Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Im
Frühjahr des Jahres 2000 sah es so aus, als würde sich der
Moewig-Buchverlag grundsätzlich wandeln. Nachdem Eckhard Schwettmann zum
Verlagsleiter des Buchbereiches ernannt worden war, hatte er einige
Dinge geändert und angepasst – angefangen bei einer Modernisierung des
Verlagslogos bis hin zu neuen Reihen.
Dazu zählte auch Moewig
Fantastic, eine Reihe, mit der die phantastische Literatur stärker im
Buchhandel verankert werden sollte. Ein Ziel war dabei unter anderem,
alte Serien wie MYTHOR und DRAGON neu zu beleben. Ich witterte die
Chance, endlich eines der Ziele zu verwirklichen, das ich mir schon zu
Beginn der 90er-Jahre gesetzt hatte: Ich wollte neue MYTHOR-Romane
veröffentlichen.
Also formulierte ich am 30. Mai 2000 ein Konzept
für eine »MYTHOR-Mini-Serie«; damals schrieb ich das Wort »Miniserie«
noch mit Bindestrich. Das Konzept war für die Verlagsleitung des
Zeitschriftenbereiches gedacht und sollte dort auch mit der
Vertriebsleitung sowie dem Marketing diskutiert werden.
Aus diesem
Grund erklärte ich einleitend erst einmal die Hintergründe: Unter dem
Titel »Zur alten MYTHOR-Serie« stellte ich die Zusammenhänge dar.
»Die
Fantasy-Serie MYTHOR erschien in den frühen 80er Jahren, wurde zu
dieser Zeit unter anderem von den PERRY RHODAN-Autoren geschrieben und
gilt nach wie vor als die beste deutschsprachige Fantasy, die jemals
publiziert wurde«, schrieb ich selbstbewusst und ignorierte bewusst
Taschenbuchautoren wie Wolfgang Hohlbein. »Ab dem Spätsommer 2000 werden
diese alten Romane in einer Buchausgabe im Weltbild-Verlag
nachgedruckt.«
Ich wollte letztlich nichts anderes als einen
Neustart von MYTHOR im Format eines Heftromans. Dabei wollte ich zuerst
eine Miniserie starten, die auf zwölf Bände angelegt sein sollte. Ich
orientierte mich an der ebenfalls zwölf Bände umfassenden
ATLAN-Miniserie – wir hatten 1998 den »Traversan«-Zyklus veröffentlicht.
Bei entsprechendem Erfolg könnte man eine solche Serie immer
verlängern.
Als Serientitel würde ich MYTHOR beibehalten, aber ich
schlug einen sehr klassisch klingenden Untertitel vor: »Kämpfer der
Lichtwelt« dürfte die alten Leser der Serie »packen«, dachte ich
zumindest.
Mir war klar, dass ich mit dem Begriff einer
»Mini-Serie« nicht überall auf offene Ohren stoßen würde. Bei ATLAN
hatte der Vertrieb darauf bestanden, dass man das Projekt als
»Short-Serie« bezeichnete. Das Kürzel »Atlan-Short« war vom Vertrieb
gewählt worden; ich hatte zwei Jahre lang über »Atlans Hort« gespottet,
wollte diesen Fauxpas aber nicht noch einmal erleben.
»Mini-Serien
sind im amerikanischen Comic-Markt ein weitverbreitetes Mittel, um neue
Leser zu gewinnen«, erläuterte ich in meinem Papier. Es gäbe
schließlich viele Leser, die nicht in eine »lange Serie« – »ongoing«
nannten das die Amerikaner – einsteigen wollten. Mein Argument: »Sie
wollen einen überschaubaren Rahmen, bei dem sie recht schnell die Lösung
für das Geschehen haben und nicht – wie bei PERRY RHODAN – Jahre auf
ein Zyklus-Ende warten müssen.«
Ich verwies auf die Sammler, die
bei solchen kurzlebigen Serien gerne zugreifen würden, und versprach,
man könnte die Serie bei Erfolg rasch fortsetzen. Zudem sei es möglich,
nach demselben Rezept weitere Mini-Serien zu starten«.
Mit MYTHOR
wollte ich nicht nur den »Bereich fantastische Literatur am Kiosk«
ausweiten, sondern eine neue multimediale Marke aufbauen. Ich stellte
mir vor, dass man mit MYTHOR auch CD-ROMS oder Computerspiele anstreben
könnte, wenn es die Marke wieder im Handel gäbe. Der Verlag präsentiere
sich mit einer neuen Serie als »innovativ und experimentierfreudig«, und
die Redaktion sei somit auch in der Lage, neue Autoren und Zeichner zu
»testen«.
Beim Inhalt der neuen Serie, die ich im Frühjahr 2001
herausbringen wollte, setzte ich auf »Nummer Sicher«, Experimente wollte
ich keine haben. Das formulierte ich auch entsprechend: »Der Inhalt der
MYTHOR-Mini-Serie soll das klassische Fantasy-Abenteuer bilden; das
heißt Action, Spannung, Abenteuer. Mythor soll als Einzelkämpfer und
Held in den Vordergrund gestellt werden, der positive Werte in einer
barbarischen Umgebung vertritt; eine ideale Identifikationsfigur für die
Leser also. Erotik spielt in den Romanen eine dezente Rolle.«
Für
die weitere Ausgestaltung der Serie wollte ich exklusive Titelbilder –
also keine Nachdrucke alter Motive, ein Leser-Magazin und
Innenillustrationen. Ich machte mir natürlich auch Gedanken über die
Autoren: Neben früheren MYTHOR-Autoren, die auch den PERRY RHODAN-Lesern
ein Begriff waren, wollte ich neuen Schriftstellern eine Chance geben.
Im Konzept nannte ich aber nur bekannte Namen wie Hubert Haensel, Horst Hoffmann, Ernst Vlcek und Hans Kneifel,
neuere ließ ich weg.
Selbstverständlich lieferte ich auch einen
Überblick zu den möglichen Kosten, damit der Vertrieb und die
Verlagsleitung kalkulieren konnten.
Mein Konzept hatte ich nicht
nur in den luftleeren Raum geschleudert, ich hatte es zuvor intern
besprochen, unter anderem mit Eckhard Schwettmann, der zu dieser Zeit
den Buchverlag leitete. Im Zeitschriftenbereich hatte ich allerdings
keinerlei Erfolg. »Fantasy ist ein rein temporäres Phänomen«, wurde mir
erläutert, und Miniserien seien nicht interessant.
So geschah es,
dass mein Konzept einer MYTHOR-Miniserie nie umgesetzt wurde. Es diente
aber als »Blaupause« für die späteren ATLAN-Miniserien und sogar später
für Miniserien wie PERRY RHODAN-Stardust. Ganz umsonst war das Konzept vom Frühjahr 2000 also nicht …
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