10 Juli 2018

Ein Samstagabend in Saarbrücken

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Nachdem ich am Nachmittag des 6. September 1986 lange mit dem Ehepaar Scheer unterwegs gewesen war, kam ich zurück in die Saarlandhalle. Ich traf rechtzeitig ein, um die holländischen Sänger und Musiker der Band SENSUS zu treffen. Hinter der Bühne hatte ich die Gelegenheit, mit den sympathischen Leuten ein wenig zu plaudern.

Das Lied »More than a million light years from home« war keine Auftragsarbeit gewesen. Die Band hatte es selbst geschrieben und produziert. Als ich das Stück zum ersten Mal gehört hatte, irgendwann im Frühsommer 1986, fand ich es furchtbar. »Das klingt ja wie Modern Talking«, rutschte es mir entsetzt heraus.

Aus meinem Entsetzen war ein Slogan geworden: »Im Stil von Modern Talking« – so wurde die Platte beworben. Damit wusste allerdings jeder Mensch, wo er dran war; während die einen das Lied wegen seiner gelungenen Melodie lobten, hassten es die anderen wegen seiner Instrumentierung. Und »PERRY RHODAN turns me on« war in der Tat ein wunderbarer Abschluss eines eigentlich netten Musikstücks.

Auf der Bühne funktionierte das gut, in der dunklen Saarlandhalle leuchteten die Kostüme grell auf und ließen die Sängerin und die Musiker wie grelle Wesen von einem anderen Stern erscheinen. Ob die Fans alle begeistert waren, konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht herausfinden. Ich stand hinter der Bühne, ich sah die Band, und ich hörte den Applaus. Also schien alles zu stimmen.

Nachdem ich mich zwischendurch um Journalisten gekümmert hatte, war ich rechtzeitig wieder in der Halle. Gerhard Franz begann mit seiner Diashow. Ich kannte den Fotografen seit 1983; damals hatte er auf dem von mir veranstalteten FreuCon ebenfalls eine Diashow gezeigt. In Saarbrücken zeigte er, dass er sich in den vergangenen Jahren deutlich gesteigert hatte.

Dia-Shows mit dem sogenannten Überblendverfahren waren zu dieser Zeit sehr beliebt. In Volkshochschulen und anderen öffentlichen Gebäuden zeigten Weltreisende ihre Bilder aus fernen Ländern. So ähnlich war es bei Gerhard Franz: In seiner Show präsentierte er das PERRY RHODAN-Universum in einer Art und Weise, wie man es zuvor nicht gesehen hatte. Er stellte die Autoren vor, den Ablauf der Handlung und parallel dazu die geschichtliche und kulturelle Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland.

Seine Vorstellung dauerte ziemlich genau eineinhalb Stunden. Bei der Vorbesprechung hatte ich noch befürchtet, das könnte zu lang sein – aber das Gegenteil war der Fall. Gespannt folgten Tausende von Besuchern der Show, zeitweise herrschte atemlose Stille. Bei besonders schönen Bildern wurde die Stille durch Applaus unterbrochen.

Als beispielsweise das klassischen PERRY RHODAN-Titelbild eingeblendet wurde, auf dem sich ein Terraner und ein Maahk die Hand geben, ein echtes Meisterwerk von Johnny Bruck, klatschte der ganze Saal. Gejubelt wurde übrigens auch bei politischen Themen – so applaudierten viele Fans, als in der Show erwähnt wurde, dass im Jahr 1961 die CDU zum ersten Mal ihre Mehrheit im deutschen Bundestag verloren hatte.

Für viele Besucher des Cons war die Diashow der Höhepunkt der Veranstaltung. Wenn ich später mit Lesern sprach, die an jenem Tag in Saarbrücken dabei gewesen waren, wurden die Bilder und Texte erwähnt, die Gerhard Franz präsentiert hatte.

Die Veranstalter hatten einen anderen Höhepunkt geplant. In ganz modernem Deutsch wurde von einem »Special Screening« gesprochen, und gezeigt wurde ein brandneuer Kinofilm: Der Fantasy-Streifen »Labyrinth« mit dem populären Sänger David Bowie in einer der Hauptrollen lief in englischer Sprache, einige Wochen, bevor er offiziell in den deutschen Kinos anlaufen sollte.

Mir gefiel der Streifen mit seiner witzigen Handlung und seiner turbulenten Action, auch bei den Con-Besuchern schien er sehr gut anzukommen. Die Fans lachten viel, es wurde applaudiert, die Begeisterung war groß. So endete der Con-Samstag in einer ausgesprochen positiven Stimmung.

Während sich viele Fans zur Eislaufhalle aufmachten, fuhr ich in die Innenstadt. Ich verließ mich nicht auf eines der Taxis, die in langen Schlangen vor der Saarlandhalle standen, sondern vertraute auf meinen alten Freund und Fanzine-Kollegen Günther Freunek. Dieser hatte den brandneuen Mercedes seines Vaters ausgeliehen und chauffierte mich in die Innenstadt, wo er mich vor dem ETAP-Hotel aussteigen ließ.

Das Abendessen mit den Autoren und Verlagsleuten verlief ein wenig chaotisch, weil nicht alle Autoren gleichzeitig eintrafen, weil manche früh ins Bett gehen wollten und andere dafür umso länger feierten. Mit Christian Reuter, dem Leiter unserer Anzeigenabteilung, streunte ich später in angetrunkenem Zustand durch die Straßen von Saarbrücken. Wann immer wir unterwegs einen PERRY RHODAN-Aufkleber an einer Laterne oder an einer Häuserwand sahen – die Fans hatten offenbar großzügig verteilt –, lachten wir uns fast schlapp.

Als ich nach einigen Bieren ins Hotel zurückkam, war es schon reichlich spät. Ich wusste, ich sollte am nächsten Tag fit sein, also entschied ich mich dazu, rasch ins Bett zu gehen. Nur kurz riskierte ich einen Blick in die Hotelbar.

Dort sah ich einige Autoren, die mit Fans diskutierten und nicht mehr sehr nüchtern erschienen. Mitten unter ihnen: Clark Darlton mit prächtiger Laune und Hans Kneifel mit einem breiten Grinsen. Es war ein herrlicher Anblick ...

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