13 August 2015

Erste Gedanken zum späteren EuroCon

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Im Frühjahr des Jahres 1990 hatte ich die Nase voll von Cons, zumindest von denen, die ich selbst organisiert hatte, allein oder mit Freunden zusammen. Zehnmal hatte ich nach Freudenstadt eingeladen, und von Jahr zu Jahr waren mehr Leute zu den Science-Fiction-Veranstaltungen im Schwarzwald gekommen. Der FreuCon hatte sich seit 1981 zu einer Art Marke für witzige und nicht unbedingt seriöse Cons entwickelt.

Im Frühjahr 1990 dachte ich: »Jetzt reicht's.« Wir hatten das sogenannte Kreishaus gemietet, wir hatten gezeigt, dass wir eine seriöse Veranstaltung machen konnten, und wir hatten rund 200 Science-Fiction-Fans mit einem abwechslungsreichen Programm unterhalten und informiert. Den FreuCon X, so der offizielle Name, bewertete ich als Erfolg. Es war genug.

Andererseits ... Der Con hatte mir Spaß bereitet, und mich nervte seit Jahren, dass es in Deutschland offensichtlich nicht möglich war, eine große Veranstaltung für Science-Fiction- und Fantasy-Fans aus dem Boden zu stampfen. Die einzelnen Gruppierungen in den Städten eifersüchtelten geradezu, sie arbeiteten nicht miteinander an Projekten, sondern jeder sah zu, dass er seine eigenen Ziele verfolgte. Das fand ich nicht gut – warum also sollte man nicht versuchen, möglichst viele Leute zusammenzubringen?

Ich telefonierte mit engen Freunden wie Hermann Ritter, der seit einigen Jahren aktiv in die Organisation der FreuCons eingebunden war, sowie mit Günther Freunek, mit dem ich gemeinsam das Fanzine »Sagittarius« veröffentlichte. Was sie denn davon hielten, noch einmal an das Con-Thema zu gehen? Sie waren durchaus skeptisch. Hermann Ritter brachte es auf den Punkt: »entweder richtig oder gar nicht ...«

Während meiner Bürozeiten in Tübingen, wo ich zu dieser Zeit in einer Agentur für Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt war, notierte ich mir die zahlreichen Gedanken, die mir zu einem möglichen FreuCon einfielen. Am 31. Mai 1990 formulierte ich sie schriftlich aus: auf sechs A4-Blättern, in einer recht sauberen Handschrift. Bescheiden nannte ich mein Papier eine »Ideen-Sammlung FreuCon«, und ich ging davon aus, diese öffentlich präsentieren zu können.

Ich begann mit einem Rückblick auf den Con im Frühjahr des gleichen Jahres. Wir hatten einen »großen Erfolg im Fandom« erzielt, der Zuspruch war groß gewesen, aber wir hatten nur eine geringe Resonanz in der Presse und außerhalb der Szene erhalten. Zu allem Überfluss hatten wir die Veranstaltung nur mit viel Stress bewältigen können.

Wie sollte es 1991 weitergehen? Sollten wir die immer wieder ironisch geäußerte Parole »Nie wieder FreuCon!« in die Tat umsetzen und wirklich keine Fan-Veranstaltung mehr machen? Die eigentlich sehr sympathische Lösung hieße, dass wir schlichtweg keine Arbeit hätten; wir könnten stattdessen eine nette Party veranstalten.

Den FreuCon in einem kleineren Rahmen zu veranstalten, wäre möglich. »Nur: keine Werbekampagne«, schrieb ich in meinem Konzept. Es gäbe kein Programm, und es wäre ein klarer Rückschritt zum Jahr 1990. Wiederholen wollte ich den FreuCon X allerdings nicht, das war kaum zu schaffen.

Wie wäre es aber, so mein Gedankengang, den FreuCon »eine Stufe größer« zu machen? Mir war klar, dass hierfür ein Jahr Vorbereitungszeit nicht ausreichen würde und dass wir das mit dem bisherigen Konzept nicht stemmen konnten. Von diesem Punkt ausgehend, wirkte auf einmal alles, was ich mir ausdachte, schlüssig und nachvollziehbar.

So wollte ich 1991 eben »die fannische Party« ins Leben rufen. Einen Con ohne »gescheites Programm«, eine Veranstaltung unter dem Motto »Der Con tanzt«, mit Disco-Abend und einem Abendprogramm am Samstag, das unterhaltsam und nicht anstrengend sein sollte. Vor allem sollte sich der Con im Frühjahr 1991 damit beschäftigen, den Con fürs kommende Jahr zu planen: Wenn sich genügend Science-Fiction-Fans in Freudenstadt einfanden, müsste es gut möglich sein, für 1992 eine große Veranstaltung aufzubauen.

Ich dachte schon zu dieser Zeit an das Kongresszentrum der Stadt, in dem man locker 300 bis 2000 Personen unterbringen konnte. Es gab ein professionelles Ambiente, es wäre allerdings wesentlich teurer. Vielleicht müssten wir auf Sponsoren setzen, auf jeden Fall müsste der Eintrittspreis steigen, und vielleicht gab es Verlage, die sich an einer solchen Veranstaltung finanziell beteiligten.

Wie aber sollte die Szene von einer »professionell wirkenden« Veranstaltung in einer kleinen Stadt im Schwarzwald erfahren? Selbstverständlich würden wir in den Fan-Zeitschriften werben, auch auf den Leserseiten der PERRY RHODAN-Romane – das alles würde kein Problem sein.

Ich wollte aber vor allem während des Science-Fiction-WorldCons in Den Haag auf die Veranstaltung aufmerksam machen. In holperigem Englisch rumpelreimte ich: »Where are you in ninety-two?« Was als ironischer Satz gemeint war, wurde später tatsächlich zu unserem Werbespruch; die britischen und amerikanischen Fans fanden das lustig.

Das Wichtigste bei all meinen Überlegungen war allerdings die zentrale Frage: »Wer macht's?« Es gab zahlreiche Aufgaben, die ich auflistete, wobei mir klar war, dass ich sicher viele davon vergaß. Unter anderem machte ich mir Gedanken über die Verpflegung, aber auch über das Programm. Ich wollte Universitäten ansprechen, und am liebsten würde ich einen »internationalen Top-Film« präsentieren.

Es mangelte also nicht an »großen Ideen« für die Veranstaltung. Nur wusste ich in jenem Mai 1990 nicht, ob ich mir das wirklich antun würde. Vor allem war mir eines nicht klar: Würde es gelingen, die zerstrittene Science-Fiction-Szene soweit zu einen, dass die Fans freiwillig die weite Reise in den Schwarzwald antraten?

Keine Kommentare: