Ein Logbuch der Redaktion
Seit die Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel in den 90er-Jahren damit anfing, Seminare anzubieten, die sich ausdrücklich an Leute richten, die Science Fiction und Fantasy schreiben, blieben die Themen meist offen: Es ging um den Roman oder die Kurzgeschichte, vielleicht auch den Anfang einer Geschichte oder konkret um das Schreiben von Dialogen.
In diesem Spätsommer 2022 gab es aber eine inhaltliche Einschränkung: »Macht und Geld« standen im Zentrum und wurden so auch auf dem Titel des Seminars genannt.
Der Hintergrund war: Wir wollten ein politisches Thema ausprobieren. Wie lässt sich in der phantastischen Literatur ein Thema unterbringen, das eher als verkopft gilt oder stark in unserem täglichen Leben verankert ist? Ist es überhaupt sinnvoll, sich in einem Science-Fiction- oder Fantasy-Roman zu viele Gedanken darüber zu machen, wie die Figuren handeln, ihr Geld verdienen oder schlichtweg arbeiten?
Kathrin Lange und ich wirkten bei diesem Seminar als Dozenten, Dr. Olaf Kutzmutz steuerte als Literarischer Leiter die Veranstaltung. Im Vorfeld war aus Texten der teilnehmenden Personen ein sogenannter Reader erstellt worden, den wir alle erhalten hatten und den ich in den Tagen vor dem Seminar gründlich durcharbeitete. Ich las die Texte, ich markierte Stellen, die mir gut und weniger gut gefielen, und ich machte weitergehende Notizen.
Die Geschichten waren sehr unterschiedlich: Science Fiction aus der fernen Zukunft, Fantasy in einem klassischen Umfeld, wie man es auch aus dem »Herrn der Ringe« kennt, Science Fiction aus einer ganz nahen Zukunft, in der man mit persönlichen CO2-Zertifikaten handelt – und so weiter. Wie spannend das alles war, merkte ich aber erst im Verlauf des Seminars.
Die Anreise erfolgte am Freitag, 2. September 2022. Mit Kathrin Lange und Olaf Kutzmutz saß ich in einem Café zusammen, wo wir – schön die Sonne genießend – den Verlauf des Seminars im Detail festlegten. Wir hatten vorher telefoniert und Mails ausgetauscht, nun ging es um die Feinheiten. Und gleich darauf ging das Seminar los.
An diesem Tag erzählte ich viel von meiner Arbeit. Im Werkstattgespräch, das sich an eine Vorstellungsrunde anschloss, zeigte ich auf, wie sich die Darstellung von Geld in der PERRY RHODAN-Serie geändert hatte. Früher hatte man sich über Geld nicht so viele Gedanken gemacht und war davon ausgegangen, dass das aktuelle System in der Zukunft weiter bestehen würde. Homer G. Adams und die General Cosmic Company waren letztlich nichts anderes als die Figuren eines Wirtschaftskrimis auf Basis von Aktiengesellschaften.
Seit einigen Jahren gehen wir in unserer Serie davon aus, dass es auf der Erde praktisch kein Geld mehr gibt. Alles, was die Menschen brauchen, wird von Robotern hergestellt, und eine Künstliche Intelligenz auf dem Mond steuert nicht nur das Wetter, sondern auch weite Teile der Verwaltung. Güter des täglichen Bedarfs kosten also nichts; niemand muss für seine Frühstücksbrötchen bezahlen. Doch wie kann man daraus eine spannende Handlung gestalten?
Von solchen Fragen gingen wir an diesem Wochenende öfter aus. Wir sprachen – verteilt auf die drei Tage – nacheinander alle Texte durch, die mit dem Reader eingereicht worden waren. Die Diskussionen waren durchaus kontrovers, aber man muss ja nicht immer und zu allen Themen die gleiche Meinung haben. Was mir gut gefiel: Alle waren freundlich und aufmerksam, und bei den Diskussionen ging es stets darum, einen besseren Weg für den Text zu finden.
Am Samstagmorgen hielt Kathrin Lange einen Vortrag zum Weltenbau. Ich schätze die Kollegin sehr für diese Vorträge, weil sie in diesen viele Fragen grundsätzlich beantwortet und den Autorinnen und Autoren stets wichtige Hinweise gibt. Wie kann man eine phantastische Welt konstruieren, wie geht man dabei vor, und welche Punkte hat man zu beachten? Davon leitete sie eine Methode ab, die einem helfen kann, phantastische Ideen zu erarbeiten – aus dieser Methode wiederum entwickelten wir eine Schreibaufgabe.
Die Autorinnen und Autoren mussten sich eine Geschichte ausdenken, die mit Geld zu tun hatte. Wir verlangten von ihnen zu dieser Idee einen Entwurf und die ersten Zeilen. Als die neuen Texte nach der Mittagspause vorgestellt wurde, fanden wir die Ergebnisse allesamt spannend: Die Welten waren vielseitig, die Ideen sowieso, und bei vielen Stoffen, die nach einer solchen Übung präsentiert wurden, kam als Rückmeldung ein »So ein Buch würde ich mir kaufen« ...
Letztlich bestand unser Seminar also aus einer großen Schreibübung, einem großen Vortrag, vielen kleineren Vorträgen – wie baut man korrekt Absätze? – sowie sehr vielen Diskussionen und Gesprächen über Texte und wie man sie schreibt oder mit ihnen arbeitet. Abends hörte das Seminar stets um halb zehn Uhr auf, aber wir saßen meist bei dem einen oder anderen Bier bis nach Mitternacht zusammen. Bei diesen Gesprächen ging's auch um das Persönliche, meist aber drehten sie sich doch um das Schreiben und die schriftstellerische Arbeit.
Am Sonntag endete das Seminar mit einer abschließenden Runde, in der Kritik geübt und Lob verteilt wurde. Ich hatte das Gefühl, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars mit positiven Empfindungen nach Hause fuhren. Als ich am frühen Nachmittag Wolfenbüttel verließ, hatte ich auf jeden Fall ein beschwingtes und gutes Gefühl.
(Dieses Logbuch der Redaktion wurde am 16. September 2022 erstmals auf der Internet-Seite der PERRY RHODAN-Serie veröffentlicht. Das hier ist also eine Nachveröffentlichung zu dokumentarischen Zwecken.)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen