Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«
Denke ich an den »Traversan«-Zyklus zurück, habe ich viele Bilder im Kopf. Es war das erste Mal während meiner Zeit als Redakteur, dass wir mit einer neuen Serie aus dem PERRY RHODAN-Kosmos in den Handel gingen. Und wir probierten den für uns neuen Umfang von zwölf Heften aus. Damit etablierten wir das Format der Miniserien, das nach wie vor existiert.
Im Frühsommer 1998 trafen sich Robert Feldhoff und ich in Hamburg. Ich war aus privaten Gründen in der Hansestadt, kombinierte diese aber mit PERRY RHODAN. Für den Exposéautor war es keine allzuweite Anreise.
Im Vorfeld hatten wir telefoniert. »Lass uns über ein Thema sprechen, das vielleicht ein wenig utopisch klingt«, hatte ich Robert gesagt und ihn dadurch neugierig gemacht. Tatsächlich wollte ich nicht über die PERRY RHODAN-Serie sprechen, sondern über einen möglichen »Befreiungsschlag«, wie ich es nannte. Einige Andeutungen hatte ich gemacht, der Autor konnte sich inhaltlich vorbereiten.
In einer Pizzeria in Hamburg-Altona, einige hundert Meter vom Bahnhof entfernt, erläuterte ich Robert die Hintergründe. PERRY RHODAN erschien zu jener Zeit als Heftroman sowie in zwei Nachauflagen; die dritte und die fünfte Auflage jeweils als Doppelbände.
Mit den Taschenbüchern hatten wir ein Problem: In den 90er-Jahren waren sie zuerst bei uns erschienen, also in der Verlagsunion Pabel-Moewig, dann im Heyne-Verlag. Als Robert und ich uns trafen, wurden sie in Lizenz beim Burgschmiet-Verlag veröffentlicht, und dieser wollte zum Jahresende die Reihe einstellen. Immerhin waren die Silberbände nach wie vor sehr erfolgreich.
Der Heftroman galt als eine aussterbende Vertriebsform, aber daran wollte ich nicht glauben. »Ich möchte im Heftroman etwas Neues versuchen«, argumentierte ich. Weil ich wusste, dass sich Robert mit amerikanischen Comics auskannte, nahm ich diese als Vergleich: Serien wie »Batman« erschienen »ongoing«, also in einer Abfolge von Heften, die idealerweise den Charakter von Fortsetzungen hatten. Immer wieder gab es sogenannte Miniserien, die häufig nur vier Bände umfassten, manchmal auch länger sein konnten.
Roberts erste Frage kam direkt: »Wir machen aber nicht nur vier Hefte?«
Wir diskutierten eine Weile über den Umfang einer solchen Miniserie und kamen schnell zu dem Entschluss, genau zwölf Hefte zu nehmen. Der Umfang war überschaubar, das ließ sich gut planen, und hinterher konnte man aus zwölf Romanen ohne großen Aufwand drei Bücher machen. Die Kollegen im Buchvertrieb waren neuerdings gegenüber Experimenten durchaus aufgeschlossen, wie die »Space Thriller« bewiesen hatten.
»Wir machen zuerst die Hefte, dann die Bücher«, schlug ich vor. Und weil wir immer vier Hefte in ein Buch packen wollten, bot es sich an, das beim Inhalt entsprechend zu nutzen. Die Titelbilder wurden ohnehin immer in Vierer-Blocks gedruckt, also wollten wir für je vier Romane einen eigenen Titelbildkünstler einsetzen.
Während wir Pizza aßen und Bier tranken, wechselten wir von der Struktur zu den Eckpunkten einer Handlung. Dass wir mit der Figur des Arkoniden Atlan arbeiten wollten, hatten wir vorher am Telefon besprochen. Robert hatte eine grundsätzliche Idee: Atlan war durch die Zeit- und Jugendabenteuer bereits in der Vergangenheit unserer Serie aufgetreten; es wäre reizvoll, ihn wieder in die Vergangenheit zu schicken.
