02 Dezember 2025

Gedanken zum Fressmetall

Ein Logbuch der Redaktion

Mit Ben Calvin Hary unterhielt ich mich im Frühjahr und Sommer 2024 häufig über die Wege, die er mit den Exposés einschlagen wollte. Er stellte mir seine zahlreichen Ideen vor, und wir diskutierten über seine Konzepte. Manche Überlegung lief ins Leere, andere Gedankengänge wurden weiterhin verfolgt, und wieder andere veränderten sich vollständig.

So war das schon immer: Die Arbeit an einer Serie wie PERRY RHODAN funktioniert nicht so, dass man einen Zyklus auf dem Reißbrett plant und sich stur daran hält, ohne etwas an den ersten Plänen zu ändern. Das Schreiben von Romanen ist nicht mit dem Bauen eines Hauses vergleichbar – wer einen Roman schreibt, stellt immer fest, wie sich Ideen entwickeln und Figuren gewissermaßen ein eigenes Leben erhalten.

Wann mir der Exposéautor zum ersten Mal vom Fressmetall erzählte, weiß ich gar nicht mehr. Wir hatten dafür noch keinen Begriff, oder ich vergaß ihn gleich hinterher wieder. »Es wird kleine Maschinen geben«, erläuterte er, »die mit Aelors Vergangenheit in Verbindung stehen und an verschiedenen Schauplätzen auftauchen.« Diese Maschinen, so stellte er seine Idee vor, sollten an verschiedenen Handlungsorten auftauchen und ihre Spuren hinterlassen – das wiederum seien im Regelfall neunzackige Sterne.

Bei weiteren Gesprächen wurde die Idee vertieft. Irgendwann standen wir an dem Punkt, an dem es konkret wurde. Der »PHOENIX«-Zyklus hatte gerade erst begonnen, die ersten Romane waren veröffentlicht worden, und wir waren gespannt darauf, wie die Leserinnen und Leser auf Shrell, das Brennende Nichts und die ungewöhnlichen neuen Figuren reagieren würden. Ben war mit seinen Planungen bereits weiter und dachte bereits über den folgenden Zyklus nach – den mussten wir ja bereits vorbereiten.

Ein Thema war das Fressmetall, für das er mittlerweile einen konkreten Namen und einen noch konkreteren Plan hatte: Es handle sich um sogenannte Reproiden, erzählte er mir bei einem Spaziergang im Saarland, an dem auch Christian Montillon teilnahm. Wir gingen über eine Wiese und auf einen Waldrand zu, rings um uns standen karge Obstbäume, und es pfiff ein kalter Wind. Diese Reproiden, so Ben, sollten ein extremes Wachstum haben: alle zwei Minuten eine Verdoppelung ihrer Zahl.

Als Kind hatte ich gerne mit Zahlen gespielt. Ich schrieb beispielsweise 748 auf einen Zettel und verdoppelte die Zahl. Das Ergebnis verdoppelte ich wieder und wieder und wieder – bis der Zettel von oben bis unten mit Zahlen gefüllt war. Ich war mit meinen neun oder zehn Jahren völlig verblüfft davon, wie schnell sich die Zahlen in irrsinnige Höhen schraubten. Deshalb kapierte ich Bens Idee sofort.

»Die Biester sind dann in der Lage, einen Planeten innerhalb kürzester Zeit leerzufressen«, ergänzte Ben. »Und gegen eine solche Gefahr ist die herkömmliche Technik fast wirkungslos. Dagegen können die Terraner kaum etwas ausrichten.«

»Das ist wie bei den Hornschrecken!«, rief ich. Als jugendlicher PERRY RHODAN-Leser war ich 1977 mit dem »Blues«-Zyklus in dritter Auflage in die Serie eingestiegen. Ich erinnerte mich gut daran, wie gruselig ich die Hornschrecken fand: stumpf vorgehende Lebewesen, die an Käfer oder Krabben erinnerten und eine Welt in Windeseile kahl fressen konnten.

Er habe eher an eine von-Neumann-Maschine gedacht, erwiderte Ben. Diese Maschine gab es nur in der Theorie und in der Science Fiction; benannt waren sie nach einem Mathematiker namens John von Neumann. Die Idee kannten wir beide: Eine solche Maschine wird ins All geschickt, landet auf einem fernen Planeten. Dort sorgt sie dafür, dass sie Bergbau und Industrie entwickelt. Ihr einziges Ziel: neue Maschinen zu erzeugen, die weitere Planeten ansteuern konnten. Mithilfe dieser von-Neumann-Maschinen könnte man eine ganze Galaxis kolonisieren – sie würden sich immer weiter ausbreiten.

»Wir haben es also mit kleinen Maschinen zu tun, die sich ununterbrochen vermehren und die dafür die Materie ihrer Umgebung verwandeln«, schlussfolgerte ich.

Ben grinste. »Du hast es erfasst. Das Fressmetall ist eine von-Neumann-Maschine, wenn man so will.«

»… die dann ein bisschen wie die Hornschrecken aussieht«, ergänzte ich.

So stellte er mir seine ersten Ideen zu den Reproiden vor, irgendwann im Herbst 2024. Nun sind sie da, und ich finde, dass seine Idee mit all ihren Ergänzungen das erreicht, was sie erreichen sollte: Es ist eine unheimliche Gefahr, der man mit herkömmlichen Mitteln kaum beikommen kann, und sie wächst unaufhaltsam. Die Reproiden werden uns noch einige Male im »PEGASOS«-Zyklus beschäftigen – als eine Mixtur aus einer von-Neumann-Maschine, einer Armee von Hornschrecken und den klassischen Mitteln der Mathematik. Ich finde das spannend.

(Mittlerweile gibt es Stimmen, die sagen, wir hätten uns von »Stargate« beeinflussen lassen. Ich habe die Serie nie gesehen, habe mich mittlerweile informiert und bin einigermaßen verblüfft: »Unsere« Reproiden klammen sich nicht aneinander, formen keine größeren Gebilde und entwickeln auch keine Schwarmintelligenz; sie sind klein und erinnern mich trotz aller »Stargate«-Vergleiche nach wie vor an die Hornschrecken. Und die tauchten bereits in den frühen 60er-Jahren in unserer Serie auf. Aber klar: Es gibt immer Parallelen zu anderen Science-Fiction-Ideen.)

Nachtrag: Dieses Logbuch wurde bereits im November auf der PERRY RHODAN-Seite veröffentlicht. Hier wird es aus dokumentarischen Gründen nachgereicht. 

Keine Kommentare: