Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Auch wenn im Frühjahr 1995 in der PERRY RHODAN-Redaktion nicht viel
zum Guten stand – Kolleginnen und Kollegen aus anderen Abteilungen waren
reihenweise entlassen worden, ein weiterer Umzug innerhalb des Verlages
stand uns bevor –, mussten wir selbstverständlich alles so planen, als
ob sich rings um uns nichts ändern würde.
Das galt insbesondere
für die PERRY RHODAN-Bücher, die zu jener Zeit vom Buchvertrieb wegen
ihrer guten Verkaufszahlen sehr gemocht wurden. Im Buchverlag erwartete
man von der Redaktion, dass die Bücher regelmäßig in der Setzerei
landeten; wie das geschah, interessierte niemanden.
»Viermal im
Jahr fallen die PERRY RHODAN-Bücher vom Himmel« – so bezeichnete in
dieser Zeit eine Kollegin die abwartende Haltung der Vertriebskollegen.
Immerhin hatten wir einen Mann, der uns von außen hervorragend zuarbeitete, so dass es nie zu terminlichen Engpässen kam. Horst Hoffmann, der die Bücher inhaltlich betreute, war immer sehr akkurat, was die Termine anging.
Und
so reichte er bereits im April 1995 ein Konzept ein, das den gesamten
Schwarm-Zyklus umfasste. Aus den 69 Heftromanen wollte er acht Bücher
machen, beginnend mit dem Silberband 55. Erscheinen sollte dieser im
Spätsommer 1996 – Horst Hoffmann war also erfreulicherweise über ein
Jahr »vor der Zeit«.
In seiner Einleitung verwies er darauf, dass
der »69 Hefte umfassende Zyklus besser geeignet« sei als der vorherige.
Damit meinte er den Cappin-Zyklus, bei dem vor allem die zweite Hälfte
durch teilweise starke Längen gekennzeichnet war. Horst Hoffmann hatte
zwischenzeitlich überlegt, die Hefte 450 bis 499 in ein einziges Buch zu
packen: in eine einzige Nacherzählung der fünfzig Heftromane. Ich hatte
davon abgeraten, und Dr. Florian F. Marzin, unser Chefredakteur, hatte
sich meinen Argumenten angeschlossen.
Beim Schwarm-Zyklus
würde einiges anders laufen. Der Zyklus lasse sich, so der Autor,
»thematisch gut aufteilen«, jedes Buch habe nach seiner Planung »einen
eigenen Schwerpunkt im Gesamtgeflecht«. Wenn er die geplanten acht Bände
umsetzen könne, seien wir »gut im Maß«, ohne dass wir zu viel kürzen
müssten.
Der Zyklus sei von »vielen Kritikern zu unrecht
unterschätzt worden«. In seinem Arbeitspapier verwies der Autor auf die
teilweise faszinierenden Völker und auch auf Figuren, »die weit über ihr
Ende hinweg beliebt« waren. Das Heimliche Imperium der Cynos, die
geheimnisvolle Kytoma oder der Anzug der Vernichtung wurden von ihm als
wichtige Rätsel genannt, »die zum Teil erst viel später sehr wichtig«
wurden.
Horst Hoffmann betrachtete den Zyklus als einen Einstieg
in »die moderne Rhodan-Serie«; den Autoren sei das »damals sicher so
klar noch nicht« gewesen. Nach dem »grausamen Cappin-Zyklus« sehe er
optimistisch in die Zukunft.
Für den ersten Band, der den Titel
»Der Schwarm« tragen und mit der Nummer 55 erscheinen sollte, schlug er
insgesamt sechs Romane vor: die Eröffnungsbände von K.H. Scheer und William Voltz, darüber hinaus einen weiteren Voltz-Roman sowie einen Vlcek-, einen Kneifel-. und einen Darlton-Band. Bewusst entfallen lassen wollte er zwei Ewers-Romane sowie einen Band von Clark Darlton und Hans Kneifel.
Das
Ziel lag klar auf der Hand: Der Einstieg in den neuen Zyklus sollte
gleich spannend beginnen und auf zu viele Längen sowie Nebenhandlungen
verzichten – ungeachtet der Tatsache, dass diese oftmals sehr originell
waren. Immerhin brachte der erste Band nach dieser Planung die Rückkehr
der MARCO POLO in die Milchstraße und die Feststellung, dass die gesamte
Galaxis von der sogenannten Verdummung betroffen war.
Als Band
56 war »Kampf der Immunen« vorgesehen, für den Horst Hoffmann darüber
hinaus den Alternativtitel »Testfall Rorvic« vorschlug. In seinem
Konzept verwies er auf die Schwierigkeiten, die sich mit dem Inhalt der
ausgewählten Original-Heftromane ergaben: Offenbar wurde in der Serie
damals ausgesagt, dass die Verdummungsstrahlung dazu dienen solle, die
Superintelligenz ES auszuschalten – das sei aber ein Widerspruch zu
weiteren Erkenntnissen in den folgenden Zyklen.
Als Möglichkeit
eins schlug Horst Hoffmann vor, die Superintelligenz BARDIOC früher ins
Spiel zu bringen, allerdings nur in Andeutungen. Sie könnte doch einen
»Langzeitplan gegen ES programmiert« haben. Als zweite Möglichkeit bot
er an, »den Unfug einfach« herauszunehmen. In diese Richtung ging er
später bei der weiteren Bearbeitung des Zyklus – eine zu frühe Erwähnung
der Mächtigen und der Superintelligenzen hätte die Silberbände in eine
völlig andere Richtung entwickelt.
Buch 57 sollte den Titel »Das
Heimliche Imperium« tragen; der Bearbeiter bot darüber hinaus »Das große
Sterben« an. Die zweite Variante bezog sich auf die Menschen des Homo
Superior, die in der Heftromanhandlung der frühen 70er-Jahre stark
eingeführt worden waren und die man dann schnell wieder aus der Serie
geschrieben hatte. Dieses Sterben sollte im Silberband 57 geschildert
werden.
Für die Bände 58 (entweder »Die Gelben Eroberer« oder
»Die Fünfte Kolonne«), 59 (»Herrscher des Schwarms«), 60 (»Die Cynos«)
und 61 (»Götzendämmerung«) lieferte der Autor ebenso Titellisten,
Inhaltsangaben und Titelvorschläge.
Beim geplanten Buch 62 ging er
stärker ins Detail. »Die neuen Herrscher« könnte es heißen, aber auch
»Das Tabora« oder »Schlüssel zur Macht« oder »Ovarons Corps«. Darüber
hinaus bot er einen Ausblick, der vom »Schwarm«-Zyklus bis in die nähere
Zukunft reichte – mit Figuren wie Kytoma, die er als »eine der
faszinierendsten Figuren überhaupt« bezeichnete, ebenso mit Dalaimoc
Rorvic und Tatcher a Hainu.
Das Arbeitspapier fand ich richtig
gut. Es lieferte eine klare Auflistung und konnte im Prinzip eins zu
eins umgesetzt werden. Ich diskutierte das Arbeitspapier zuerst mit Sabine Bretzinger
– heute Kropp – und Florian F. Marzin, unserem Chefredakteur. Dann
telefonierte ich mit Horst Hoffmann und gab ihm »grünes Licht«.
Dass
die Bücher dann teilweise andere Titel hatten und der Zyklus neu
gegliedert wurde, lag in der Natur der Sache. Spätestens bei der
Detailarbeit ändern sich immer die Inhalte der PERRY RHODAN-Bücher,
seien diese noch so gut geplant ...
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