28 Juni 2007

Die ersten Fan-Kontakte

Aus der Serie: »Der Redakteur erinnert sich«

Der Sommer 1979 war warm – und er war faszinierend für zwei Jugendliche, die ihre ersten bewussten Schritte aus dem Dorf hinaus unternahmen. Die Kleinanzeige für unseren PERRY RHODAN-Club »Gys Voolbeerah« war im PERRY RHODAN-Magazin erschienen, und mein Freund Thomas und ich warteten täglich darauf, was nun geschehen würde.

Fuhren wir gemeinsam im Schulbus aus der Kreisstadt hinaus aufs Dorf, diskutierten wir nicht nur die PERRY RHODAN-Handlung, sondern auch unsere gesamten Fan-Planungen. Uns beiden war klar, dass man nur auf uns gewartet hatte: zwei aktive Jung-Fans aus dem Schwarzwald, voller Ideen und Tatendrang. Wir gingen davon aus, dass wir Berge von Briefe erhalten würden, und aus diesem Grund legten wir eine kleine Kasse an, um Briefmarken für die zu erwartenden Rückantworten kaufen zu können.

Beim nächsten Treffen unseres Zwei-Mann-Clubs hatte Thomas seine neue selbstgeschriebene Kurzgeschichte dabei und las sie mir vor. Ich wagte, einige kritische Worte zu äußern, was er überhaupt nicht gut fand. So trennten wir uns an diesem Nachmittag zwar nicht unbedingt im Streit, aber zumindest im Unfrieden. Thomas ging, ebenso wie ich, davon aus, dass wir bald zu den Spitzenautoren der deutschsprachigen Science Fiction gehören würden.

Allerdings dauerte es doch einige Tage, bis die ersten Briefe eintrafen. Immerhin einer kam aus der Nähe, von einem Mann, der gerade mal acht Kilometer von unserem Dorf entfernt wohnte. Er war schon Mitte zwanzig und hatte schon seit Jahren nach einem Club in seiner Nähe gesucht. Er schrieb selbst eigene Geschichten, las natürlich alle Heftromane, die es auf dem Markt gab, und gab zu, ein absoluter Fan von »Ren Dhark« zu sein, einer anderen deutschen Science-Fiction-Romanserie. Ich schrieb ihm zurück und schlug ihm vor, er sollte unserem Club beitreten.

Der nächste Brief kam von einem Fan, der ein eigenes Heft herausgab, ein sogenanntes Fanzine. Ich war von Peter Börnsen ziemlich beeindruckt. Er kam aus Hagen und machte mit seinem Bruder Gerhard zusammen ein Fanzine namens »Theren«. Darauf schien Peter, der damals etwa 17 oder 18 Jahre alt war, sehr stolz zu sein: Gleich im ersten Brief schrieb er, sein Bruder und sein Club seien schon sehr professionell. Sie seien zudem schon seit mehreren Jahren in der Szene aktiv; für mich als Frischling natürlich eine imposante Aussage. Kein Wunder, dass ich gleich die aktuelle Ausgabe von »Theren« anforderte. Ein so schickes Fanzine musste ich ja haben.

Der nächste Fan, der mir schrieb, hieß Ulrich Hermann: ein Jugendlicher aus Friedberg bei Frankfurt, der mit seinem Kumpel Michael Adrian ein Fanzine namens »solis orbita« herausgab. Die beiden zeigten sich von der amateurhaften Seite, waren sogar in meinem Alter.

Ulrich schlug in seinem Brief gleich einen stärkeren Zusammenschluss aller Fan-Clubs vor. Michael, der damals gerade fünfzehn Jahre alt war, versuchte sich als Grafiker, Autor und Artikelschreiber; zu diesem Zeitpunkt hatte ich langsam kapiert, dass ich zumindest nicht zeichnen konnte. Ich antwortete sofort, bestellte die erste Ausgabe von »solis orbita« und sandte für die zweite Ausgabe des Heftes eine von mir geschriebene Kurzgeschichte ein.

