Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«:
Bei der PERRY RHODAN-Konferenz am 7. und 8. Februar 1999 wurden
grundlegende Weichen für die Zukunft der Serie gestellt: Mit den
Exposéautoren Ernst Vlcek und Robert Feldhoff besprach ich die Romane,
die nach dem Jubiläumsband 2000 kommen sollten.
Vor allem am
Montag, 8. Februar, wurden viele Ideen entwickelt; das lag womöglich an
den wechselnden Lokalitäten, die wir in der Innenstadt von Karlsruhe
wählten. Im Frühstückssaal des Hotels, in dem die Autoren untergebracht
waren, fixierten wir endgültig, wer den Band 2000 schreiben sollte. Ernst Vlcek und Robert Feldhoff sollten diesen außergewöhnlichen Jubiläumsroman zusammen verfassen, jeder mit einer eigenständigen Handlungsebene.
»Wir
machen's generationenmäßig«, schlug Ernst Vlcek mit dem ihm eigenen
Humor vor. »Ich übernehm' die Vergangenheit, und Robert greift in die
Zukunft.« Das fanden wir alle gut, und so wurde es letztlich umgesetzt.
Wobei
sich unsere Ideen zur Zukunftshandlung noch eher bescheiden lasen:
»Robert wird in diesem Roman die zwanzig Jahre beschreiben, die
zwischendurch vergangen sind«, verrät das Protokoll von damals. »Bei
einer Zeremonie in der Solaren Residenz« solle ES einen Zellaktivator
verleihen, dieser solle an Monkey gehen, und dabei solle die
Superintelligenz – vertreten durch einen Boten – die Geschichte ihrer
geheimnisvollen Vergangenheit enthüllen.
Ernst Vlcek sollte die
Geschichte eines uralten Volkes erzählen, das vor vielen Jahren »mit
Mann und Maus vernichtet« worden war; aus den Überlebenden habe sich
irgendwann die Superintelligenz ES entwickelt. Die junge Wesenheit habe
sich zuerst in die Galaxis Fornax geflüchtet, dann aber in die
Milchstraße, wo sie »organische Helfer« gesucht habe. Diese erwiesen
sich als eine »Gruppe von Primaten, die in einem Sonnensystem wohnten,
das aus einer gelben Sonne und zehn Planeten bestand« – bei dieser
Besprechung legten wir also die Zusammenhänge zwischen ES und der
Menschheit fest.
Auf eine Idee von Ernst Vlcek, der schon immer
die ESTARTU-Romane gemocht hatte, ging darüber hinaus der Zusammenhang
zu der Superintelligenz ESTARTU zurück. Nach Ernsts Überlegung handle es
sich dabei um »eine Art Schwester, die von der Ur-Galaxis in eine
andere Galaxis flieht, um dort eine neue Existenz beginnen zu können«.
Wie
sollten wir die neue Handlungsebene starten? Der Band 1000 hatte vor
zwanzig Jahren eher ruhig angefangen, wir wollten alle mehr Action
haben.
»Das wird eine starke Szene!«, freute sich Ernst Vlcek
schon im Voraus, als wir festlegten, wie wir Band 2000 beginnen lassen
wollten. Das Protokoll äußert sich hierzu sehr eindeutig. »Erste Szene
der Vergangenheits-Handlung sollte sein: Eine dunkelgrüne Echse killt
den letzten der ES-Urrasse. Das ist die Geburtsstunde von ES.«
Nach
dem Mittagessen, das wir in einer nahe gelegenen Pizzeria einnahmen und
das eher einem Imbiss ähnelte, wechselten wir den Konferenz-Ort. Wir
gingen in meine Wohnung. Was ich nicht berücksichtigt hatte, war die
Tatsache, dass Ernst Vlcek ein starker Raucher war und sich auch durch
Bitten und Betteln nicht davon abhalten ließ, eine Zigarette nach der
anderen zu konsumieren ... Immerhin durfte ich zwischendurch trotz der
niedrigen Außentemperatur ein wenig lüften – den Geruch nach Tabakrauch
bekam ich aber für gut zwei Wochen nicht aus dem Wohnzimmer.
In
der Wohnung konnten wir auch Musik hören und Comics durchstöbern. Ernst
ließ sich Bands wie MASSIVE ATTACK vorspielen (nach der eher krachigen
Musik am Vorabend sicher eine Erholung), während Robert sich über
obskure Comics amüsierte. Gearbeitet wurde dennoch – und zwar erneut am
laufenden Zyklus. Wir durften schließlich nicht nur über die ferne
Zukunft sprechen, sondern mussten auch ans Aktuelle denken.
Wie
sich die Beziehung zwischen Mondra Diamond und Perry Rhodan entwickeln
sollte, war ebenso ein Thema der Runde wie die Beziehung der beiden zu
ihrem Sohn Delorian. »Kommen Delorian und Roi Danton überhaupt
miteinander aus?«, fragte Ernst beispielsweise, der bereits im
»wirklichen Leben« seine Erfahrung mit zwei Söhnen gesammelt hatte. Und
Robert überlegte sich, ob Perry Rhodan seinen jüngsten Sohn »überhaupt
jemals sehen« sollte ...
Darüber hinaus legten wir fest, was die
Solare Residenz eigentlich sein solle: In der ursprünglichen Form
handelte sich schlicht um eine »Plattform mit etwa 250 Metern
Durchmesser«, die tausend Meter hoch sein und in einer Höhe von
vielleicht einem Kilometer über dem alten HQ-Hanse schweben sollte. »Es
gibt einige runde Terrassen rings um das Bauwerk, auf denen Space-Jets
landen können«, ergänzte die Beschreibung, aus der letztlich später die
Form der »Stahlorchidee« werden sollte.
Uns kam es zu diesem
Stand vor allem darauf an, wie man eine packende Handlung dazu schreiben
konnte. So stellte sich Robert bereits vor, wie faszinierend ein
Antigravlift »vom HQ-Hanse bis hoch zur Solaren Residenz« sein könnte.
»Durch diesen durchsichtigen Antigravlift können sich mutige Menschen
rund 1000 Meter hoch tragen lassen; das ist was für Mutige, die die
Solare Residenz besichtigen wollen.«
Festgelegt wurden einige
Begrifflichkeiten wie das »holografische Museum, das terranische und
galaktische Geschichte zeigt« oder »das Restaurant Marco Polo«, das
drehbar sein sollte. Wir definierten den Fusionsantrieb, weil wir schon
wussten, dass die Solare Residenz einmal fliehen sollte, und wir
vergaben einen Namen für den Computer: Er sollte LAOTSE heißen.
Die
Solare Residenz sollte ein weiterer Baustein für eine möglichst
vielfältige und abwechslungsreiche Romanhandlung nach Band 2000 sein ...
Wir waren sicher, dass ein spannender Zyklus auf uns zukommen würde.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen