15 Juni 2007

Eine Party bei H.G. Francis

Aus der Rubrik »Der Redakteur erinnert sich«

Wahrscheinlich veranstalten Schriftsteller ebenso oft Gartenfeste und andere Feierlichkeiten wie andere Menschen; selten aber kommt es vor, dass sie dazu ihre Leser oder ihren Redakteur einladen. Eine Ausnahme von der Regel bildet in diesem Fall der PERRY RHODAN-Autor H. G. Francis, der am Samstag, 14. Juni 1997, zu einer PERRY RHODAN-Party in sein Wohnhaus in Stellau einlud, einem Dorf außerhalb von Hamburg, wo er seit vielen Jahren wohnt.

H. G. Francis hatte seine Party schon einige Wochen im voraus angekündigt; vor allem die Mitglieder des PERRY RHODAN-Stammtisches hatte er direkt angesprochen. Heiko Langhans, der später durch die beiden Biografien zu K. H. Scheer und zu Clark Darlton als ein Chronist des PERRY RHODAN-Universums auch der Lesermehrheit bekannt werden sollte, hatte hier wertvolle Kontakte geknüpft, und diese sollten jetzt in einer gemeinsamen Party münden.

Klaus Bollhöfener, damals frisch in der Abteilung PERRY RHODAN, hatte sich in der Vorbereitung engagiert, und mir als Redakteur kam die ehrenwerte Aufgabe zu, das Fan- und Autoren-Treffen persönlich zu besuchen. Die Aussicht, das eine oder andere Bier mit dem Kollegen Francis zu trinken, fand ich allerdings ebenfalls interessant ...

Und so stand ich mit meiner damaligen Freundin Claudia an diesem Samstag nachmittag am S-Bahnhof im Hamburger Stadtteil Bergedorf. Dort war ein Treffpunkt vereinbart worden, hier sollten sich die Hamburger PERRY RHODAN-Fans treffen, um dann gemeinsam mit uns nach Stellau zu fahren. Leider hatte uns niemand darüber informiert, dass diese Pläne geändert worden waren. Und so standen wir einigermaßen dämlich in Bergedorf herum und überlegten, was wir tun könnten.

Zuerst wollten wir mit einem Taxi weiterfahren, aber der einzige Fahrer, der vor dem S-Bahnhof in seinem Wagen wartete, stellte sich erstaunlich widerspenstig an. »Stellau kenne ich nicht«, versicherte er glaubhaft. Auch ein Blick auf die Landkarte, dass es gerade mal fünfzehn Kilometer von Bergedorf entfernt liege, überzeugte ihn nicht.

Claudia und ich besannen uns darauf, dass wir erst wenige Monate zuvor gemeinsam im westafrikanischen Staat Senegal gewesen waren. »Wir haben uns in Tambacounda und Ziguinchor auch stets mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurechtgefunden«, meinte sie trocken. Und wer sich in Westafrika allein durchschlagen konnte, sollte das in Hamburg auch schaffen. Dachten wir ...

Von Bergedorf nach Reinbek kamen wir problemlos per S-Bahn; dort aber mussten wir erst einmal warten und uns an den aushängenden Busfahrplänen informieren. Mich hatte mittlerweile der Ehrgeiz gepackt, und ich wollte einfach mit der Bahn ankommen. Nach längerer Wartezeit kam dann endlich ein Bus, der über verschiedene Dörfer bis nach Stellau fuhr.

Dort fanden wir nach einem längeren Spaziergang durch das Dorf auch die richtige Straße. Nur wussten wir nicht, in welche Richtung wir zu gehen hatten – wir standen an einer Kreuzung. Also steuerten wir eine Telefonzelle an. (Für die Jüngeren unter den Lesern: Das waren gelbe Häuschen, in denen man in den Zeiten vor dem Handy ging, um in fremden Städten zu telefonieren.) Ich bekam H.G. Francis sogar gleich »an die Strippe«. Begeistert rief er ins Telefon, »ich sehe euch«, dann schaute ich aus der Telefonzelle und sah ihn, wie er auf die Straße lief und uns zuwinkte, keine zwanzig Meter entfernt.

So fanden wir den Ort der Party, gut zwei Stunden nach der vereinbarten Zeit. Und eigentlich hätten wir ihn gar nicht übersehen können, da er durch ein PERRY RHODAN-Plakat im Eingangsbereich deutlich gekennzeichnet war. Entsprechend spöttisch waren die Bemerkungen, mit denen wir empfangen wurden; nun denn, das kommt davon, wenn man sich dem öffentlichen Nahverkehr im Großraum Hamburg anvertrauen mag ...

Der Partykeller von H. G. Francis erwies sich als sehr gemütlich und bestens ausgestattet. Gut zwei Dutzend Fans drängelten sich bereits in diesem Raum, was zu einer erhöhten Temperatur führte. Das geplante Grillen im Garten fiel im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser – an diesem Juni-Tag regnete es praktisch die ganze Zeit.

Vom Wetter ließ sich aber niemand abschrecken. Der Gastgeber servierte Bier und andere Getränke, die Stimmung stieg, und die gefühlten Temperaturen sanken ab. Viele der Fans fotografierten, launige Sprüche wechselten, und H. G. Francis erzählte Geschichten. Kein Wunder angesichts der Tatsache, dass buchstäblich Dutzende von Goldenen Schallplatten an der Wand hingen, alles Zeugnisse seiner riesigen Erfolge als Hörspielautor. Er erzählte Geschichten aus seiner Autorenzeit und fantastische Stories aus Afrika und Asien, von seinen Abenteuern, die er als Journalist und Autor bei seinen Reisen erlebt hatte.

Irgendwann wurde das Überraschungsessen – ein Spanferkel! – aufgetischt und mit viel Vergnügen verspeist. Dazu gab es Salat und Brot in großen Mengen, alles wohlschmeckend natürlich. Zur Verdauung servierte der Hamburger Autor einen Grappa »danach«. Eine wunderbare Party.

Nach dem Essen wollten wir erneut im Freien weiterfeiern. Immerhin hatte mittlerweile der Dauerregen aufgehört. Aber kaum waren wir im Garten, setzte wieder der Regen ein, und uns blieb nichts anderes übrig, als in den Keller zu gehen. Man nahm's mit Humor – und dem einen oder anderen Bier. Die Hamburger Fans zeigten sich von ihrer besten Seite und machten den Nachmittag und Abend im Keller zu einem schönen Erlebnis.

Dazu H.G. Francis, der sich als Conferencier und perfekter Gastgeber erwies, der zwischendurch ein kleines »Quiz« veranstaltete und allerlei Preise vergab. Ich war völlig begeistert.

Gegen 22 Uhr klang die Party gemütlich aus. Rüdiger W. Wick, zu dieser Zeit der Titelbild-Illustrator der ATLAN-Zeitabenteuer, chauffierte Claudia und mich zu einem U-Bahnhof im Hamburger Norden. Somit ersparten wir uns wenigstens einen Teil der Irrfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch die Umgebung der Hansestadt. Vom U-Bahnhof schafften wir es dann auch recht einfach nach St. Pauli – und ein schöner Tag ging in aller Gemütsruhe zu Ende.

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