13 Juni 2007

Die Redaktion empfiehlt: Beeindruckendes SF-Epos


Wer sich ein wenig mit Comics auskennt, hat den Namen Warren Ellis sicher schon einmal gehört: Mit seinem schnodderigen Ton und seinen manchmal schrägen Ideen hat sich der Brite in den letzten zehn Jahren einen sehr guten Namen in der Branche erarbeitet. Mit klassischer Science Fiction fiel er dabei nicht unbedingt auf, berühmt wurde er vor allem durch seine Serie »Transmetroplitan«.

Mit dem Zeichner Chris Sprouse und dem Tuscher Karl Story hat Ellis neuerdings mit »Ocean« ein Comic-Epos geschaffen, das ideal ist für alle Science-Fiction-Freunde. In den USA waren es sechs Hefte, in Deutschland erscheint die Miniserie in Form eines Paperbacks bei Panini.

Die Handlung des Comics spielt rund hundert Jahre in der Zukunft, zu einer Zeit, in der sich die Menschen schon in ihrem eigenen Sonnensystem ausgebreitet haben. Konzerne haben ihren Einflussbereich erweitert und machen den Nationalstaaten ebenso Konkurrenz wie internationalen Behörden. Große Raumschiffe überwinden den Raum zwischen den Planeten, und Forschungsstationen umkreisen den Jupiter und den Saturn.

Mit dem Waffeninspektor Nathan Kane, der im Auftrag der Vereinten Nationen ermittelt, schafft Warren Ellis gleich zu Beginn seiner Story einen interessanten Charakter. Rein optisch erinnert er ein wenig an den Hollywood-Schauspieler Samuel L. Jackson, und sein Verhalten passt zu dem Vorgehen amerikanischer Helden: Kane klopft mit trockenem Humor seine Sprüche, aber er ist jederzeit bereit, in einen harten Einsatz zu gehen.

Sein neuer Auftrag: Er muss zum Mond Europa fliegen, einem der Trabanten des Gasplaneten Jupiter. Unter einer dicken Eiskruste wartet ein Ozean auf die Menschen, und dort wiederum finden die Forscher seltsame Hinterlassenschaften, die Jahrmilliarden alt sind. Gab es etwa schon einmal eine Hochkultur im Sonnensystem, zu einer Zeit, als sich die Erde noch in einem sehr frühen Stadium befand?

»Ocean« erzählt eine geradlinige Science-Fiction-Geschichte, die sehr realitätsnah anmutet. Sowohl die Raumschiffe als auch die Waffen wirken, als hätte sich hier jemand wirklich Gedanken darüber gemacht und nicht nur irgendwelche Hirngespinste verfolgt, wie es üblicherweise bei Kinofilmen der Fall ist. Vergleiche zum Kino-Erfolg »2001« aus den 60er Jahren drängen sich automatisch auf, und das nicht nur, weil der Jupiter das Ziel der Expedition ist, an der Nathan Kane teilnimmt.

Zeichnerisch weiß die Geschichte ebenfalls zu überzeugen. Kein Wunder, Chris Sprouse wurde mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Ob er Raumschiffe oder Menschen zeichnet, die Wunder des Alls oder die unterseeische Welt auf Jupiter – es wirkt immer realitätsnah und dreidimensional. Für einen amerikanischen Comic präsentiert sich »Ocean« manchmal geradezu dezent, ohne übertriebene Farben und eine zu knallige Seitengestaltung. Insofern dürfte der Comic auch konservativere Leser ansprechen: Seine Erzählstruktur ist konventionell und im Allgemeinen eher den Regeln des Action-Films verpflichtet.

Im Prinzip frage ich mich nach der Lektüre dieses überzeugenden Comic-Bandes nur eines: Warum wird so etwas nicht verfilmt? Die Bilderwelten in »Ocean« sind so angelegt, dass sie gewissermaßen nach einer großen Leinwand schreien. Aber darauf müssen wir wohl noch eine Weile warten – also trösten wir uns so lange mit dem Comic. Er ist definitiv einer der besten Science-Fiction-Comics der letzten Jahre.

Der Band kostet 16,95 Euro; die 160 Seiten sind sehr sauber verarbeitet und gedruckt. Mit Hilfe der ISBN 978-3-86607-360-9 bekommt ihr es im Comic-Fachhandel sowie in Buchhandlungen.

Mehr über Warren Ellis findet ihr übrigens auf seiner offiziellen Homepage oder in seinem Internet-Forum.

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