Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Nach der Frankfurter Buchmesse im Jahr 2002 war es wieder einmal Zeit,
eine Zwischenbilanz zu ziehen. In unseren internen Gesprächen
beschäftigten wir uns immer häufiger mit dem Thema »digitale Bücher«,
wie E-Books damals häufig genannt wurden. Dabei waren die Meinungen in
der PERRY RHODAN-Redaktion durchaus gespalten.
Während ich mir nicht vorstellen konnte, dass sich dieses »elektronische Lesen« so schnell durchsetzen würde, waren vor allem Miriam Hofheinz vom Marketing und Frank Borsch
als Redakteur der Auffassung, wir sollten auf das neue Medium setzen.
»Auch wenn es kein riesiges Geschäft sein wird«, so argumentierte Frank
Borsch immer wieder, »so ist es doch die Zukunft.«
Ich war
skeptisch: »Einen Roman am Computer lesen, das kann ich mir einfach
nicht vorstellen.« Ich stellte mir vor, dass es einmal Mobiltelefone
geben würde, aus denen man gewissermaßen einen Bildschirm ausklappen
konnte – dann hätte man eine »vernünftige Größe«, mit der man besser
lesen könnte.
Frank war anderer Ansicht: »Das wird sich alles
schneller ändern, als wir uns das bislang ausmalen können.« Im Oktober
2002 erarbeitete er ein Konzept für PERRY RHODAN, das die Chancen für
eine starke E-Book-Produktion auflistete. Dabei war die Ausgangslage für
den Redakteur und Autor wichtig: Er dachte stets vom Leser her.
»Das
Lesen am Schirm wird derzeit nur von einer kleinen, aber wachsenden
Gruppe von Lesern angenommen«, konstatierte er. »Dazu trägt eine sich
ständig verbessernde Display-Technologie ebenso bei wie eine sprunghafte
Zunahme der Verbreitung von Handheld-Computern.«
Die
technik-orientierte Leserschaft sei dafür geeignet, sich das neue Medium
anzueignen; die Leser seien »neuen Technologien überaus
aufgeschlossen«. Allerdings liege dieses Potenzial noch weitestgehend
brach. Ein Grund dafür: Unsere bisherigen Versuche, PERRY RHODAN bei
Dienstleistern zu platzieren, waren kaum bekannt geworden – die Partner
hatten sich als nicht stark genug erwiesen.
»Die sind einfach
schlecht präsentiert«, erläuterte mir Frank. Er hatte recht, wie ich aus
eigenen Versuchen selbst wusste. Wer sich im Internet bewegte und nach
PERRY RHODAN-E-Books suchte, landete sehr schnell bei illegalen
Plattformen mit teilweise sehr schlechten Scans und fand die Angebote
der legalen Anbieter nur nach einiger Mühe. Das war nicht sinnvoll, das
schreckte manch ehrlichen Kunden sogar ab.
Frank sah die Zukunft
auf der eigenen Internet-Seite: Mit www.perry-rhodan.net hätten wir doch
»ein hervorragendes Instrument an der Hand«, in direkten Kontakt mit
den Lesern zu treten und ihnen ein vernünftiges Angebot für E-Books zu
machen. Unabhängig davon sollte der Zugang zu PERRY RHODAN so einfach
wie möglich sein.
»Es gibt zahllose Studien, die belegen, dass
die Mehrzahl der Kaufvorgänge im Internet vor dem Abschluss abgebrochen
wird«, argumentierte er. Zudem sei die Konkurrenz der illegalen
Plattformen nur einen Mausklick entfernt. Wer sich bei einer solchen
Plattform anmeldete – und sei es nur bei Plattformen, die auf
irgendwelchen Servern im Ausland betreut wurden –, hatte innerhalb
weniger Minuten sein »Material«, wenngleich in mieser Qualität.
»Wir
müssen unser Angebot dort zu Verfügung stellen, wo unsere Leser es
erwarten«, sagte Frank in mancher Besprechung. »Sie suchen es bei PERRY
RHODAN, also müssen wir es bei www.perry-rhodan.net zur Verfügung
stellen. Wer sich für PERRY RHODAN interessiert, sucht die Seite sowieso
irgendwann auf.«
In seinem Konzept verwies er darüber hinaus auf
die Preise: Diese sollten »deutlich unter denen der Print-Produkte
liegen«. Unsicher waren wir allerdings, welche Produkte wir anbieten
sollten: Würden preiswerte E-Books nicht dazu führen, dass die Leser
irgendwann keine gedruckten Romane mehr kauften? Die Gefahr sahen wir
alle, die Druckauflage sollte stabil bleiben. Franks Alternative: »Eine
Kannibalisierung der Print-Produkte wird dadurch verhindert, dass wir
nur Produkte anbieten, die nicht mehr lieferbar sind.«
Darüber
hinaus schlug er vor, Romane oder Geschichten anzubieten, »die man sonst
gar nicht kaufen oder nicht in dieser Form kaufen kann«. Ausgangspunkt
für alles sei aber, dass wir die Internet-Seite attraktiver gestalteten.
Immerhin verfügten wir »bereits über eine ideale Plattform für den
Verkauf von E-Books«.
Voraussetzung dafür, dass dies so bleibe,
sei aber die »Präsentation von attraktiven kostenlosen Inhalten«. Nur
dann seien die Leser bereit, regelmäßig unsere Internet-Seite zu
besuchen. Es ging stets darum, einen Mehrwert für die Leser zu schaffen,
eine Möglichkeit für sie, die »digitalen Romane« leicht zu erstehen.
Frank
Borschs Arbeitspapier war ein Schritt in die richtige Richtung. Es
schuf die Basis für viele weitere Überlegungen in Sachen E-Books,
wenngleich die Entwicklung im Verlauf der kommenden Jahre ganz anders
verlaufen sollte.
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