Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Am Montag, 9. Mai 2005, war der schleichende Konflikt zwischen dem
Buchverlag und der PERRY RHODAN-Redaktion kurz davor, ein echter Streit
zu werden. Das erwies sich bei einem Gespräch, das ich mit der
Verlagsleiterin führte. Am Vormittag stand sie auf einmal in meinem Büro
und stellte mich zur Rede.
Ich war in der Woche zuvor in
Augsburg gewesen und hatte dort den Weltbild-Verlag besucht. Dort hatte
ich verschiedene Buchreihen vorgestellt – ich hatte das sowohl vor als
auch nach meinem Besuch offen im Verlag kommuniziert und aus meiner
Dienstreise kein Geheimnis gemacht. Meine Reise wurde allerdings nicht
als positiv für den gesamten Verlag betrachtet, sondern als ein »Wildern
in unseren Gefilden«.
Unter anderem hatten sich angeblich einige
Lektoren bei der Verlagsleiterin beschwert. »Der Herr Frick will jetzt
auch Bücher machen«, habe man ihr erzählt, und das gehe doch nicht. Ich
verwies vorsichtig darauf, dass ich seit 1992 im Verlag sei und seitdem
jedes Jahr vier PERRY RHODAN-Bücher mitproduziert habe. Ebenso wies ich
darauf hin, dass wir mit Weltbild bereits drei Serien mit mehr als 60
Hardcover-Bänden verwirklicht hätten: die DRAGON-Ausgabe in den späten
90er-Jahren, eine MYTHOR- und eine PERRY RHODAN-Serie in den
Nuller-Jahren.
Als wichtiger erwies sich aber schnell ein ganz
anderer Vorwurf. Man habe ihr, also der Verlagsleiterin, in einem
Vier-Augen-Gespräch eine Aussage von mir mitgeteilt. Ich hätte bei einer
Unterhaltung mit Kollegen aus dem Buchverlag gesagt, eventuelle Gewinne
aus diesen Arbeiten seien doch bitteschön der Redaktion PERRY RHODAN
zuzuschlagen und nicht dem Buchverlag.
Das sah die
Verlagsleiterin anders: Es handle sich um Bücher, also sei der Gewinn
auf das Konto des Buchverlags zu buchen und nicht auf das Konto der
Redaktion. Ansonsten sollte ich doch die jeweiligen Aufträge – etwa von
Bertelsmann oder anderen Partnern – abgeben und die Kollegen des
Buchverlags umsetzen lassen.
Dass ich in diesem Augenblick nicht
platzte, war wohl dem Umstand zuzuschreiben, dass ich ein langes
Wochenende hinter mir hatte und keine Lust hatte, mich zu streiten. So
ruhig wie möglich versuchte ich, die Sachlage darzustellen. Bisher gehe
es doch sowieso nicht darum, irgendwelche Gelder zu verteilen. »Wir
reden über das Fell eines Bären, den es gar nicht gibt«, versuchte ich
meinen Standpunkt klarzumachen.
Ich hatte dem Weltbild-Verlag
nämlich Serien und Reihen angeboten, die man neu schreiben müsste.
Beispielsweise dachte ich zu diesem Zeitpunkt an eine Fantasy-Serie, die
sich an ein vorrangig weibliches Publikum richten sollte, oder an
moderne Krimis mit einem Schuss Humor. Das alles waren in der Tat keine
PERRY RHODAN-Themen, aber es war nun mal Tatsache, dass ich die
Projektverantwortlichen bei Weltbild kannte, während die Kollegen aus
dem Buchverlag keine direkten Kontakte besaßen.
Die Diskussion
sei eigentlich müßig, so meine Sicht der Dinge, denn bisher gebe es nur
Konzepte von mir – mehr nicht. Und es sei so, dass solche Konzepte nur
dann umgesetzt werden konnten, wenn wir von der PERRY RHODAN-Redaktion
dies gewissermaßen in unbezahlten Überstunden erledigten.
»Das
machen Frau Kropp und ich deshalb, weil's uns Spaß macht und weil wir
sowieso einen guten Draht zu den Autoren haben«, argumentierte ich. Mit
einem zusätzlichen Gehalt könnten wir nicht rechnen, also sei es wohl
korrekt, dass zumindest die Abteilung von unserer Arbeit profitiere –
und nicht die Leute, die damit nicht das Geringste zu tun hätten.
»Aber
wir sind doch ein Verlag«, argumentierte sie. »Die Erlöse landen
letztlich in einem gemeinsamen Verlag.« Ich blieb ruhig: »Wenn es denn
so ist, warum wollen dann gewisse Leute, dass die zu erwartenden Erlöse
ausgerechnet ihnen persönlich gutgeschrieben werden?«
Der
Vertrieb habe mit den Büchern nichts zu tun. Der Plan war, eine
Lizenzvereinbarung zu finden; niemand vom Vertrieb würde auch nur einen
Handstreich für das Projekt tun. Falls es denn überhaupt zustande komme
... Das Gespräch ging eine ganze Weile hin und her, es war eher
unergiebig.
Die Verlagsleiterin beharrte auf ihrem Standpunkt,
ich blieb stur bei meinem. Sie meinte, die Buchideen, die ich Weltbild
präsentiert habe, könnte doch »jeder Lektor im Buchverlag« machen. Ich
konterte, dass solche Ideen aber in den vergangenen Jahren nie aus dem
Buchverlag gekommen seien, sondern immer nur von uns. Wir schieden beide
frustriert und genervt voneinander – aber immerhin hatten wir uns nicht
angeschrien.
Mit Sabine Kropp
besprach ich mich später intern. Sollten wir es wirklich auf eine
Kraftprobe ankommen lassen, waren uns mögliche neue Bücher so viel Wert?
Wahrscheinlich war es sinnvoller, sich jeglichen Gedanken an
zusätzliche Reihen oder Serien aus dem Kopf zu schlagen und mehr Energie
in PERRY RHODAN-Sonderreihen zu setzen. Wir entschieden an diesem
Vormittag nichts, sondern entschlossen uns, das Thema bei Gelegenheit
weiter zu diskutieren – erst einmal ging die laufende Arbeit vor.
Interessanterweise
hatte ich an diesem Tag noch ein zweites Gespräch mit dem Buchverlag,
in diesem Fall mit der Herstellung. Man könnte Kosten einsparen, indem
man zwei Bücher gleichzeitig drucken würde – ob die Redaktion und der
Autor in der Lage seien, eine solche Änderung der Produktion
entsprechend umzusetzen? Auch hier galt: Ich entschloss gar nichts,
sondern nahm mir vor, das Thema erst einmal intern in der Abteilung und
dann mit Hubert Haensel als Bearbeiter zu besprechen. Gut Ding sollte schließlich Weile haben ...
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