26 Juli 2013

Erste Gespräche mit Lübbe-Audio

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«:

Als ich am Dienstag, 19. Oktober 2004, nach Bergisch Gladbach fuhr, konnte ich noch nicht ahnen, dass aus einigen der Gespräche eine langjährige Zusammenarbeit resultieren wollte. Das Ziel war, sich mit einigen Lektoren und Redakteuren auszutauschen und vor allem mit den Kollegen von Lübbe-Audio eine erste »inhaltliche Konferenz« zu führen. Dass Bastei-Lübbe und Pabel-Moewig bei den Hörspielen zusammenarbeiten wollten, war in den Wochen zuvor klar definiert worden; jetzt ging es um die konkreten Abläufe.

Zum ersten Mal in meinem Leben betrat ich die Büroräume der Verlagsgruppe Lübbe in Bergisch Gladbach. Der graue Flachbau erinnerte in mancherlei Hinsicht an das Bürogebäude in Rastatt, in dem ich seit 1992 ein Büro hatte – beide Verlage hatten sich über Jahrzehnte hinweg ähnlich entwickelt und aus diesem Grund wohl auch ähnliche Gebäude bezogen.

An diesem Tag lernte ich Ruggero Leo und Stefan Bauer vom Science-Fiction-Lektorat erstmals kennen: ein abwechslungsreiches Gespräch über phantastische Literatur im Allgemeinen und PERRY RHODAN im Besonderen, bei dem ich einiges über die Inn3nsicht der Verlagskollegen erfuhr. Bei solchen »Fachsimpeleien« lernt man als Redakteur immer wieder sehr viel.

Mein wohl wichtigstes Gespräch an diesem Tag führte ich mit Barbara Dietz, der Justitiarin, und Marc Sieper, dem Chef von Lübbe-Audio, der im Hause Bastei-Lübbe für die Produktion und den Vertrieb von Hörspielen und Hörbüchern verantwortlich war. Wir sprangen anfangs thematisch hin und her, informierten uns gegenseitig über die jeweiligen Produktgruppen und näherten uns dann gemeinsam dem eigentlichen Thema: Was kann man von PERRY RHODAN in welcher Form sinnvoll in ein Hörspiel umwandeln?

Zu jener Zeit feierte Lübbe-Audio mit den »John Sinclair«-Hörspielen sehr große Erfolge. Marc Sieper erzählte von seinen Erfahrungen mit diesen Produktionen. Zwar seien die Heftromane nach wie vor ein Erfolg, aber mit den Hörspielen habe man eine ganz neue Zielgruppe erschlossen: »Beide Gruppen überschneiden sich kaum«, so seine Erfahrung. »Man erreicht mit Hörspielen ganz andere Kunden.«

Allerdings unterscheide sich die inhaltliche Richtung von »John Sinclair« sehr von PERRY RHODAN, sowohl von den Genres her, als auch in der Art und Weise, wie die Romane verfasst werden: Jeder der Gruselromane könne für sich stehen, bei PERRY RHODAN stehe die Serie im Vordergrund. Deshalb waren sich alle Beteiligten der Runde einig: »Bei PERRY RHODAN muss eine Serie umgesetzt werden.«

Hier argumentierte ich für den laufenden »Sternenozean«-Zyklus. Dieser bestehe aus hundert Romanen, und er richte sich unter anderem an Leser, die bei PERRY RHODAN neu eingestiegen sind. Vor allem der Anfang, so meine Argumentation, sei für jüngere Hörer interessant: Mit Kantiran hätten diese sofort eine spannende Identifikationsfigur, an der sie sich orientieren könnten – zudem ließe sich seine Geschichte gut in ein actionreiches Hörspiel umsetzen.

»Aber hundert Hörspiele machen wir nicht«, kam der Einwand von Lübbe. Hier kam ich den Kollegen selbstverständlich gleich entgegen: Aus den hundert Romanen müsse man maximal fünfzig Folgen machen. »Man kann ganze Romane wegfallen lassen, weil sie die Handlung nicht rasch genug voranbringen, man kann aus zwei Romanen auch mal ein Hörspiel machen.«

Marc Sieper als erfahrener Hörspielmacher fügte hinzu: »Mancher PERRY RHODAN-Band ist vielleicht als Roman gut, funktioniert aber als Hörspiel nicht. Und ein schwacher Roman kann wegen der Geräusche als Hörspiel richtig gut werden.« Das alles könne aber nur ein erfahrener Dramaturg beurteilen. Diesem bliebe aber nichts anderes übrig, als den »Sternenozean«-Zyklus erst einmal komplett zu lesen, um sich ein Urteil zu bilden.

Vielleicht, so überlegte Sieper, könnte man auch alle fünfzig Folgen der Serie auf einmal produzieren. Es käme nie zu Lieferengpässen. Man könnte die Sprecher quasi »in einer Session« aufnehmen und müsste sie nicht mehrfach in das Studio bestellen. Aber das müsse er zuerst prüfen und – vor allem! – auch einmal »durchrechnen«.

Zuletzt kamen wir auf ein Thema, das ganz neu war. Die ersten Download-Plattformen hatten Hörbücher und Hörspiele ins Angebot genommen; dass man sich solche Dateien herunterladen konnte, war ein ganz neues Geschäftsfeld. Wie sollten wir uns hier platzieren? Gab es vielleicht sogar eine Möglichkeit, exklusive PERRY RHODAN-Stoffe für Audible und mögliche andere Firmen zu entwickeln?

Ich fühlte mich davon erst einmal ein wenig überrollt: Wie sollte ich so schnell neue Hörspiel- und Roman-Autoren »aus dem Hut zaubern«, mit denen sich solche neuen Angebote produzieren ließen? Grundsätzlich fand ich das ganze aber interessant – immerhin sahen wir ja bei den E-Books, das sich das Digitalgeschäft langsam entwickelte.

Aber zuerst wollten wir das »Große Ganze« starten, also den  »Sternenozean«-Zyklus als Hörspielreihe. Wir entschlossen uns, das Projekt gemeinsam in Angriff zu nehmen.

Die Justitiarin sollte sich um die Verträge kümmern, während der Hörbuch-Produzent verschiedene Agenturen ansprechen wollte, um herauszufinden, wer als Studio in Frage käme. Und ich wollte vor allem viel Material nach Bergisch Gladbach schicken, damit sich die Kollegen im Verlag und im Studio einlesen konnten. Jetzt ging es also los ...

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