Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«:
Als ich am Dienstag, 19. Oktober 2004, nach Bergisch Gladbach fuhr,
konnte ich noch nicht ahnen, dass aus einigen der Gespräche eine
langjährige Zusammenarbeit resultieren wollte. Das Ziel war, sich mit
einigen Lektoren und Redakteuren auszutauschen und vor allem mit den
Kollegen von Lübbe-Audio eine erste »inhaltliche Konferenz« zu führen.
Dass Bastei-Lübbe und Pabel-Moewig bei den Hörspielen zusammenarbeiten
wollten, war in den Wochen zuvor klar definiert worden; jetzt ging es um
die konkreten Abläufe.
Zum ersten Mal in meinem Leben betrat ich
die Büroräume der Verlagsgruppe Lübbe in Bergisch Gladbach. Der graue
Flachbau erinnerte in mancherlei Hinsicht an das Bürogebäude in Rastatt,
in dem ich seit 1992 ein Büro hatte – beide Verlage hatten sich über
Jahrzehnte hinweg ähnlich entwickelt und aus diesem Grund wohl auch
ähnliche Gebäude bezogen.
An diesem Tag lernte ich Ruggero Leo
und Stefan Bauer vom Science-Fiction-Lektorat erstmals kennen: ein
abwechslungsreiches Gespräch über phantastische Literatur im Allgemeinen
und PERRY RHODAN im Besonderen, bei dem ich einiges über die Inn3nsicht
der Verlagskollegen erfuhr. Bei solchen »Fachsimpeleien« lernt man als
Redakteur immer wieder sehr viel.
Mein wohl wichtigstes Gespräch
an diesem Tag führte ich mit Barbara Dietz, der Justitiarin, und Marc
Sieper, dem Chef von Lübbe-Audio, der im Hause Bastei-Lübbe für die
Produktion und den Vertrieb von Hörspielen und Hörbüchern verantwortlich
war. Wir sprangen anfangs thematisch hin und her, informierten uns
gegenseitig über die jeweiligen Produktgruppen und näherten uns dann
gemeinsam dem eigentlichen Thema: Was kann man von PERRY RHODAN in
welcher Form sinnvoll in ein Hörspiel umwandeln?
Zu jener Zeit
feierte Lübbe-Audio mit den »John Sinclair«-Hörspielen sehr große
Erfolge. Marc Sieper erzählte von seinen Erfahrungen mit diesen
Produktionen. Zwar seien die Heftromane nach wie vor ein Erfolg, aber
mit den Hörspielen habe man eine ganz neue Zielgruppe erschlossen:
»Beide Gruppen überschneiden sich kaum«, so seine Erfahrung. »Man
erreicht mit Hörspielen ganz andere Kunden.«
Allerdings
unterscheide sich die inhaltliche Richtung von »John Sinclair« sehr von
PERRY RHODAN, sowohl von den Genres her, als auch in der Art und Weise,
wie die Romane verfasst werden: Jeder der Gruselromane könne für sich
stehen, bei PERRY RHODAN stehe die Serie im Vordergrund. Deshalb waren
sich alle Beteiligten der Runde einig: »Bei PERRY RHODAN muss eine Serie
umgesetzt werden.«
Hier argumentierte ich für den laufenden
»Sternenozean«-Zyklus. Dieser bestehe aus hundert Romanen, und er richte
sich unter anderem an Leser, die bei PERRY RHODAN neu eingestiegen
sind. Vor allem der Anfang, so meine Argumentation, sei für jüngere
Hörer interessant: Mit Kantiran hätten diese sofort eine spannende
Identifikationsfigur, an der sie sich orientieren könnten – zudem ließe
sich seine Geschichte gut in ein actionreiches Hörspiel umsetzen.
»Aber
hundert Hörspiele machen wir nicht«, kam der Einwand von Lübbe. Hier
kam ich den Kollegen selbstverständlich gleich entgegen: Aus den hundert
Romanen müsse man maximal fünfzig Folgen machen. »Man kann ganze Romane
wegfallen lassen, weil sie die Handlung nicht rasch genug voranbringen,
man kann aus zwei Romanen auch mal ein Hörspiel machen.«
Marc
Sieper als erfahrener Hörspielmacher fügte hinzu: »Mancher PERRY
RHODAN-Band ist vielleicht als Roman gut, funktioniert aber als Hörspiel
nicht. Und ein schwacher Roman kann wegen der Geräusche als Hörspiel
richtig gut werden.« Das alles könne aber nur ein erfahrener Dramaturg
beurteilen. Diesem bliebe aber nichts anderes übrig, als den
»Sternenozean«-Zyklus erst einmal komplett zu lesen, um sich ein Urteil
zu bilden.
Vielleicht, so überlegte Sieper, könnte man auch alle
fünfzig Folgen der Serie auf einmal produzieren. Es käme nie zu
Lieferengpässen. Man könnte die Sprecher quasi »in einer Session«
aufnehmen und müsste sie nicht mehrfach in das Studio bestellen. Aber
das müsse er zuerst prüfen und – vor allem! – auch einmal
»durchrechnen«.
Zuletzt kamen wir auf ein Thema, das ganz neu
war. Die ersten Download-Plattformen hatten Hörbücher und Hörspiele ins
Angebot genommen; dass man sich solche Dateien herunterladen konnte, war
ein ganz neues Geschäftsfeld. Wie sollten wir uns hier platzieren? Gab
es vielleicht sogar eine Möglichkeit, exklusive PERRY RHODAN-Stoffe für
Audible und mögliche andere Firmen zu entwickeln?
Ich fühlte mich
davon erst einmal ein wenig überrollt: Wie sollte ich so schnell neue
Hörspiel- und Roman-Autoren »aus dem Hut zaubern«, mit denen sich solche
neuen Angebote produzieren ließen? Grundsätzlich fand ich das ganze
aber interessant – immerhin sahen wir ja bei den E-Books, das sich das
Digitalgeschäft langsam entwickelte.
Aber zuerst wollten wir das
»Große Ganze« starten, also den »Sternenozean«-Zyklus als
Hörspielreihe. Wir entschlossen uns, das Projekt gemeinsam in Angriff zu
nehmen.
Die Justitiarin sollte sich um die Verträge kümmern,
während der Hörbuch-Produzent verschiedene Agenturen ansprechen wollte,
um herauszufinden, wer als Studio in Frage käme. Und ich wollte vor
allem viel Material nach Bergisch Gladbach schicken, damit sich die
Kollegen im Verlag und im Studio einlesen konnten. Jetzt ging es also
los ...
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