Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Im Februar 2002 verschickte Robert Feldhoff ein umfangreiches Schreiben
an die Autoren, die an dem geplanten PERRY RHODAN-Zyklus mitwirken
sollten, den wir für Heyne konzipierten. Vor allem ging es um die
Arbeitsweise, auf die wir die Kollegen einschwören mussten. »Die müssen
im Voraus kapieren, dass wir völlig anders arbeiten müssen«, sagte er
mir im Vorfeld. »Sonst gehen wir im Terminchaos unter.«
Seine
Argumentation: »Der Inhalt des sechsbändigen Zyklus entspricht dem eines
›durchschnittlichen‹« PERRY RHODAN-Hunderterzyklus. Dies bedeutet, wir
haben viel weniger Platz, viel weniger Regelung, aber dieselben
inhaltlichen Probleme, für deren Lösung sonst hundert Bände bleiben.«
Für ihn als Exposéautor sei es »logischerweise unmöglich, auch nur
annähernd denselben Aufwand in die Exposés zu investieren wie in hundert
Bände Heftexposés«. Sowohl aus terminlichen wie auch aus
honorartechnischen Gründen seien »die Grenzen enger gesteckt«. Alle
Autoren sollten sich deshalb von dem Gedanken verabschieden,
»wasserdichte Exposés« zu erhalten. Dafür seien weder die Zeit noch der
Aufwand, der investiert werden kann, in irgendeiner Weise vorhanden.
Inhaltliche Schwächen bei den Exposés müsste der Autor ausgleichen;
gleichzeitig benötige er innerhalb »seines« Themas möglichst
weitreichende Freiheiten. Seine Exposés, so Robert Feldhoff,
skizzierten zwar auch einen fertigen Roman. Der »erzählerischen
Balance« widme er allerdings so gut wie keinen Platz – das sei Aufgabe
des Autors. Letztlich musste ein Autor einen anderen Spannungsbogen
erzielen; die Taschenbücher hatten etwa den dreifachen Umfang eines
Heftromans, und das bedingte eine ganz andere Art der Erzählung.
Zudem mussten wir auf einen Wunsch des Heyne-Verlags eingehen. Da die
Taschenbücher letztlich einzeln in den Buchhandlungen stehen würden,
mussten sie auch stärker als »abgeschlossen« gelten. Wir mussten also
einerseits eine komplexe Serie schaffen, diese aber andererseits so
»herunterbrechen«, dass sie in sechs kleinen Einheiten jeweils
selbständig funktionierte.
Robert Feldhoff dazu: »Die im
Heftbereich übliche enge Verzahnung aller Romane ist in der
Heyne-Edition weder möglich noch erwünscht.« Und: »Anders als für den
Heftroman wurde auf Verknüpfungen zwischen den Bänden ein geringeres
Gewicht gelegt. Jegliche zusätzliche Verknüpfung der Handlung bedingt
für den Einzelautor eine geringere Freiheit und dickere Exposés.«
Das hieß beispielsweise, dass sich eben nicht jedes Handlungselement
über mehrere Romane hinweg entwickeln ließ. »Figuren, die der einzelne
Autor entwickelt oder die das Exposé ihm zur Verfügung stellt, sind
nicht verbindlich Inventar der Folgebände.« Es sei unsinnig, wenn jeder
Autor »einen Rattenschwanz an Inventar« mit sich schleppen müsse – jeder
solle seine eigenen Schwerpunkte bilden.
Robert ermunterte die
Kollegen dazu, Figuren in Eigenregie zu entwickeln. Aber sie sollten
»notwendigerweise mit dem Ende des eigenen Romans aus der Handlung
heraus sein«, damit es die Folgebände nicht belasten würde. Die
Charaktere, die in allen sechs Romanen auftauchen sollten, wurden von
Robert in den Exposés angelegt, für sie gab es umfangreiche Datenblätter
– und spätestens hier wurde durch die ausgedehnte Einzeldiskussion der
Autoren vieles verändert.
»Verzahnungen«, die weder im Exposé
noch in den Datenblättern standen, entwickelten die Autoren gemeinsam in
den vielen Mails, die sie über die Mailing-Gruppe austauschten.
Einzelne Figuren bekamen mehr Tiefe, einige Konflikte wurden in den
meisten Taschenbüchern behandelt.
Das widersprach nur
vordergründig dem Arbeitspapier von Robert Feldhoff: Der Exposéautor
stellte eine »Regel« auf, die von den Autoren gebrochen werden musste –
aber eben das war auch im Voraus völlig klar.
Ihm war bewusst,
dass ein »Exposé maximal Anregungen« geben könnte. Die Autoren sollten
sich weitere Elemente selbst ausdenken: »Es ist insbesondere notwendig,
emotionale Geschichten mit befriedigendem Abschluss und befriedigender
Dramaturgie in jedem Band hinzuzuerfinden, z.B. Liebesgeschichte mit
Happy-End, ohne oder mit Opfertod, Mord aus Eifersucht, unter Menschen
oder Nichtmenschen ...«
Worauf der Exposéautor ebenfalls
hinwies: Die Autoren sollten nicht mit zu viel Hintergrundwissen
arbeiten. Zielgruppe der Taschenbücher seien nicht die PERRY
RHODAN-Experten, sondern vielmehr Science-Fiction-Fans im weitesten
Sinne. Deshalb sollten die zahllosen Geheimnisse der Galaxis Andromeda
nicht im Verlauf dieser Taschenbuchserie aufgeklärt werden.
Robert Feldhoff argumentierte klar: »Jeder Autor sollte bedenken, wenn
er zu sehr auf PERRY-Insiderwissen setzt, kostet er den Autor des
Nachfolgebandes Leser.« Allerdings war ihm auch bewusst, dass er keine
feste Regel aufstellte: »Die letzte Entscheidung über seinen Inhalt
trifft der Autor, nicht dieses Konzept!«
Klammheimlich hatten
wir ja einen klaren Plan, den wir den Kollegen bei Heyne nicht erzählt
hatten: Mit den »Schattenspiegel«-Romanen zielten wir auf Leser, die
Spannungsliteratur im Allgemeinen und Science Fiction im Besonderen
liebten, bisher von PERRY RHODAN aber aus unterschiedlichen Gründen die
Finger gelassen hatten; ebenso hatten wir jene Leser im Visier, die
früher PERRY RHODAN gelesen hatten, das aber seit vielen Jahren nicht
mehr taten.
Deshalb sollten sich die ersten Bände des Zyklus
vor allem an neue Leser wenden. Im Verlauf des Zyklus sollten diese
Leser aber so weit in das Perryversum hineinschauen, dass sie
idealerweise dann anschließend auch Heftromane kaufen würden.
Ob das funktionieren würde? Wir wussten es nicht. Aber im Februar 2002
gab sich Robert Feldhoff alle Mühe, dieses Ziel mit seinem Rundschreiben
stärker anzustreben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen