wo ein Heftroman und ein eher dünnes Taschenbuch doch eher knapp gehalten waren, ging Herberts Werk in die Breite. Die einzelnen Familien wurden ebenso detailliert geschildert wie die Natur des Planeten. Es gab ausführliche Beschreibungen der Landschaft und der Sitten, die Dialoge waren ausgefeilt und gingen über Seiten hinweg.
»Der Wüstenplanet« war wie ein Kinofilm auf einer riesigen Leinwand, bei dem man als staunender Mensch davor sitzt und begeistert die künstlichen Landschaften betrachtet, die sich einem vor dem Auge anbieten.
Der Roman war nicht unbedingt spannend, zumindest brauchte er seine Zeit, bis sich die Spannung aufbaute. Wo ein PERRY RHODAN-Roman schnell zur Sache kam und nach 64 Seiten zu Ende erzählt war, baute Herbert in seinem Roman die Spannung über Dutzende von Seiten auf. Diese Art des Erzählens hatte aber ebenfalls ihre Faszination. Das war zu Beginn der 80er-Jahre für mich durchaus ungewohnt.
Zu Beginn des Jahres 1985 hatte ich aber bereits eine größere Erfahrung in umfangreichen Science-Fiction- und Fantasy-Welten gewonnen. Ich hatte gelernt, dass man einen Heftroman nicht mit einem dickleibigen Roman vergleichen konnte: Wer eine Welt auf 500 Seiten beschrieb, durfte in die Breite gehen. Die Faszination einer Serie wie PERRY RHODAN erschloss sich mir aber ebenso über die epische Breite – immerhin ergab ein Zyklus von 100 Bänden ein Gesamtwerk von 6000 Seiten, und das wiederum war das Mehrfache des »Wüstenplaneten«.
Zu dieser Zeit konnte ich keine in sich abgeschlossenen Heftromane mehr lesen; diese Art der Geschichte sprach mich nicht mehr an. Entweder brauchte ich den epischen Charakter einer Serie wie PERRY RHODAN oder ATLAN, oder ich brauchte den Charakter eines großen Weltenbaus innerhalb eines einzigen Romans. So hatte sich mein Geschmack innerhalb weniger Jahre geändert. (Bald darauf sollte ich meine Faszination für die Kurzgeschichte wieder entdecken – aber das ist eine andere Geschichte.)
Die Verfilmung des »Wüstenplaneten« fiel also in eine Zeit des Umbruchs für mich. Wie würde das Werk bei mir ankommen? Um es klar zu beantworten: Ich war fasziniert und verblüfft, durchaus beeindruckt. Die Bildwelten, die David Lynch auf die Leinwand brachte, hatte ich in dieser Form noch nicht gesehen. Die Landschaft des Planeten Arrakis war hervorragend in Szene gesetzt, die riesigen Würmer, auf denen die Menschen reiten, begeisterten mich. So stellte ich mir den Wüstenplaneten vor, so wurde die Handlung für mich vermittelt.
Die Bildwelten waren das eine, die Figuren das andere. Mancher der Protagonisten kam mir wie eine Comic-Figur vor, was mich aber nicht störte. Sting als Schauspieler fand ich ebenso cool, wie ich ihn zuvor als Sänger der Band POLICE oder als Darsteller in »Quadrophenia« cool gefunden hatte. Auch andere Figuren waren stark dargestellt.
Womit ich allerdings fremdelte, waren die teilweise dämlichen Dialoge, die religiösen Aspekte und die Art und Weise, wie »Führung« hergestellt wurde. In einer zentralen Szene wird beispielsweise der Held zum Anführer des Widerstandes ausgerufen; das erinnerte mich viel zu sehr an Diktaturen oder gar die deutsche Geschichte. Vielleicht hatte auch meine Situation bei der Bundeswehr damit zu tun, dass ich mit der Szene meine Probleme hatte.
Als ich aus dem Kino herauskam – das weiß ich noch genau –, hatte ich die Bilder des Films in meinem Kopf. Sie verschwanden daraus nie. Ich sah »Dune« seit diesem Jahresanfang 1985 nie wieder, und ich erinnere mich trotzdem sehr gut an manch wuchtige Szene.
Deshalb betrachte ich diesen Film auch nicht als schlecht, sondern habe ihn als gigantisches Bilderlebnis abgespeichert. Vielleicht sollte ich ihn mir noch einmal anschauen, bevor die neue Version herauskommt …
1 Kommentar:
Ich habe den Film damals auch gesehen, bei mir hat er allerdings keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Der Hauptgrund dürfte nicht so sehr an der Handlung gelegen haben, als an der Präsentation dieses Film-Epos.
Kleines Kino, kleine Bildfläche, mieser Ton. Das wars dann mit dem Filmerlebnis.
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