Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«:
Dass es immer mehr Möglichkeiten gab, PERRY RHODAN-Romane illegal im
Netz zu beziehen, machte uns zu Beginn der Nuller-Jahre immer öfter zu
schaffen. Während die Musikindustrie, die unter ähnlichen Problemen
litt, mithilfe knallharter Rechtsanwälte versuchte, die sogenannten
Piraten zu bekämpfen, überlegten wir intensiv, was wir anders machen
könnten.
Vor allem Miriam Hofheinz, die sich als Marketingassistentin stark mit den E-Books beschäftigte, und Frank Borsch
als Redakteur machten sich Gedanken, was möglich und sinnvoll war. »Wir
dürfen auf gar keinen Fall anfangen, mit der Rechtsanwaltskeule um uns
zu schlagen«, warnte Frank Borsch. »Das geht nach hinten los. Vor allem
machen die meisten Leute, die jetzt die Romane herunterladen, das doch
nur, weil sie keine Möglichkeit haben, an vergriffene PERRY RHODAN-Bände
heranzukommen.«
Ich ließ mich von den beiden Kollegen
überzeugen: Wir würden gegen Leute, die sich einzelne Romane auf
irgendwelchen »Tauschbörsen« besorgten, nicht gerichtlich vorgehen. Aber
wir nahmen sehr wohl die Hilfe unserer Rechtsanwälte in Anspruch, um
gegen besonders dreiste Verletzungen des Urheberrechtes vorzugehen.
Im
Sommer 2003 verschickten die Anwälte die ersten zwei Abmahnungen,
jeweils gekoppelt mit Unterlassungserklärungen; weitere wurden
vorbereitet. Der Grund waren Angebote beim Internet-Auktionshaus ebay.
Allen Ernstes wurde hier »Perry Rhodan eBook Heft 1 bis 2190 auf CD«
angepriesen; man konnte also für kleines Geld unsere Romane ersteigern.
Die Qualität war allerdings mies, es handelte sich um teilweise
erschütternd schlechte Scans von Romanheften unterschiedlicher Auflagen.
Verunsicherte
Leser riefen uns an, sie schickten Mails, auch die Autoren und einige
Erben waren von den Angeboten irritiert. Gab der Verlag etwa so eine
CD-ROM heraus, war das vielleicht eine Methode, die PERRY RHODAN-Romane
erneut zu verkaufen?
Frank Borsch verfasste einen Rundbrief an
die Fans, den wir auch im Internet veröffentlichten: »Was bei ebay
angeboten wurde, sind Raubkopien«, stellte er darin klar. »Nichts
anderes als Diebstahl – in einem Ausmaß, bei dem einem beinahe
schwindlig werden kann. Auf dieser CD ist nicht weniger als das
Lebenswerk eines Clark Darlton, Karl-Herbert Scheer oder William Voltz
und vieler anderer Autoren zu finden.«
In seinem Schreiben griff
Frank zu klaren Vergleichen: »Verscherbelt für ein paar Euro. Perry
Rhodans Flug zum Mond. Das Treffen mit den Arkoniden. Der Vorstoß nach
Andromeda. Die Odyssee der SOL. Die Endlose Armada. Thoregon. Welten der
Phantasie ohne Zahl. Das Ergebnis von über vierzig Jahren harter
Arbeit.«
Er machte darüber hinaus klar, dass die Autoren und ihre
Erben keinen Cent von diesem Geld erhalten würden. Dabei seien sie auf
das Honorar aus Nachdrucken angewiesen. »Autoren sind Freiberufler«,
rief Frank Borsch den Lesern in Erinnerung. »Die Honorare aus
Nachdrucken, aus Sonderausgaben und Neuauflagen sind ein wichtiger Teil
ihrer Altersvorsorge. Und die wird ihnen auf diese Weise gestohlen.«
Das
war der erste Schritt unserer Informationsoffensive. Der zweite war,
dass wir einen offenen Brief der PERRY RHODAN-Autoren initiierten, der
2003 in zahlreiche Tauschbörsen eingestellt wurde, unterschrieben von
allen damaligen Teamautoren. Franks Initiative war auch diesmal, die
Benutzer der Tauschbörsen aktiv anzugehen, sie ernstzunehmen und nicht
als Gegner zu begreifen.
»Du hast diesen Brief von einer
Internet-Tauschbörse herunter geladen«, begann das Schreiben. »Das
beweist uns, dass dir PERRY RHODAN am Herzen liegt – und wir hoffen so
sehr, dass du dir die Zeit nimmst, unser Anliegen zu lesen.«
Es
gehe den Autoren in ihrem Schreiben darum, dass die Serie »auch noch in
vielen Jahren« existiere und »weiterhin Leser mit PERRY RHODAN die Reise
zu den Sternen antreten«. Doch ohne die »Wurzeln in der realen Welt«
könne die Serie nicht existieren.
Das Schreiben sprach Klartext:
»Wir wissen seit geraumer Zeit, dass es ein Projekt von Unbekannten
gibt, alle Titel des Perryversums einzuscannen. In dieser Tauschbörse
kursieren, wie in allen übrigen Börsen, eine Unzahl von gescannten PERRY
RHODAN- und ATLAN-Heften und Büchern. Hinzu kommen gerippte Audio-CDs
und CD-ROM-Images.«
Damit auch jeder verstand, was unser
Rechtsstandpunkt war, blieb das Schreiben bei klaren Worten: »Diese
Kopien sind gestohlen. Die Autoren haben ihrer Herstellung und
Verbreitung nicht zugestimmt, für keine von ihnen haben sie nur einen
einzigen Cent erhalten.«
Der Diebstahl betreffe nicht nur die
aktiven Autoren. Die Gründerväter Clark Darlton und Karl-Herbert Scheer
oder William Voltz, der Visionär der Serie – oder ihre Erben – würden
ebenfalls bestohlen. »Das illegale Herunterladen von PERRY
RHODAN-Büchern und Produkten aus Tauschbörsen schmälert ihr Auskommen –
und wird es in steigendem Maße in der Zukunft tun.«
In dem
Schreiben ging es auch um die nahe Zukunft; wir boten zu dieser Zeit
bereits »eine große Auswahl von PERRY RHODAN-Titeln als legale E-Books«
an, an deren Erlösen die Autoren und Erben beteiligt waren. Das Ziel
war, weitere E-Books zu produzieren. Doch »wie sollen sie Käufer finden,
wenn sie mit illegalen Kopien konkurrieren müssen, die bestenfalls ein
schlechtes Gewissen kosten?«
Das Schreiben unserer Autoren, das
sich an das gute Gewissen der Tauschbörsennutzer richtete, hatte einigen
Erfolg: In Foren wurde darüber diskutiert, auch bei den Tauschbörsen
selbst, sogar die Presse berichtete darüber.
Ob danach die Zahl
der illegalen Downloads zurückging, konnten wir selbst nicht
herausfinden – danach war für uns aber eine weitere Strategie klar: Wir
wollten möglich schnell alle PERRY RHODAN-Romane als E-Books zur
Verfügung stellen, zu einem vernünftigen Preis und in einer möglichst
hervorragenden Qualität.
»Irgendwann wird es die ganze PERRY
RHODAN-Serie digital geben«, gab ich als Ziel aus. Im Jahr 2003 wurde
man dafür noch belächelt ...
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