»Wir nehmen eine Zeitmaschine der Meister der Insel«, schlug Robert vor, »damit reist er in die Vergangenheit, und dort strandet er. Sein Ziel muss dann sein, wieder in die Gegenwart zurückzukommen.«
Robert Feldhoff griff nach einer Serviette und einem Kugelschreiber und malte einige Linien darauf. So entstanden drei große Zeilen, die Raum für Notizen boten, für jeden Viererblock eine, und einige Linien, die längs verliefen; insgesamt fünfzehn Kästchen. Darüber schrieb er Wörter wie »Zeit« oder »Action« oder »Emotion«. Als ich ihn verwundert ansah, meinte er sehr ernsthaft: »Wenn wir Atlan als Hauptfigur haben, brauchen wir auch eine Liebesgeschichte. Das passt zu ihm.«
Im Verlauf des Abends legten wir die Eckpunkte fest. Robert hatte vorgearbeitet und präsentiert mir einige Ideen. Die Welt Traversan, die zu diesem Zeitpunkt noch keinen Namen hatte, stand ebenso fest wie Tamarena, in die sich Atlan verlieben sollte. Die insgesamt fünfzehn Kästchen, die Robert auf die Serviette skizziert hatte, füllten wir mit Ideen, die vor allem strukturell waren und noch nicht auf die Details der einzelnen Romane eingingen.
Wir fixierten grob, wie Atlan zuerst auf Traversan Fuß fassen sollte, um die Welt zu verteidigen. Danach erst sollte er nach Arkon aufbrechen, um dort weitere Abenteuer zu erleben und letztlich dazu beizutragen, dass irgendwann einmal der Robotregent entstünde. Wir fixierten die Entwicklung von Tamarena und ihr Verhältnis zu Atlan. Und wir notierten, wann welche Fortschritte in der Handlung erfolgen sollten.
Eins war uns bewusst: Die Exposés durften nicht zu umfangreich sein. Niemand von uns konnte einschätzen, ob und wie das Projekt funktionieren würde. Noch war nicht sicher, ob ich mit meinen Ideen bei der Geschäftsleitung etwas erreichen konnte. Entsprechend schlank sollte das Projekt ablaufen – schließlich musste das die Redaktion quasi nebenbei stemmen.
Wir legten zudem die Autoren fest. Es war klar, dass Robert den ersten Roman schreiben sollte, ebenso war klar, dass wir mit Hubert Haensel und Peter Terrid Autoren an Bord haben würden, die bei den Lesern gut ankamen und die actionreiche Geschichten erzählen konnten. Ebenso musste Hans Kneifel als Atlan-Spezialist dabei sein.
Über Rainer Castor sprachen wir längere Zeit. Wir kannten ihn kaum, ich wusste aber, dass er sich unglaublich gut mit unserer Serie auskannte. Wir überlegten uns, dass er für Robert die Recherchen im Hintergrund leisten konnte; er sollte aber ebenfalls einen Roman schreiben, vielleicht sogar zwei. Mit Rainer Hanczuk und Frank Borsch wollte ich zudem zwei junge Autoren ausprobieren, von deren Stilproben ich sehr überzeugt war.
Als Robert und ich die Pizzeria verließen, hatte ich ein gutes Gefühl. Er steckte die Serviette ein, die nicht nur fünfzehn vollgeschriebene Kästchen enthielt, sondern die auch mit zahlreichen weiteren Notizen übersät war.
Die nächsten Wochen waren hektisch. Ich schaffte es, im Verlag alle relevanten Personen zu überzeugen; das Projekt konnte starten. Robert schrieb die Exposés und legte die Grundlagen fest, die Zusammenarbeit mit Rainer Castor lief hervorragend an – und im Oktober erschien unter dem Serientitel »Atlan – Das absolute Abenteuer« das erste Heft des »Traversan«-Zyklus.
Die Serviette habe ich übrigens leider nicht mehr. Die hat Robert in seiner unsentimentalen Art weggeworfen.
(Dieser Text wurde bereits im November 2023 auf unserer Internet-Seite veröffentlicht, nachdem wir ihn zuvor in einem Heft abgedruckt hatten. Hier wiederhole ich ihn zur Dokumentation.)
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