Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Eigentlich war ich am Dienstag, 4. Oktober 2011, völlig erschöpft. Ich
hatte den PERRY RHODAN-WeltCon hinter mir, der mich in den Tagen davor
sehr gestresst hatte und dessen Höhepunkt das Wochenende gewesen war.
Und am Montag, 3. Oktober, hatte ich nicht den Tag der Deutschen Einheit
gefeiert und mich gründlich ausgeschlafen, sondern die Chance genutzt,
die zahlreichen E-Mails auf meinem Computer zumindest ansatzweise in
Angriff zu nehmen.
Eigentlich wäre also der Dienstag ein idealer
Tag gewesen, mich auszuruhen und nicht ins Büro zu gehen. Aber die
Pflicht ließ das nicht zu, und so fuhr ich an diesem Morgen nicht nach
Rastatt, sondern zu einem Einkaufszentrum in Karlsruhe. Dort hatte ich
mich mit Sabine Kropp
– sie wohnt von mir aus gesehen »hinter Rastatt« – verabredet. Auf dem
vereinbarten Parkdeck trafen wir uns, und Sabine ließ dort ihr Auto
zurück.
Mit meinem Wagen fuhren wir nach Mannheim, wo wir direkt
die Tiefgarage unter dem Kongresszentrum Rosengarten ansteuerten.
Nichts erinnerte mehr an den PERRY RHODAN-WeltCon 2011, alle Spuren
waren beseitigt; es war, als sei die Veranstaltung nur ein Traum
gewesen.
Zuerst steuerten wir die Rezeption des Dorint-Hotels an,
das wir am WeltCon-Wochenende mit unseren Gästen so gut wie ausgebucht
hatten. Die freundliche Rezeptionistin erinnerte sich an uns, dann kamen
wir schnell zu unserem eigentlichen Anliegen.
»Wir müssen zum Safe«, sagte ich und wies auf meine Aktentasche. »Und dann brauchen wir ein Taxi zur Bank.«
Wir
holten den Inhalt von zwei Schließfächern aus dem Safe des Hotels und
gingen in den Abstellraum neben der Rezeption. Dort sortierten wir das
Bargeld in die drei Stapel, die wir vorher definiert hatten: Ein Stapel
enthielt die Einnahmen unserer WeltCon-Eintrittskasse, ein Stapel
bestand aus den Einnahmen aus der Versteigerung, und ein dritter Stapel
umfasste die Barabrechnung, die wir vor Ort mit unseren Partnern von
WerkZeugs gemacht hatten.
Während des WeltCons hatte Sabine immer
wieder die Tageskasse »abgeschöpft« und die Einnahmen ins Hotel
transportiert. Das Kongresszentrum hatte keinen Safe, also musste immer
dieser Weg zurückgelegt werden.
Sabine und ich bündelten das
Geld, so gut es ging, und stopften es in meine Aktentasche. Es handelte
sich um Packen von Zehn-Euro-Scheinen, zahlreichen Zwanzigern und
weniger Fünfzigern; kaum vertreten waren größere Scheine. Dazu kamen
Berge von Münzgeld, das wir in mitgebrachte Geldtaschen steckten. Danach
war meine Aktentasche prallgefüllt.
Sabine und ich sahen uns an
und lachten. Es war ein seltsamer Auftrag, den wir uns selbst gestellt
hatten: Da der WeltCon an einem Sonntag geendet hatte und der Montag ein
Feiertag gewesen war, mussten wir an diesem Dienstag zur Bank gehen.
Dort wollten wir das Bargeld einzahlen, damit es auf das Konto des
Verlages überwiesen wurde. Das Procedere hatten wir telefonisch mit der
entsprechenden Filiale abgesprochen.
»Das sind einige zehntausend Euro«, sagte ich, »damit gehe ich nicht auf die Straße.«
Sabine
wollte ebensowenig mit so viel Bargeld durch die Innenstadt von
Mannheim spazieren. Es war reine Psychologie: Am Vormittag würde uns
niemand in der Fußgängerzone überfallen, das war klar, und zu Fuß waren
es nur einige hundert Meter. Aber ich fühlte mich ebenso unwohl wie
meine Kollegin. »Wir sind echt Feiglinge«, spottete ich.
Das
Hotel hatte bereits ein Taxi bestellt. Der Fahrer wunderte sich ein
wenig über unseren Wunsch, brachte uns aber dennoch hin. Im Prinzip fuhr
er in einem großen Bogen um die Fußgängerzone herum, bis wir an unserem
Ziel waren. Zu Fuß wären wir tatsächlich genauso schnell gewesen.
In
der Bank mussten wir warten. Wir waren nicht die einzigen, die Geld
einzahlen wollten, und ich ertappte mich bei dem Gedanken, Angst vor
Bankräubern zu haben – was ich sonst nie in meinem Leben verspürte. An
diesem Tag hätte es sich gelohnt: Nicht nur wir waren mit einer Tasche
voller Bargeld da, sondern auch zwei Männer vor uns, die dicke
Geldbündel über den Tresen schoben.
Die Zählmaschinen sortierten
die Scheine, wir schauten gebannt zu. Danach unterschrieben wir die drei
Einzahlungsbelege und waren fertig. Als wir wieder im Freien standen,
war ich echt erleichtert. Zurück bummelten wir zu Fuß, aßen unterwegs
sogar ein Eis – das Wetter war schön, genauso sonnig wie während des
WeltCons.
Da eine von den Geldtaschen von der Verwaltung des
Kongresszentrums stammte, ging ich noch einmal in die Büroräume des
Rosengartens. Bei den Personen, die ich kannte, bedankte ich mich für
die gute Zusammenarbeit, schüttelte eine Menge von Händen und verließ
das Gebäude in dem Bewusstsein, die meisten nie wieder zu sehen. Man war
sowieso bereits damit beschäftigt, die nächste Veranstaltung
vorzubereiten, PERRY RHODAN war im Rosengarten schon Geschichte.
Noch
einmal gingen wir durch die Treppen des Kongresszentrums und die weite
Eingangshalle, dann verschwanden wir in der Tiefgarage. Die Rückfahrt
nach Karlsruhe, wo wir uns trennten, und später nach Rastatt war wie ein
endgültiger Abschied vom Rosengarten.
Die Abrechnungslisten
lagen noch in meinem Auto; diese hatte ich nach dem WeltCon nach Hause
mitgenommen und würde sie an diesem Tag ins Büro transportieren. Damit
konnte dann hoffentlich die Buchhaltung arbeiten.
Am frühen
Nachmittag saß ich an meinem Schreibtisch, auf dem nach den
WeltCon-Tagen die übliche Arbeit wartete: Mails mussten beantwortet
werden, Manuskripte waren abzugeben, Texte hatte ich zu schreiben. Die
Kollegen außerhalb unserer Abteilung ließen mich glücklicherweise in
Ruhe – offenbar hatte kaum jemand etwas von unserem Jubiläum
mitbekommen.
Als ich an diesem Abend aus meinem Büro kam, war ich
erschöpft und müde. Und ich behielt in meinem Gedächtnis das Bild, wie
ich mit einer Arbeitstasche durch Mannheim fuhr, die randvoll mit
Bargeld war ...
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