Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Wir saßen an jenem Samstag, 19. April 1980, in der kleinen Stadt Nagold
zusammen: drei Jugendliche, die von einer Mission beseelt waren. Einer
davon war ich, die anderen zwei waren Frank und Robert, und unser Plan
war, die zerstrittene deutschsprachige Fan-Szene zu einigen. Darüber
diskutierten wir den ganzen Tag lang und auch über den Abend hinweg,
immer wieder unterbrochen durch viel Quatsch und Unfug.
Es war
Robert, der irgendwann damit anfing, die Floskel »mit einiger Toleranz«
einzubauen. Gemeint waren damit Pläne und Überlegungen, die noch nicht
hundertprozentig sicher waren, von deren Sinn wir aber überzeugt waren.
Das fanden wir drei alle so witzig, dass wir diese Floskel den ganzen
Tag über benutzten – und ich schrieb sie später in das entsprechende
Fanzine mehrfach hinein.
Wir vereinbarten, dass wir das PERRY
RHODAN-Magazin sowie die PERRY RHODAN-Clubnachrichten systematisch
durchforschen wollten. Alle Clubs, die sich neu gründeten, wollten wir
anschreiben und über das Club-Kontakt-Netz informieren. Wir wollten
diese Clubs weder auflösen noch sie zwangsweise vereinen – so großkotzig
waren unsere Überlegungen dann doch nicht –, aber wir hatten die Idee,
dass künftig alle an einem Strang ziehen sollten.
Das Ziel, das
wir auch schriftlich festhielten: »... die SFCs einander näher zu
bringen, den Einstieg neuer Clubs ins Fandom zu erleichtern und die
unterste Vorstufe zu einem bundesweiten Dachverband zu sein.« Wir
vereinbarten, zum VaiCon zu fahren, der in wenigen Wochen in der kleinen
Stadt Vaihingen stattfinden sollte – dort sollte sich der PERRY
RHODAN-Club Deutschland als Dachverband aller PERRY RHODAN-Fans
konstituieren.
Und wir beschlossen, dass es bereits kurz darauf
einen sogenannten ChefCon geben sollte: Gemeint war eine Veranstaltung,
zu der die Vorsitzenden und Sprecher aller PERRY RHODAN-Clubs kommen
sollte. Allerdings war uns zu diesem Zeitpunkt weder klar, wer das
organisieren sollte, noch, wo die Sache stattfinden sollte. Immerhin
planten wir bereits für den August, eine Vollversammlung aller
CKN-Mitglieder in Nagold zu veranstalten.
(Auf die Idee, dass
dieser rasante Zeitplan nie funktionieren konnte und auch mit unserem
privaten Leben nicht in Übereinstimmung zu bringen war, kamen wir damals
natürlich nicht. Wir waren davon überzeugt, dass jeder, der von unseren
Plänen hörte, sie begrüßen und ihnen zustimmen würde. Zweifel kamen an
diesem Tag und in den darauf folgenden Wochen zumindest bei mir keine
auf.)
Wir machten uns Gedanken, wie der Vorstand des
Club-Kontakt-Netzes strukturiert sein sollte, und wir überlegten uns,
welche Werbeblätter auf den neuen Verein aufmerksam machen sollten.
Sogar ein Club-Beitrag wurde festgelegt.
Darüber hinaus strebten wir
den »Informations- und Erfahrungsaustausch« mit anderen Vereinen an.
Ein monatliches Fanzine für die internen Themen wurde beschlossen, ein
externes Fanzine wurde diskutiert – wir machten uns schon Gedanken
darüber, welche Auflage und welchen Preis es haben sollte.
Einigermaßen
ironisch liest sich im Protokoll der weitere Plan, wie er unter Punkt
sieben verkündet wird: »Für die nächsten Jahre, Jahrzehnte und
Jahrhunderte wird mit einiger Toleranz die Ausbreitung des CKN ins
deutschsprachige Ausland erarbeitet. Für später ist dann nicht
ausgeschlossen, dass das CLN sich über Westeuropa und dann über den Rest
der Welt ausbreitet.«
Neben diesen sehr ernst gemeinten
Diskussionen über die Zukunft des noch nicht einmal gegründeten
Club-Kontakt-Netzes hatte dieses erste Treffen, das ich mit anderen Fans
außerhalb von Freudenstadt hatte, vor allem eine Funktion: Wir
blödelten herum, wir redeten über Science Fiction und diskutierten über
das Fandom. Jeder von uns hatte seine ersten Erfahrungen und Kenntnisse
gesammelt.
Frank zeigte uns seine skurrilen Zeichnungen, die er
anfertigte, während ich stolz von meinen Erfahrungen als Autor von
Kurzgeschichten erzählte. Wir berichteten von den Kontakten mit anderen
Clubs, Frank spielte uns darüber hinaus Kassetten mit Tonbriefen vor.
Einer
blieb mir über alle Jahrzehnte hinweg im Gedächtnis: Es war ein
Tonbrief des PERRY RHODAN-Clubs Veast'Ark aus Bad Orb, der von mehreren
Clubmitgliedern gemeinsam besprochen worden war. Der Großteil des
Tonbriefs bestand aus Gelächter. Wir verstanden zwar nicht immer,
worüber gelacht wurde, aber es schien, dass die aktiven Fans in Bad Orb
viel Spaß mit ihren Club-Aktivitäten hatte.
Wir verabredeten
noch, dass ich das erste Fanzine des Club-Kontakt-Netzes machen sollte –
es sollte den Titel EINS tragen und an alle potenziellen Mitglieder
verschickt werden. Das Porto würde ich aus dem »Etat« meines Fanzines
SAGITTARIUS nehmen. Diesen frischte ich regelmäßig durch Geld auf, das
ich mir durch kleine Jobs auf der Baustelle oder in der Landwirtschaft
verdiente.
Irgendwann gingen wir ins Bett. Ich mümmelte mich in
meinen Schlafsack und verbrachte eine ruhige Nacht. Am nächsten Morgen
gab es ein reichhaltiges Frühstück, dann trennten wir uns.
Als
ich mit meinem Rad durch die Schwarzwaldtäler nach Hause strampelte,
zeitweise genervt durch leichten Nieselregen, war ich komplett
euphorisch. Das Club-Kontakt-Netz würde meinen Bekanntheitsgrad in der
Fan-Szene verstärken, da war ich mir völlig sicher – meinem weiteren
Aufstieg in die höheren Sphären der Science Fiction stand also nichts
mehr im Weg.
1 Kommentar:
Könnte der p.t. Chefingenieur mal überprüfen lassen, warum, das Forum schon des längeren offline ist?
Verbindlichsten Dank
2008
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