Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«:
Nachdem wir über zwei Jahre lang die ersten Erfahrungen mit E-Books
gesammelt hatten, stellte Frank Borsch im Oktober 2002 die vorhandenen
Fakten zusammen und präsentierte eine Strategie für die Zukunft. Das
interne Arbeitspapier diente uns in den folgenden Jahren als Grundlage
für alle weiteren Überlegungen in Sachen E-Books.
Ein wichtiger
Grund für uns, ein seriöses Angebot für E-Books aufzubauen, war die Flut
von teilweise mies eingescannten Raubkopien, die seit einiger Zeit die
Tauschbörsen überfluteten. Wer wollte, konnte sich bei einschlägigen
Internet-Seiten, die oft über russische Server liefen, sehr viele
eingescannte Bücher besorgen; darunter war selbstverständlich schon
PERRY RHODAN.
Aber bis wir so weit waren, ein vernünftiges
Angebot bereitzustellen, mussten einige Grundlagen erarbeitet werden.
Die Strategie, die wir uns ausgedacht hatten, war einfach: Wir wollten
unsere Internet-Seite verstärkt in eine sogenannte Shopseite umbauen, so
dass die potenziellen Kunden direkt auf www.perry-rhodan.net ihre
E-Books kaufen konnten. Nur war noch nicht klar, wie sich die Kunden
registrieren sollten und wie – vor allem! – dann eine Bezahlung ablaufen
sollte.
Dass die PERRY RHODAN-Redaktion nicht selbst die
komplette Abwicklung inklusive der Rechnungsstellung übernehmen konnte,
lag auf der Hand. Aber da sich niemand innerhalb des Verlages mit
solchen Themen beschäftigte, mussten wir notgedrungerweise viele Dinge
selbst ausprobieren.
Wir sprachen in dieser Zeit mit Anbietern
von Zahlungssystemen; unsere Partner von der Agentur Trilobit dachten
über ein verstärktes Registrierungssystem auf unserer Internet-Seite
nach. Aber so genau wusste niemand, wohin sich alles entwickeln würde:
Nach dem Zusammenbruch der ersten Internet-Blase, der im Herbst 2002
gerade einmal ein Jahr her war, herrschte große Verunsicherung bei den
Menschen, die sich kommerziell mit dem Internet beschäftigten.
Nach
wie vor wollten wir allerdings nicht den Umsatz der gedruckten
Heftromane gefährden. Das stand auch in Franks Konzept: »Grundsätzlich
bieten wir nur Inhalte an, die nicht oder nicht mit denselben
Eigenschaften wie die E-Book-Version gedruckt erhältlich sind.« Eine
Kannibalisierung der Print-Produkte sollte so vermieden werden, zudem
wurden die E-Books aufgewertet.
Oberste Priorität erhielt die
sechste Auflage: eine »mit Retro-Touch versehene Ausgabe der Heftserie
ab der Nummer eins – wie von Lesern immer wieder nachgefragt.« Schön
wäre dabei, so die Überlegung, ein Abo-System: »Jede Woche gibt es ein
neues Heft, die erschienen kann man einzeln nachkaufen, aber günstiger
ist das Abo.«
An die ATLAN-Serie wurde ebenso gedacht wie an
exklusive Stoffe, »beispielsweise Kurzgeschichten von RHODAN-Autoren«
oder darüber hinaus gehende Inhalte, die wir redaktionell aufbereiten
müssten. Wer sich besonders stark für PERRY RHODAN interessierte, könnte
zusätzliche Inhalte kostenpflichtig über unsere Internet-Seite
herunterladen – was dazu führen würde, dass diese endlich kein
»Minusgeschäft« mehr für den Verlag war.
Es stellte sich noch die
Frage nach den Formaten; Ende 2002 waren ein Kindle oder ein iPhone
absolute Zukunftsvision. »In die engere Wahl kommen die Formate der
Firmen Palm und Adobe«, argumentierte Frank Borsch. Das Adobe-Format war
vor allem für jene Leser interessant, die ihre E-Books ausdrucken und
»auf Papier« lesen wollten, während das Palm-Format in erster Linie jene
Leser ansprach, die ihren Roman am Bildschirm konsumieren würden. Frank
Borsch schlug vor, beide Formate parallel anzugehen.
Immerhin
gingen wir zu diesem Zeitpunkt noch davon aus, dass unser stärkerer
Einstieg in das E-Book-Geschäft »organisatorisch wie technisch
problemlos« umzusetzen sei. Wir würden aber alles selbst steuern: Wir
würden die Daten konvertieren lassen, wir würden sie über unsere
Internet-Seite zur Verfügung stellen, und die Kunden würden direkt beim
Verlag ihre E-Books kaufen. Es sah einfach und logisch zugleich aus ...
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