Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Wir steckten mitten in der Arbeit am »Sternenozean«-Zyklus. Robert Feldhoff verfasste die Exposés, Rainer Castor kümmerte sich um die Datenrecherche, die Autoren schrieben Romane. Es gab Leser, die konnten mit manchen Aspekten des Zyklus nichts anfangen – etwa der Hyperimpedanz oder der Tatsache, dass so viele Frauen wichtige Rollen hatten. Andere bejubelten ihn.
In dieser Phase diskutierte ich mit Robert über Wege, die wir einschlagen konnten. Ich hatte Angst vor einem negativen Leserecho, er aber argumentierte für einen »Neustart« der Serie: »Wir müssen die Terraner wieder klein machen, wir müssen ihnen eine Rolle geben, in der sie als die Schwächeren gegen größere Mächte antreten können.«
In einem Arbeitspapier aus dem April 2004 schrieb er: »Ein Paradigmenwechsel ist an der Zeit. (…) Mit Band 2300 wird die Negasphäre in der Galaxis Hangay Thema.«
Diese Überlegung kannte ich aus vorherigen Gesprächen, sie klang für mich spannend und nachvollziehbar. Eine Negasphäre war ein großes Thema, das sich aber gut in die bisherige Planung einfügen würde. Wir konnten die Kosmologie unserer Serie weiterentwickeln und spannende Geschichten erzählen, während wir gleichzeitig bekannte Völker aus der Versenkung holten.
Robert dachte noch einen Schritt weiter. »Wir können das behandeln als: ›Wie verhindern Perry & Co. die Entstehung der Negasphäre?‹ Wir können dies aber auch als Wendepunkt benutzen: ›Die Negasphäre entsteht.‹« In einigen Schlagworten stellte er vor, was das für die Serie bedeuten würde: »Das Reich des Bösen. Ein Chaotender wird entsandt. Milchstraße, Andromeda, das alles wird in kurzer Zeit unterworfen. Die Menschheit wird zerstreut.«
Dabei berief er sich bewusst auf William Voltz, dessen Arbeit er bewunderte: Voltz hatte ab PERRY RHODAN 650 einen Teil des bisherigen Serienkosmos zerstört, um Raum für Neues zu schaffen. Das Solare Imperium wurde aufgelöst, die Menschheit zersplittert, die Erde in einen fremden Teil des Kosmos geschoben, Perry Rhodan später sogar ins Exil getrieben.
Doch würden die Leser so eine harte Änderung des Handlungsverlaufs erneut akzeptieren? Wir waren uns beide unsicher.
Wichtig war dem Exposéautor, dass das Geschehen unterm Strich positiv verlaufen sollte. Die Geschichten um die Chaosmächte sollten in einen größeren Zusammenhang eingebettet werden. Er dachte an einen Großzyklus, den wir intern als »Friedensfahrer« bezeichneten. Es sollte also nicht um die negativen Mächte des Chaos, sondern letztlich um die des Friedens gehen.
»Der Zyklus ›Sternenozean‹ ab Band 2200 ist Teil eines neuen Großzyklus«, schrieb er in seinem Arbeitspapier. »Der Großzyklus soll 300 Bände umfassen und endet voraussichtlich mit 2500. Wie bei ›Thoregon‹ praktiziert, werden die kommenden Zyklen durch eine große Handlung verbunden.«
Er stellte die gegensätzlichen Positionen dar: »Die große Bedrohung in dieser Phase ist die Negasphäre, die in der Galaxis Hangay entsteht. Quasi in der Nachbarschaft. Die große Vision ist die Organisation der Friedensfahrer, die (…) den Kampf aufnimmt.«
In dieser Phase wusste Robert Feldhoff noch nicht alle Details zu den Friedensfahrern. Das wollte er bei der anstehenden Autorenkonferenz besprechen. Dazu notierte er Fragen: »Haben sie ein Imperium? Eine dezentrale Organisation, allein verbunden durch die Bahnhöfe der Friedensfahrer? Rückt man sie in die Nähe eines kosmischen Greenpeace? Einer kosmischen GSG 9? Eines Pfadfinderclubs, der durch Alaska, Perry und Co. erst den richtigen ›Zug‹ bekommt?«
Die Hinweise der Kolleginnen und Kollegen waren hilfreich, die Diskussion erbrachte eine Reihe von weiterführenden Ideen. Als Robert Feldhoff sein erstes Konzept schrieb, hatte er solche Dinge bewusst offengelassen. Erst einmal ging es ihm – wie so oft – um eine Struktur, um »das Große Ganze«, dem sich die Details unterzuordnen hatte.
Robert war es wichtig, sich die Dimensionen im All klarzumachen. Wenn man die PERRY RHODAN-Serie in mancherlei Hinsicht konsequent zu Ende denke, argumentierte er oft, käme man zu unangenehmen Schlussfolgerungen. So wäre beispielsweise die Menschheit im Konflikt zwischen Chaotarchen und Kosmokraten völlig unwichtig.
Vor allem würde in solchen Sphären nicht in Jahren, sondern in Jahrtausenden »gedacht«: »Die Entstehung der Negasphäre ist den Kosmokraten selbstverständlich bekannt. (…) Schon innerhalb der kommenden zehntausend Jahre wird mit entscheidenden Maßnahmen gerechnet!« Das war sarkastisch gemeint, und sein Nachsatz betonte das noch. »Ein echter Schnellschuss.«
Eines war bei den bekannt langsamen Reaktionen der Hohen Mächte klar: Die Chaosmächte hätten leichtes Spiel, denn für die Chaoshelfer »stellt die erhöhte Hyperimpedanz (…) keine sonderliche Katastrophe dar.« Nachdem wir dieses Handlungselement im »Sternenozean«-Zyklus eingeführt hatten, war klar, dass der nächste Schritt die Abwehr gegen den Angriff der Chaosmächte sein musste – mit einer chancenlosen Menschheit.
Es würde allerdings eine Organisation geben, die frühzeitig den Kampf gegen die Invasoren aufnähme – dazu hatte der Exposéautor die Friedensfahrer auserkoren. Wie das genau ablaufen sollte, darin mussten die Autorinnen und Autoren noch ein wenig »Hirnschmalz« investieren.
Der Exposéautor machte sich auch schon Gedanken zur Struktur von Band 2300. Das klang im ersten Moment immer ein wenig schlicht, aber ich wusste ja, wieviel bei ihm bereits »im Hinterkopf« ablief. Er machte sich Gedanken über einen neuen Hintergrund für die Milchstraße, auch das war in diesem Arbeitspapier nur kurz angerissen.
Wichtig war allerdings: »Die Kosten der Raumfahrt sind nach wie vor sehr hoch. Die Milchstraße arbeitet an einem umspannenden Transmittersystem, so wie die Portale im Land Dommrath.«
Heute weiß man ja, wie die Zyklen »Negasphäre« und »TERRANOVA« wirklich verliefen, welche Romane geschrieben und veröffentlicht wurden, welche Geschichten gut erzählt werden konnten und welche nicht. In jener frühen Phase, als Robert Feldhoff von den Mächten des Chaos erzählen wollte, ging es ihm aber erst einmal um Strukturen und Ordnung.
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