10 Dezember 2019

Gedanken zu den Herrschern des Schwarms

Ein Logbuch der Redaktion

Ich habe es oft genug erzählt: Wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, lege ich häufig ein Hörbuch in das CD-Laufwerk ein und lasse mich davon unterhalten. Zuletzt fuhr ich mit »Herrscher des Schwarms« durch das Land, gelesen von Josef Tratnik.

Den »Schwarm«-Zyklus hatte ich als Jugendlicher gern durchgeschmökert, und ich finde ihn auch heute noch gut: Viele Dinge, die für die PERRY RHODAN-Serie von zentraler Bedeutung sind, wurden in diesem Zyklus erstmals angelegt. 
 
Die Terraner kommen in Kontakt zu Mächten, die offenbar seit Jahrmillionen aktiv sind. Sie verfügen über ein technisches Wissen, das ihnen ermöglicht, Sonnensysteme oder sogar eine wandernde Kleingalaxis über Tausende von Lichtjahren zu transportieren.

Dass es nicht nur einen Schwarm gibt, sondern mehrere Schwärme, und dass diese mit den Kosmokraten in Verbindung stehen, wusste niemand, als der »Schwarm«-Zyklus entstand. Aber die Ideen von William Voltz ebneten damals den Weg zur kosmischen Phase der Serie.

Während ich die einzelnen Kapitel anhörte, die auf Romanen der frühen 70er-Jahre basierten, stellte ich immer wieder fest, dass manches richtig gut klang, manches aber sehr antiquiert. Als junger Leser hatte mich vieles nicht gestört, das ich als Erwachsener eher seltsam fand.

Damit meine ich ausdrücklich nicht die manchmal altmodische Technik (heute weist ein Smartphone eine höhere Rechenleistung auf, als die Autoren damals den Positroniken zubilligen wollten), sondern eher gesellschaftliche Themen. Und ich frage mich oft, ob man das hätte redigieren müssen oder ob es besser ist, manche Dinge bewusst »altmodisch« zu lassen.

Das Hörbuch beginnt mit zwei Romanen von William Voltz, die mir über all die Jahre und Jahrzehnte hinweg in guter Erinnerung geblieben sind: Die fünfte Kolonne der Terraner dringt mithilfe einer Sextagoniumbombe in den Schwarm ein, errichtet auf einem Planeten, der von Plasma überwuchert ist, einen Stützpunkt und sammelt im Verlauf des Geschehens viele Informationen. 
 
Das ist nach all den Jahren immer noch gut zu lesen – und zu hören –, und man merkt, dass sich der Autor sehr genau überlegt hat, wie er seine Helden in die Handlung bringt. So müssen Figuren wie Ribald Corello und Alaska Saedealere schließlich im jeweils richtigen Moment ihre Fähigkeiten einsetzen …

Die Romane, in denen die Wissenschaftler Blazon Alpha und Blazon Beta aus dem Schwarm kommen und es die Terraner erstmals schaffen, die Raumschiffe des Schwarms massiv zurückzuschlagen, gefielen mir beim erneuten Anhören ebenfalls. Spannend fand ich die Nöte der Gelben Eroberer, nachvollziehbar fand ich die Action.

Als eher seltsam empfand ich beim Anhören die von H. G. Francis stammende Episode mit der Kaninchenschwemme an Bord eines terranischen Raumschiffes. Ich erinnere mich nicht mehr an den betreffenden Roman und meine damalige Lektüre, nehme aber an, dass ich das als Jugendlicher witzig fand. Aber die Darstellung im Hörbuch fesselte mich nicht mehr. Hätte man sie bei der Bearbeitung des Silberbandes herauslassen können? Wäre es nicht besser gewesen, auf die Witze zu verzichten, oder machen diese den Charme des Buches aus?

Noch heikler wird es in einer Episode mit Tatcher a Hainu. Weil der Marsianer auf einer Welt landet, die von Außerirdischen besiedelt wird, deren Kultur von Frauen dominiert ist, beschließt er, für die Männer die Emanzipation einzuführen. Er möchte ihnen Kenntnisse von Viehzucht und Jagd vermitteln, damit sie künftig die Frauen in die zweite Reihe verbannen können. Emanzipation heißt also, dass künftig die Männer das Sagen haben.

1971 war das wahrscheinlich als Satire auf die aktuelle Frauenbewegung gemünzt; als ich das 2019 anhörte, fand ich es unpassend. Hätte man diese Episoden bei der Silberband-Bearbeitung streichen müssen? Ich hätte es sicher getan. Horst Hoffmann hat sich dafür entschieden, die klassischen Texte an dieser Stelle kaum zu verändern – aus Respekt vor dem Original. Wer hätte recht? Der Bewahrer oder der Veränderer?

Den Abschluss des Silberbandes und damit der Silber-Edition bildet übrigens ein Voltz-Roman. Da stolperte ich eher über Ungereimtheiten in der Handlung, die ich womöglich geändert hätte. Aber auch hier gilt: Was muss man an alten Romanen verändern, damit sie für so eine modernisierte Ausgabe besser sind, und was würde dazu führen, dass die klassischen Geschichten eher »verschlimmbessert« werden?

Ich weiß das bis heute nicht. Ich weiß aber: »Herrscher des Schwarms«, gelesen von Josef Tratnik, hat mir wieder viel Freude bereitet.

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