Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«:
Nachdem in den Monaten zuvor die Arbeitsbelastung immer weiter gestiegen
war, verfasste ich im Oktober 2000 eine Art Hilferuf, die ich in Form
einer Aktennotiz an die Geschäftsleitung des Verlages sandte. Sie stand
unter der Überschrift »Neue Objekte nur mit mehr Kräften möglich« und
sollte im Verlauf der folgenden Monate tatsächlich eine Erleichterung
mit sich bringen.
»Die Aufgaben innerhalb der dreiköpfigen PERRY
RHODAN-Redaktion haben sich in den letzten eineinhalb Jahren
überproportional erhöht«, argumentierte ich. Neben allen PERRY
RHODAN-Reihen hatten wir im Vorjahr eine 19 Bände umfassende
»Dragon«-Serie bei Weltbild veröffentlicht; im Jahr 2000 war bereits die
»Mythor«-Serie mit großem Erfolg angelaufen. Diese komplette Arbeit
wurde damals »von der Redaktion praktisch in Überstunden abgewickelt«.
Dazu kamen die »Plophos«- und »Terrania«-Bücher, die exklusiv beim
Bertelsmann-Club erschienen, sowie diverse Sonderprojekte.
Sollte
die kleine Mannschaft aus einem Chefredakteur, einer Redakteurin und
einer Redaktionsassistentin weiterhin so viele Produkte in den Handel
bringen oder gar neue Projekte ankurbeln, benötigten wir dringend eine
Unterstützung. Ich forderte »eine Aufstockung der Redaktion um einen
Volontär (eine Volontärin) oder einen Jungredakteur (eine
Jungredakteurin)«.
Tatsächlich hatte sich die grundsätzliche
Arbeit durch eine Reihe von Veränderungen zugespitzt, die nichts mit
neuen Produkten, sondern mit »Umstrukturierungen« zu tun hatte. Unter
anderem hatte man schon zwei Jahre zuvor das Korrektorat zwar nicht
komplett gestrichen, aber einen kompletten Korrekturlauf eingespart.
Seither las die Redaktion selbst noch einmal Korrektur, meist zwischen
den Terminen, meist in reichlicher Hektik und unter einem unnötigen
Zeitdruck.
Es ging gewissermaßen um eine »Drittkorrektur« der
wöchentlichen Erstauflage und der zwei Doppelbände, die alle zwei Wochen
erschienen. Zudem überprüften wir die sogenannten Blaupausen der
Heftromane auf ihre Richtigkeit, weil die Revision in der Druckerei
weggefallen war. Ich hatte selbst festgestellt, dass die Zahl der Fehler
in den veröffentlichten Romanen seitdem gestiegen war, was bisher in
den »oberen Etagen« kaum störte.
Die zahlreichen
Marketing-Aktivitäten, die Eckhard Schwettmann gestartet hatte, blieben
nicht ohne Einfluss auf die Redaktion. Ich schrieb vermehrt Pressetexte,
Sabine Kropp
hatte mehr Anfragen von Lizenznehmern auf dem Tisch, und auf einmal
mussten wir uns intensiv um die Inhalte von Hörspielen oder geplanten
Computerspielen kümmern. Das machte alles Spaß, musste aber bewältigt
werden.
Was aber am stärksten auffiel, war eine Veränderung, die
im Verlag die wenigsten mitbekamen: Es war das Internet, das die
Kommunikation mit den PERRY RHODAN-Lesern massiv veränderte. Sie seien,
so argumentierte ich, »mittlerweile größtenteils an das Netz
angeschlossen und wollen kommunizieren«. Die Zahl der Leser-Kommentare
per Mail hatte sich innerhalb eines Jahres vervielfacht. Zwar fing Arndt Ellmer in seiner Funktion als »LKS-Onkel« das meiste auf, trotzdem blieb genügend bei uns hängen.
Womit
niemand gerechnet hatte, war die »Vielzahl wünschenswerter neuer
Kontakte«, die wir pflegen wollten: »Fans müssen darüber informiert
werden, was sie auf ihren Homepages tun dürfen und lassen müssen.«
Solche Probleme gab es bei keiner anderen Zeitschrift innerhalb des
Verlages, von den Kollegen im Buchbereich hatte niemand etwas mit dem
Internet zu tun.
Das Internet erzeuge »unheimlich viel Neues«,
argumentierte ich. Es gebe »buchstäblich Hunderte von Homepages, die in
Bezug zu unseren Produkten stehen«. Es sei nötig, dass die Redaktion
»zumindest stichprobenweise« immer wieder im Netz nach PERRY
RHODAN-relevanten Seiten suchte. Was ich damals in meinem Arbeitspapier
verschwieg, war die Tatsache, dass es bereits Möglichkeiten gab,
komplette PERRY RHODAN-Romane im Netz zu erhalten: illegal und häufig
schlecht eingescannt, kopiert und verbreitet ...
Es war klar,
dass schon die laufenden Projekte mit dem vorhandenen Stamm an
Mitarbeitern kaum zu schaffen waren. Wir brauchten Hilfe und
Unterstützung, auch unter dem Gesichtspunkt, dass wir neue Serien in die
Welt setzen wollten.
Sowohl mit Bertelsmann als auch mit Weltbild
hatte ich schon mehrfach diskutiert, eigene Serien zu schaffen,
vielleicht außerhalb der Science Fiction und eher im Fantasy-Bereich.
Ebenso hatte ich Konzepte für Taschenbücher und Heftromane entwickelt,
die wir nicht umsetzen konnten, weil wir keine Zeit dafür hatten.
Mein
Arbeitspapier endete mit dem Punkt, mit dem es angefangen hatte: mit
dem Wunsch nach Veränderung und Verstärkung. Eine Zeit der Diskussion
folgte. Da aber Eckhard Schwettmann als Moewig-Verlagsleiter auf meiner
Seite stand, stieß ich bei der Geschäftsleitung zumindest auf Interesse
... (Wenige Monate später fingen Frank Borsch als Redakteur und Miriam Hofheinz als Marketingassistentin bei PERRY RHODAN an.)
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