11 Januar 2017

Ein Besuch in Rheda-Wiedenbrück

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Als Sabine Bretzinger – die damals noch nicht Kropp hieß – und ich am 12. Juni 2001 nach Rheda-Wiedenbrück fuhren, hatten wir uns gut vorbereitet. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete die PERRY RHODAN-Redaktion seit einigen Jahren mit dem Bertelsmann-Club weiter; jetzt ging es darum, die Arbeit weiter zu intensivieren. Wir hatten Vorschläge für Marketing-Aktionen im Gepäck und wollten über neue Buchreihen sprechen.

Wir reisten mit der Bahn an. Das hieß, dass wir von Karlsruhe bis Dortmund fuhren, dort in die Bahn nach Gütersloh umstiegen und zuletzt noch mit einem Bummelzug nach Rheda-Wiedenbrück zuckelten. Weil wir Hunger hatten, stärkten wir uns in einem eher schlicht wirkenden Imbiss in der Nähe des Bahnhofs, in dem wir dank unserer »Business-Klamotten« – ich trug Anzug mit Krawatte, und auch die Kollegin sah sehr seriös aus – ein wenig aus dem optischen Rahmen fielen.

Dann rollten wir mit dem Taxi durch die Kleinstadt, erreichten den Sitz des Bertelsmann-Bereiches, den wir besuchen wollten, und wurden dort sehr schnell in einen Besprechungsraum geleitet. Uns saßen drei Vertriebsdamen gegenüber, die innerhalb des »Clubs« für den Vertrieb von Buchreihen an Abonnenten zuständig waren.

Zu dieser Zeit lief die PERRY RHODAN-Buchreihe seit Jahren erfolgreich. Das bestätigten uns die Kolleginnen auf der anderen Seite des Tisches mehrfach. »Die Edition hat schon über achtzig Bände erreicht, das ist Rekord«, wurde uns klar gesagt. So eine lange Serie hätte man noch nie betreut. Zudem sei die Kundentreue beeindruckend: »Wer die PERRY RHODAN-Blaubände abonniert hat, der bleibt viele Jahre lang ein treuer Abonnent.«

Zuletzt habe man aber Rückmeldungen von irritierten Lesern erhalten, zum ersten Mal habe es Kritik gegeben. Die sogenannte Edition Terrania komme offenbar nicht bei allen Lesern gut an, wir müssten das System ändern.

»Das haben wir aber gemeinsam besprochen«, erinnerte ich vorsichtig, »und ich habe gleich gesagt, dass es Kritik geben wird.« Über Jahre hinweg waren im Bertelsmann-Club immer zwölf Bücher pro Jahr erschienen, also in jedem Monat ein PERRY RHODAN-Buch. Da wir in einem Jahr aber nur vier neue Bücher publizierten, war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis uns die Bertelsmann-Kollegen einholten.

Mein Vorschlag war vor über einem Jahr gewesen: »Wir steigen um auf vier Bücher im Jahr.« Die Blauband-Leser würden unserer Silberband-Edition folgen, aber immer mit dem Abstand von einem Jahr. Für mich klang das logisch.

Die Kolleginnen bei Bertelsmann empfanden das aber nicht als sinnvoll. »Wir brauchen mehr Bücher«, war ihr Argument gewesen. »Die Kunden wollen ein Buch pro Monat, das sollten wir ihnen auch geben.« Also hatte ich den Vorschlag unterbreitet, kurzfristig die »Plophos Edition« einzuschieben: Die vier Titel passten inhaltlich zwischen den Blues- und den Meister-der-Insel-Zyklus; wir hatten sie recht schnell produziert. Das war für die Vertriebsleute im Club nicht einfach zu verstehen gewesen, wohl aber für die Leser.

Als die Kolleginnen und Kollegen aber weiterhin auf zwölf Bücher im Jahr beharrten, hatte ich einen anderen Vorschlag entwickelt: Wir präsentierten die Edition Terrania, sprangen in die moderne Zeit nach Band 2000 und konnten so wieder zwölf Bücher im Jahr veröffentlichen. Ich hatte einen Brief formuliert, den die Abonnenten erhalten sollten – dieser war aber nie ausgeliefert worden. Wir hatten Marketing-Argumente formuliert, die man nie kommunizieren wollte.

Und nun gab es offenbar Leser, die mit der »modernen« PERRY RHODAN-Serie nicht klar kamen. Mir leuchtete das ein: »Wir haben die Leser vor den Kopf gestoßen, zumindest einige.« Aber da die Vertriebskollegen auf der anderen Seite des Tisches nicht wussten, was sie verkauften, konnten sie das nicht an die Kunden weiterleiten.

»Die Leser haben nicht verstanden, warum sie die neue Edition erhalten haben«, argumentierte ich. »Wir müssen kommunizieren, wir müssen einen Brief beilegen, in dem wir die Hintergründe darlegen.«

Das fanden die Kolleginnen nicht gut. Solche Briefe sähe man nicht gern. Man habe die Erfahrung gemacht, dass Kunden durch solche Briefe eher verunsichert würden. Wenn Kunden solch einen Brief bekämen, würden sie oft beschließen, die Buchreihe zu kündigen.

»Und was machen wir jetzt?«, fragten Sabine Bretzinger und ich.

»Wir veröffentlichen wieder zwölf Bücher von der alten Serie«, kam die Antwort der Vertriebskollegen.

»Das geht aber nicht.« Zum wiederholten Mal erklärte ich, dass wir vier Bücher im Jahr machten, aber Bertelsmann zwölf Bücher im Jahr haben wollte.

Mein spontaner Vorschlag klang für mich eindeutig: »Wir machen vier von den klassischen Büchern, und wir setzen die Edition Terrania fort. Die können wir dann separat bewerben, und so gibt es neue Kunden für den Club und unsere PERRY RHODAN-Edition ...«

Alle sahen mich verwirrt an. Ich versuchte, das Konzept mündlich zu erläutern, was Sabine und ich uns ausgedacht hatten: »Wir machen zwei Serien: die klassische PERRY RHODAN-Serie und die Edition Terrania. Für die Edition Terrania werben wir neue Leser. Das ist doch eine Win-Win-Situation. Wir sprechen die klassischen Leser weiterhin an, und wir bekommen neue Leser, die den aktuellen PERRY RHODAN bevorzugen.«

Die verwirrten Blicke wurden nicht weniger.

3 Kommentare:

faktor10 hat gesagt…

Habt ihr zum Schluss noch durchgeblickt? Kommt mir vor wie in der ehemaligen Planwirtschaft. Sie wissen nicht was sie wollen sollen, dies aber genau belegt.

Elena hat gesagt…

Wer hat sich denn zum Schluss durchgesetzt? ;-)

Enpunkt hat gesagt…

Wie es weitergeht, erzählen ja die Fortsetzungen ...