Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Das Jahr 1984 wurde im Verlauf des Sommers immer seltsamer. Ich hatte die Schule hinter mich gebracht und das Abitur in der Tasche, mit dem ich nichts anzufangen wusste, träumte von einer Karriere als Schriftsteller und musste bald zur Bundeswehr. Zu den wenigen Konstanten in diesem turbulenten Jahr zählte die PERRY RHODAN-Serie.
Nicht jeder Roman gefiel mir, durch manchen Band quälte ich mich. Längst war ich kein »beinharter« PERRY RHODAN-Fan mehr. Ich kannte die Serie gut genug, um ihre Stärken und Schwächen für mich einschätzen zu können. Andere Science Fiction fand ich teilweise viel faszinierender, ich mochte vor allem amerikanische Schriftsteller. Von diesen las ich die Klassiker ebenso wie neue Romane.
Aber PERRY RHODAN war die Serie, die ich seit Jahren verfolgte, die einen großen kosmischen Rahmen hatte, den ich nach wie vor faszinierend fand. Auch wenn mir nicht alles gefallen konnte, war ich auf den anstehenden Jubiläumsband sehr gespannt.
»Das gute Dutzend ist voll – PERRY RHODAN feiert zum zwölften Mal Jubiläum.« Mit diesen Sätzen begann William Voltz seinen Ausblick. Präsentiert wurde er im Rahmen der Leserbriefseite der PERRY RHODAN-Serie, die zu jener Zeit von Horst Hoffmann zusammengestellt wurde. Der Text des Exposéautoren kam in Band 1199.
»In diesen Tagen erscheint der 1200. Band der erfolgreichsten Science-Fiction-Publikation der Welt überhaupt« – so setzte Voltz seine Einleitung fort. Ich hatte ihn nie kennengelernt, hatte ihm nur einmal die Hand gedrückt, als ich auf dem PERRY RHODAN-WeltCon in Mannheim vor ihm gestanden war, und einige Briefe gewechselt.
Mit großer Spannung las ich auf dieser Leserkontaktseite, was der Autor mir mitteilte. Voltz verwies auf den Inhalt des kommenden Romans und das titelgebende Wesen namens Ordoban: »Es blieb lange im Dunklen, ob Ordoban nur ein Mythos, eine Institution, ein Lebewesen oder eine wie auch immer geartete Prothese eines fremdartigen Organismus ist.« Der anstehende Jubiläumsband würde die »endgültigen Antworten auf all diese Fragen« liefern, versprach der Autor. In diesem Roman werde die »schicksalsträchtige und dramatische Geschichte eines ungewöhnlichen Raumfahrers erzählt«.
Solche Aussagen fielen oft, wenn es um PERRY RHODAN ging. Nachdem ich aber ein Jahr lang die Geschichten um die Endlose Armada gelesen hatte – teilweise mit großer Begeisterung angesichts vieler Ideen –, glaubte ich seiner Aussage, ein »atemberaubendes Science-Fiction-Abenteuer in Raum und Zeit« erleben zu können. Immerhin verriet mir der Autor, dass eine Handlungsebene des neuen »Chronofossilien«-Zyklus in der Milchstraße liegen würde, was mich kaum überraschte, während die andere in der geheimnisvollen Tiefe spielen würde.
Die Aussagen zu den Chronofossilien fand ich seltsam. Sie sollten ein »ureigenes Stück von Perry Rhodans Persönlichkeit und Seele« enthalten. Mit Begrifflichkeiten wie »Seele« konnte ich nicht viel anfangen, das klang für mich zu religiös. In welche Richtung sollte sich in diesen Romanen die PERRY RHODAN-Serie entwickeln?
Klarer waren die Aussagen, die der Autor zur eigentlichen Handlung traf: »Den Bemühungen Perry Rhodans und seiner Freunde stehen die Mächte des Chaos feindlich gegenüber.« Er verwies darauf, dass Rhodan »vielen alten Völkern« aus der Seriengeschichte begegnen und auch »mit Ereignissen aus der Vergangenheit« konfrontiert werden würde. Das klang interessant. Ich wollte schon lange wissen, was eigentlich mit den Blues war, mit den Halutern oder Akonen. Viele dieser Völker spielten in der Serie seit vielen hundert Romanen eine untergeordnete Rolle.
Spannend fand ich die Hinweise auf Atlan, meine Lieblingsfigur seit Jahren. Er sollte in DIE TIEFE reisen – in diesem Text übrigens in Großbuchstaben geschrieben –, wo er auf Raum-Zeit-Ingenieure und dergleichen treffen würde. Das wiederum klang sehr phantastisch, auch wenn ich mir noch nicht viel darunter vorstellen konnte. Wie sollten Ereignisse in diesem seltsamen Bereich des Universums mit der Milchstraße und der Erde zusammenhängen?
Horst Hoffmann wies auf dieser Leserkontaktseite auch auf den Jubiläumsband und seine Ausstattung hin. Damals kannte ich den Autor noch nicht persönlich, aber ich schätzte seine Romane, seine Leserseite und die Cartoons, die er immer wieder einstreute. In meinem Besitz hatte ich zudem einige Fanzines, die er in den 70er-Jahren veröffentlicht hatte und in denen ich ihn als politisch wachen sowie humorvollen Science-Fiction-Fan wahrnahm. Wenn er etwas schrieb, nahm ich das stets ernst und fand es wichtig.
Für Band 1200 versprach er »viele Extras«, zu denen unter anderem ein »erweiterter Umfang mit Listen und Sonderbeiträgen« gehörte. Leider konnte er gar nicht viel verraten, was ich nicht verstand – der Band sollte doch eine Woche später schon veröffentlicht werden. Aber »zu dem Zeitpunkt, da ich diese Zeilen schreibe«, so Horst Hoffmann, seien »noch nicht alle Details der Herstellung festgelegt«. Das machte mich erst recht neugierig.
Ich war in diesem Sommer 1984 also gespannt: Wie würde der Band 1200 aussehen, was würde in ihm erzählt werden, und wie hatte ich mir den kommenden »Chronofossilien«-Zyklus eigentlich vorzustellen?
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