Aus der Reihe »Der Redakteur erinnert sich«
Zu Beginn der 90er-Jahre befanden sich die PERRY RHODAN-Taschenbücher
in einer Zeit der Umwälzung. Als Chefredakteur wollte Dr. Florian F.
Marzin neuen Autoren eine Chance geben. Also veröffentlichte er
beispielsweise eine Kurzgeschichtensammlung oder hievte Manuskripte von Susan Schwartz oder Martin Schlesinger ins Programm.
Für
junge Autorinnen und Autoren gab es also Grund zur Annahme, bei den
PERRY RHODAN-Taschenbüchern eine Chance zu haben. Ich versuchte es zu
Beginn der 90er-Jahre mit einem Manuskript – ein anderer Autor, der
dasselbe versuchte, war Götz Roderer.
Bereits im September 1991
hatte der damals in Würzburg lebende Autor ein Manuskript vollendet.
Seine PERRY RHODAN-Geschichte hatte mittlerweile die Länge eines Romans
erreicht. Der junge Mann, der zu dieser Zeit mit Diplomprüfungen und
seiner Diplomarbeit beschäftigt war, schickte das Manuskript mit dem
Arbeitstitel »Halo 1146« an die Verlagsunion Pabel-Moewig, adressierte
an »Sehr geehrte Redaktion« und erhielt erst einmal keine Antwort.
Nachdem er einige Zeit lang nichts gehört hatte, fragte er nach, wo denn
das Manuskript verblieben sei.
Es landete schließlich in der
PERRY RHODAN-Redaktion. Am 23. Januar 1992 schrieb Dr. Florian F.
Marzin, der damalige Chefredakteur, eine eigentlich positive Mail an den
jungen Autor: »Zuerst muss ich Ihnen bestätigen, dass Ihre Arbeit
stilistisch ohne Tadel ist, doch gerade die überaus langen diskriptiven
Passagen wirken auf den Leser ermüdend.«
Die Handlung komme nicht
voran, es fehle auch »jedes spannende Element«; der Chefredakteur
vermisste auch »zündendere Dialoge« und Action. Aus diesem Grund wollte
er das Manuskript nicht veröffentlichen, attestierte dem Autor aber
»durchaus Talent zum Schreiben«.
Viele Menschen wären an dieser
Stelle sicher enttäuscht gewesen und hätten aufgegeben. Nicht so Götz
Roderer – das Aufgeben war für ihn keine Option. Er überarbeitete sein
Manuskript noch einmal und schickte es am 28. Dezember 1992 an den
Verlag. Weil er wieder nicht die Redaktion angegeben hatte, dauerte es
einige Zeit, bis das Manuskript in der richtigen Abteilung eintraf.
Ich
war seit Anfang November unter anderem für die Taschenbücher zuständig,
bekam es aber nicht sofort auf den Tisch. Das Manuskript kam erst
einmal zu unserem Chefredakteur. Am 9. März 1993 bohrte der Autor nach,
dann landete das Manuskript bei mir. Weil mir die ganze Sache ein wenig
peinlich war – die Odyssee des Autors und seines Manuskriptes ließ sich
im Korrespondenz-Ordner nachvollziehen –, schickte ich ihm rasch ein Bestätigungsschreiben und machte mich an die Lektüre.
Der
Roman sprach mich von der ursprünglichen Idee her an. Ich mochte die
Zeit des Cantaro-Zyklus und fand, dass die Autoren ab Band 1400 eine
spannende Epoche in der PERRY RHODAN-Serie eingeleitet hatten. Bei
vielen Besprechungen forderte Marzin mehr »Härte, Action, Sinnlichkeit«
in den Romanen – das meinte er nicht ernst, aber sein Wunsch war
tatsächlich, mehr Spannung in die Geschichten zu bringen.
Das bot
»Halo 1146«. Götz Roderer schaffte es, die Besatzung von
TSUNAMI-Raumschiffen in eine actionreiche Geschichte voller
Verwicklungen und Abenteuer zu versetzen. Im Halo der Milchstraße –
deshalb der Titel – entwickelte sich eine dramatische Handlung, die sich
vor allem dann steigerte, als der Autor Roi Danton ins Spiel brachte.
Perry
Rhodans Sohn war eine Figur, die ich mochte. Die Widder als
Geheimorganisation mochte ich ebenfalls. Und das Jahr 1146, in das der
Autor letztlich die hauptsächliche Handlung seines Romans packte, war
für mich eine Zeit voller Umbrüche. In meinen Augen machte er sehr viel
sehr richtig. Das fand ich gut, und so rief ich den Autor an.
Wir
sprachen sein Manuskript am Telefon durch; ich nannte positive und
weniger positive Dinge und zeigte, was mir wie gefallen hatte. Wenige
Tage später – am 7. April 1993 – verfasste ich einen drei Seiten langen
Brief. Damit wollte ich »einige im Gespräch gemachte Aussagen brieflich
vertiefen«.
Die wichtigste Nachricht für den Autor: Seinen Roman
wollte ich auf jeden Fall publizieren, geplant war ein
Erscheinungstermin im Mai 1994. Allerdings sollte er ihn ein weiteres
Mal bearbeiten. (Als Götz das hörte und später auch las, dürfte er nicht
gerade begeistert gewesen sein.) Damit ihm klarer wurde, was ich
kritisieren wollte, packte ich die ersten Seiten seines Manuskriptes mit
Anmerkungen von mir bei.
Ich bat den Autor, die nächste Version
seines Manuskriptes bitte »in einem zweizeiligen Ausdruck« zu liefern,
»damit einige Korrekturen leichter fallen«. Als Termin nannte ich ihm
den 20. Mai 1993. Und ich stellte ihm die Frage, ob er unter echtem
Namen oder unter einem Pseudonym schreiben wolle. Götz Roderer fand ich
als Namen nicht sonderlich spannend, aber der endgültige Name sei seine
Entscheidung.
Zu kritisieren hatte ich vor allem viel Kleinkram.
Der Autor hatte einige Schwächen bei der Rechtschreibung, ich mäkelte an
den Raumschiffen herum und fand seine Charakterisierung der Hauptfigur
an manchen Stellen zu bemüht. Auch den einen oder anderen
dramaturgischen Bestandteil seines Romans fand ich nicht optimal gelöst.
Bereits
am 15. April meldete sich der Autor zurück, er freute sich sehr. Und am
21. Mai lieferte er das komplett bearbeitete Manuskript bei mir ab. Ich
musste es nur noch bearbeiten – das war gut zu machen.
Aber ich
war mir zu diesem Zeitpunkt sicher, mit »Halo 1146« einen richtig guten
PERRY RHODAN-Roman für unser Taschenbuchprogramm »eingekauft« zu haben …
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