Während meine Kontakte ins fannische Deutschland wuchsen, bröckelten sie langsam innerhalb unseres kleinen Clubs. Thomas verliebte sich im Sommer 1979 unglücklich in ein Mädchen und war die meiste Zeit im »Eis-Café Cortina« anzutreffen, wo er sie anschmachtete und mit ihr gemeinsam Cola trank oder Eis futterte. Da sie in einem anderen Dorf wohnte als wir beide, fuhr er oft mit dem Mofa die gut zwanzig Kilometer zu ihr; dort saßen die beiden in der Hollywood-Schaukel auf dem großzügigen Balkon ihrer Eltern und unterhielten sich über die Schule und ihre verschiedenen Hobbies.

In der Folge wurde unser Kontakt prompt dünner. Thomas fand es auch nicht so spannend, Briefe mit anderen Fans zu wechseln; Geld für die gemeinsame Clubkasse spendete er ebenfalls keines mehr. Er steckte, wenn er noch freie Zeit übrig hatte, diese ohnehin bereits in andere Projekte: »Na ja, wenn’s dir so wichtig ist«, meinte er locker, »ich hab’ gerade nicht so arg viel Zeit für meinen Roman.«

Wir hatten beide große Romanpläne. Ich malte mir schon aus, welches Titelbild mein gebundenes Hardcover haben würde, wenn es endlich auf den Markt käme, und ich nahm mir vor allem vor, auch dann noch für ein Fanzine zu schreiben, wenn ich mal ein berühmter Autor geworden sei. So eingebildet wie die anderen wollte ich nie werden, nahm ich mir vor – nachdem ich vielleicht drei Kurzgeschichten verfasst hatte, allesamt unveröffentlicht.

In Thomas’ Romanprojekt sollten – übrigens ebenso wie in dem meinen – kleine bepelzte Wesen mitspielen, die allein durch Gedankenkraft Dinge bewegen sollten. In meinem Romanprojekt, das ich in A4-Schulhefte kritzelte, gab es zudem Kugelraumschiffe, und die Menschen stießen damit in die Nachbargalaxis Andromeda vor. Dass wir beide gnadenlos von PERRY RHODAN abkupferten, war uns wahrscheinlich nicht einmal bewusst.

In den wenigen Gesprächen, die ich mit Thomas führte, wurde klar, dass unsere Meinungsverschiedenheiten wuchsen. Mir war das fast egal – ich hatte jetzt Freunde von außerhalb. Peter aus Hagen schickte sein Fanzine, es gefiel mir sehr gut. Es war im A5-Format gehalten und am Rücken verstärkt. Ein richtiges kleines Buch! Ich war völlig begeistert und zeigte es in der Schule herum. Für die anderen war es nur eine neue Spinnerei ihres merkwürdigen Mitschülers; aber das störte mich nicht weiter. Ich schickte sofort eine Kurzgeschichte an die Redaktion.

Ulrich meldete sich ebenfalls. Sowohl ihm als auch Michael hatte meine Geschichte so gut gefallen, dass sie in der zweiten Ausgabe von »solis orbita« veröffentlicht werden sollte. Dort war immerhin Michael Nagula vertreten, ein angehender Profi-Schriftsteller, der zu der Zeit seine ersten Romane veröffentlichte, und Rainer Erler, der bekannte deutsche Regisseur, der fantastische Themen wie »Fleisch« fürs Kino und fürs Fernsehen verfilmte.

Ulrich legte die erste Ausgabe von »solis orbita« bei, ein wesentlich amateurhafteres Heft als »Theren«, das mir aber gut gefiel. Ich war richtig stolz: Die beiden wollten eine Geschichte von mir drucken!

Ich wusste: Meinem Aufstieg in den Autorenhimmel stand jetzt nichts mehr im Wege!

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