28 Juni 2019

Von Mr X, der Brücke und den Herreach

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Bei unserer PERRY RHODAN-Besprechung legten Ernst Vlcek und Robert Feldhoff als Exposéautoren sowie ich als Redakteur die Weichen für den »Thoregon«-Zyklus. Dabei konnten wir am 21. und 22. August 1995 fast keinen der späteren Begriffe klar fixieren. Wir hangelten uns an den Ideen entlang, die Robert geliefert hatte, versuchten aber die Konzepte zu berücksichtigen, die wir zuvor mit Dr. Florian F. Marzin entwickelt hatten.

So hieß der geheimnisvolle Unbekannte, der über die Brücke in die Unendlichkeit in das Solsystem kommen sollte, bei unseren Besprechungen mal »Montechristo«, mal »Mr X«. Im Protokoll definierte ich »Mr X« als den »Dieb, von dem der Bohrkopf nach Trokan geschickt wird.« Er sollte sich regelmäßig häuten, und wir wollten, dass diese Häute ein wenig nachleben, »dadurch einen Teil seiner Persönlichkeit« tragen.

Hier legten wir schon einen wichtigen Teil der späteren Handlung um Alaska Saedelaere fest, auch wenn wir das noch nicht wussten: »Wer in die Häute reintritt oder sie berührt, wird von ihnen übernommen, nimmt daraufhin Teile des Charakters und der Eigenschaften von Mr X an«, notierte ich im Protokoll.

Wir definierten eine Reihe von Dingen, die wir im Verlauf der weiteren hundert Bände erst thematisieren wollten. So lagen uns zur Brücke in die Unendlichkeit weitere Ideen vor. Wir beschlossen, dass Perry Rhodan diese Brücke jahrelang gesucht habe, »unter anderem auf Khrat« – was wir später nie wieder aufgriffen –, dass wir das aber erst später erzählen wollten.

Ich notierte zudem etwas, das wir als »Heliotische Bahn« bezeichnet hatten: Rhodan sollte »nach der Handlung im Arsenal Hinweise auf ein Bauwerk« finden, »das in der Milchstraße errichtet werden soll«. Das sollte einen »wichtigen Hinweis für die Leser« legen, der aufgrund der Kultur und des Aussehens auf die Helioten oder Galornen verweisen würde. (Zu dieser Zeit gab es nur diese Begriffe; wir wussten weder über das Aussehen dieser Außerirdischen etwas, noch hatten wir konkrete Pläne zu der Rolle, die sie spielen sollten.)

Wir legten fest, wie das Volk hieß, das sich auf Trokan entwickelt. Zudem machten wir uns klar, dass es eine Psi-Fähigkeit haben würde. »Dann gibt es auf einmal im Sonnensystem zwei Zivilisationen«, freute sich Robert. »Das gibt Raum für mögliche Konfrontationen.« Was wäre, wenn sich die Herreach beispielsweise einmal einem gegnerischen Imperium anschließen würden? Wie würde sich in einem solchen Fall die Menschheit verhalten?

Das Protokoll blieb an weiteren Stellen sehr ungenau, sicher auch deshalb, weil die Herreach sowieso von Robert entwickelt wurden und er nach dieser Besprechung freie Hand hatte: »Wenn sie gemeinsam meditieren, können die H. eine Art Massen-Psi-Wall erzeugen, können viel anrichten (je mehr, desto besser).« Immerhin machten wir uns schon Gedanken zur weiteren Handlung, ohne zu diesem Zeitpunkt aber etwas von Goedda zu ahnen: »Gegen Zyklusende könnten sie so die große Invasion der Cortez stoppen.«

Einige handlungsrelevante Details besprachen wir bereits sehr früh; dabei ließen wir uns von einer klassischen Science-Fiction-Geschichte aus den fünfziger Jahren beeinflussen. Ganz eindeutig stand Isaac Asimovs Story »Nightfall« Pate für die Dämmerlicht-Idee: »Auf Trokan herrschte ewig lang Dämmerlicht, weil kein ›richtiges‹ Licht durchkam. Als der Planet langsamer wird, sehen die H. auf einmal die richtige Sonne und richtige Sterne …« Sie erleiden einen Schock, als sie das Licht erblicken, es gibt Chaos und Panik. Nach dem Schock tragen die Herreach dann alle Kutten, weil sie mit der neuen Welt nicht klarkommen.

Robert Feldhoff machte sich Gedanken über die Sonne und ihr Licht: Wenn sich Trokan so rasend schnell dreht, wie er es konzipiert hatte, dürfte ja nur ein Bruchteil des Sonnenlichts auf die Oberfläche des Planeten fallen. »Anstelle einer Sonne sehen die Herreach irgendwelches Dämmerlicht mit Lichtwirbeln am Himmel, mehr nicht«, notierte ich.

Roberts weitere Überlegung: Man müsste einen solchen Wirbel auch von außen wahrnehmen können, von Raumschiffen aus beispielsweise. Myles Kantor, so sein Gedankengang, könne einen solchen »Zeit-Raum-Wirbel pro Monat berechnen«, womit man beispielsweise Bilder von der Oberfläche des Planeten erhalte.

Wir kamen im Verlauf der Besprechung auch schon zu den Inhalten der Romane; vor allem Band 1800 sollte für uns sehr wichtig sein. Als Florian F. Marzin noch Chefredakteur gewesen war, hatten wir bereits definiert, dass in den Roman ein Risszeichnungsposter sollte. Darauf wiederum wollten wir die GILGAMESCH präsentieren, Rhodans neues Raumschiff ab Band 1800.

Dieses Schiff musste Robert Feldhoff im ersten Band des neuen Zyklus präsentieren. »Wichtig in dem Roman«, notierte ich darüber hinaus, »Hintergrund zur Milchstraße soll geliefert werden.« Dass der Autor dabei eigentlich einen komplett neuen Aufbau für die PERRY RHODAN-Serie zu liefern hatte, der vor allem für ein Jahrzehnt und länger gelten würde, war uns zu diesem Zeitpunkt nicht klar.

Wir entwickelten an diesen Tagen eine klare Chronologie für die kommende Handlung: die Entwicklung der Herreach in Band 1801, die ersten Kontakte zwischen Herreach und Menschen in Band 1802, weitere Hintergründe zur Situation in der Milchstraße. Wo aber sollte »Mr. X«, wie wir den geheimnisvollen Ursprung des gesamten Trokan-Konzeptes bisher nur nannten, zum ersten Mal auftauchen? Direkt auf Trokan, dem neuen Mars also, oder vielleicht sogar auf der Erde? Und wann genau wäre es sinnvoll, diese neue Figur in die Handlung zu bringen?

Ich war auf jeden Fall schon sehr schnell sehr zufrieden mit dem Verlauf unserer Exposébesprechung. Dabei hatten wir uns noch lange nicht mit allen Details der kommenden Handlung beschäftigt.

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