Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«:
Kurz vor zehn Uhr begann es stärker zu regnen; aus dem sanften Nieseln
wurde ein ausdauerndes Plätschern. Der Samstag, 8. September 2001,
schien ein feuchter Tag zu werden, und dabei wollten wir doch in aller
Ruhe und mit viel Freude den vierzigsten Geburtstag der PERRY
RHODAN-Serie feiern.
Sorgenvoll schaute ich zum Dach hoch, das
unser Büro- mit dem alten Lagergebäude des Verlages verband. Das Dach
bestand aus stabilem gewelltem Plexiglas und hielt etwas aus, aber das
dauernde Prasseln von Tropfen wurde immer lauter. Ebenso sorgenvoll
blickte ich zum Bierkarussel, das wir mitten in den Hof hatten stellen
lassen. Wer sich ein Getränk holen wollte, musste schnell sein, um nicht
nass zu werden.
Ich wollte mir die gute Laune trotz aller
Spannung nicht vermiesen lassen. In meinem Büro führte ich ein erstes
Pressegespräch. Weitere sollten folgen, denn an diesem Tag waren
zahlreiche Zeitungen nebst Rundfunk und Fernsehen vor Ort.
Als
ich aus dem Verlagsgebäude trat und in den Hof kam, war alles so
aufgebaut worden, wie wir es uns vorgestellt hatten. An der Kasse
standen die Besucher schon Schlange, an einem schräg gestellten Tisch
begann Alfred Kelsner damit,
»live« ein Science-Fiction-Bild zu malen, und die Wurfbude wartete auf
alte wie junge »Kindsköpfe«, die Lust darauf hatten, mit Bällen auf
Blechdosen zu werfen, auf denen Außerirdische abgebildet waren.
Wichtig
war die Wechselstube, an der uns eine Kollegin aus der Geschäftsleitung
half. Wir hatten extra für die Veranstaltung den Galax eingeführt, eine
Währung, die nur an diesem Tag galt. Der Einfachheit halber hatten wir
einen Umtauschkurs von eins zu eins gewählt: Für eine Mark bekamen die
Besucher einen Galax, mit dem sie sich Essen und Getränke kaufen oder
später bei der Versteigerung mitmachen konnten. Und wer wollte, konnte
sowieso am Stand der PERRY RHODAN-FanZentrale stöbern, wo haufenweise
aktuelle Clubzeitschriften angeboten wurden.
Großen Anklang fand
das Geschenk, das alle Besucher bekamen: eine schöne Faksimile-Ausgabe
des allerersten PERRY RHODAN-Exposés, also etwas, das man nirgends
kaufen konnte und um dessen Existenz sich seit Jahrzehnten allerlei
Gerüchte rankten. Die meisten Besucher blätterten das Exposé erst einmal
durch, bevor sie sich in das Getümmel stürzten: Während der Regen auf
das Dach prasselte, kamen nämlich immer mehr Menschen zu unserem Tag der
offenen Tür.
Ich machte das, was im Moment sinnvoll erschien:
Ich repräsentierte. In aller vorgetäuschten Ruhe – obwohl in mir alles
angespannt war – spazierte ich zwischen den Biertischen und
Informationsständen herum, sprach mit Besuchern, schüttelte bekannten
Personen die Hand, sprach mit den Autoren, die mittlerweile eingetroffen
waren, sowie Alfred Kelsner und freute mich darüber, wie die PERRY
RHODAN-Fans auch in den unteren Stock des Verlages gingen.
In
diesem Flur hatten wir Originale von Johnny Bruck aufgehängt: einige
Dutzend Bilder des PERRY RHODAN-Künstlers, alle hervorragend gerahmt und
schön präsentiert, in einer Qualität, wie man sie bislang nur selten zu
Gesicht bekommen hatte. Ich freute mich über das Staunen der Besucher
und amüsierte mich, wenn einige besonders Neugierige versuchten, einen
Blick in mein Büro zu erhaschen.
»Du hättest persönliche Führungen durch die Papierberge in deinem Büro anbieten sollen«, spottete der PERRY RHODAN-Autor Robert Feldhoff, als er die Neugierigen erblickte. »Mit einem speziellen Schloss für die Exposés und Original-Manuskripte natürlich.«
Gegen
elf Uhr sollte die offizielle Eröffnung sein, und genau um diese Zeit
hatte ich meinen Rundgang beendet. Die Lagerhalle der Verlagsunion
Pabel-Moewig war gesäubert und für die Veranstaltung vorbereitet worden.
Weiße Papierbahnen verdeckten die Regale, in denen Kartonagen und
Druckunterlagen gestapelt waren; gleichzeitig wurden auf sie Bilder
projiziert, womit der große Raum einen Science-Fiction-Charakter
erhielt.
Die rund 120 Sitzplätze waren alle belegt, einige
Dutzend Festbesucher standen im Hintergrund der Halle. Die einleitenden
Worte sprach Klaus Löhning als Vertreter der Verlagsleitung, dann folgte
mein Programmpunkt: Ich hielt einen Diavortrag über 40 Jahre PERRY
RHODAN: mit Dias in kleinen Kunststoffhüllen, mithilfe eines klassischen
Dia-Projektors. (Heute kann man sich das kaum noch vorstellen.)
Der
Vortrag brachte dem echten Fan sicher nichts neues, bescherte aber
hoffentlich den Menschen Informationen, die bisher von PERRY RHODAN noch
nicht so viel wussten. Bei einigen witzigen Bemerkungen erntete ich
Lacher im Publikum, die mir das Gefühl gaben, dass mein Vortrag ankam.
Es folgten Filmvorführungen, unter anderem zeigten wir eine Johnny-Bruck-Dokumentation, die im Fernsehen bereits bei »BR Alpha« gelaufen war. Da ich das alles kannte, verließ ich die Halle wieder.
Ich
nutzte die Chance, mich erneut auf dem Gelände umzusehen: Es war
mittlerweile zwölf Uhr mittags, es regnete immer noch in Strömen, aber
nach den Schätzungen, die ich von Klaus Bollhöfener
erhielt, waren bereits an die 400 Besucher anwesend, die sich zwischen
Lagerhalle, Bewirtungsbereich, der Druckerei und dem eigentlichen Verlag
ziemlich gut verteilten. Es herrschte ohnehin ein ständiges Kommen und
Gehen; viele Menschen blieben nur für zwei oder drei Stunden, um sich zu
informieren, und gingen dann wieder.
Insgesamt dürften wohl 700
Besucher den Weg zum Verlag gefunden haben: die meisten aus der
Fan-Szene, wenige aus dem Verlag, praktisch niemand vom Rastatter
Stadtfest, das an diesem Tag sowieso im Dauerregen versackte.
Meine
Anspannung ließ langsam nach. Es sah so aus, als ob unsere
Veranstaltung kein Flop werden würde. Ich hoffte zudem nach wie vor
darauf, dass sich das Wetter irgendwann bessern würde ...
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