Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich« 
Der Science-Fiction-WorldCon war einer der Höhepunkte des 
Science-Fiction-Jahres 2001– und er sollte wichtige Auswirkungen für 
PERRY RHODAN mit sich bringen. Der Con fand vom 30. August bis zum 3. 
September im Philadelphia Convention Center statt, und rund 5000 SF-Fans
 aus aller Welt nahmen daran teil. Darunter waren unter anderem der 
PERRY RHODAN-Autor Uwe Anton und ich. 
Niemand ahnte zu diesem 
Zeitpunkt, was wenige Tage später nicht nur den amerikanischen 
Kontinent, sondern die gesamte Welt erschüttern sollte. Der »Nine 
Eleven« war gedanklich in weiter Ferne, auch wenn es nur wenige Tage bis
 dahin waren. Flugzeuge, die von Terroristen als fliegende Bomben 
benutzt wurden, gab es bis dahin nur in übertriebenen Thrillern.
Es
 war der erste oder zweite September 2001, so genau weiß ich es leider 
nicht mehr. Mit Sascha Mamczak, dem Science-Fiction-Lektor des 
Heyne-Verlags, hatte ich mich in einem Café verabredet. Wir wollten 
gemeinsam frühstücken und vor allem ein wenig über eine mögliche 
Zusammenarbeit fachsimpeln. Konkrete Absichten hatten wir zu dieser Zeit
 keine, jeder hegte wahrscheinlich für sich geheime Überlegungen.
Bis
 zu diesem Wochenende kannten sich Sascha Mamczak und ich zwar, aber wir
 hielten eine »professionelle Distanz«. Man grüßte sich auf Buchmessen, 
man gab sich die Hand, man siezte sich. Ich schätzte seine Sachkenntnis,
 die er seit Jahren bewies, und wusste, dass er sich in punkto Science 
Fiction richtig gut auskannte.
Den direkten Kontakt zwischen uns 
hatte während des WorldCons eigentlich Werner Fuchs eingefädelt. Der 
Verleger von Fantasy Productions, mit dem ich vor Ort den vierzigsten 
Geburtstag von PERRY RHODAN bekannt machen wollte, fungierte bei dieser 
Veranstaltung oft als Türöffner und Kontaktmann. Er kannte viele Leute, 
und er machte mich mit diesen bekannt, unter anderem mit Sascha Mamczak.
 
So saßen wir an einem Abend alle in der Hotelbar, tranken Bier 
und Cocktails, und bereits nach kurzer Zeit war klar, dass sich Sascha 
und ich künftig duzen würden. Das distanzierte »Sie« fiel, ohne dass ich
 darüber nachdachte.
Und dann trafen wir uns in diesem Café. Es 
war gut eineinhalb Kilometer vom Con-Gebäude entfernt, am Rand eines 
»Szene-Viertels« gelegen, vor dem die Con-Veranstalter in ihrem Prospekt
 sogar gewarnt hatten. Gegenüber der protzigen Hotel- und 
Kongress-Szenerie der eigentlichen Innenstadt sah die Umgebung mit ihren
 kleinen Häusern, Bars und Tätowier-Studios aber eher aus wie eine 
Innenstadt in Deutschland – mir gefiel es dort besser.
Das Café 
war klein und übersichtlich, es wirkte eher studentisch. Wir setzten uns
 ins Freie, bestellten uns Bagels und Kaffee und ließen es uns 
schmecken. In der Sonne war es angenehm. Der Blick fiel über eine recht 
ruhige Straße, an deren Ende sich ein Industrie- und Hafengebiet 
erstreckte; die schweren Maschinen standen am Wochenende still. 
Sascha
 und ich unterhielten uns über die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen:
 ich in einem Zeitschriftenverlag mit angeschlossenem Buchbereich, bei 
dem die Science Fiction weder zum einen noch zum anderen Bereich so 
richtig gehörte, er in einem Buchverlag, in dem die Science Fiction eher
 ein Randthema war. Das war interessant, weil es mir die Augen darüber 
öffnete, wie in einem »reinen« Buchverlag gearbeitet wurde.
Unweigerlich
 kamen wir auf die gemeinsame Vergangenheit beider Verlage zu sprechen. 
Bekanntlich war PERRY RHODAN ein Kind des Moewig-Verlages, und der 
gehörte 1961 zum Heyne-Verlag. »PERRY RHODAN kommt damit aus der 
Türkenstraße«, sagte Sascha, eine Anspielung auf die Straße in München, 
in der Heyne jahrelang seine Büros hatte. Ich hatte diese Büros in den 
frühen 90er-Jahren besucht, als die PERRY RHODAN-Taschenbücher für drei 
Jahre von Heyne als Lizenz übernommen worden waren.
Wir 
diskutierten darüber, warum die damaligen Taschenbücher bei Heyne kein 
Erfolg werden konnten. »Ihr habt zuviel auf einmal gemacht«, 
argumentierte ich. Sascha Mamczak konterte: »Man kann kaum behaupten, 
dass jedes eurer Taschenbücher so richtig gut war.« Ich räumte ein: 
»Viele abgeschlossene Science-Fiction-Geschichten hatten nur am Rand mit
 dem PERRY RHODAN-Kosmos zu tun. Das fanden die Leser wohl nicht mehr 
attraktiv.«
Wir schauten uns an und waren einer Meinung: Wenn man
 PERRY RHODAN erfolgreich publizieren will, muss man es also »richtig 
machen«. Aber was hieß denn eigentlich richtig?
Sascha 
argumentierte: Man dürfte nicht versuchen, die Inhalte der Heftromane 
ins Taschenbuch zu übertragen. Man müsse hierfür anders schreiben, 
andere Stoffe anbieten. »Nur dann erreichen wir auch Leute, die 
außerhalb eurer Heftroman-Szene stehen.« Und ohne dass wir es geplant 
hatten, saßen wir auf einmal mitten in einem Lizenzgespräch ...
Wie
 wäre es denn, wenn wir PERRY RHODAN noch einmal als Taschenbuch 
herausbrächten? Wieder im Heyne-Verlag, aber dann nicht als unendliche 
Fortsetzungsreihe, sondern als »Zyklus mit Event-Charakter« ... Wir 
stellten uns schon die Schlagzeilen vor: »PERRY RHODAN kehrt zurück in 
die Türkenstraße.«
Sascha Mamczak hatte gleich den richtigen 
Vergleich parat: »Das ist wie bei ›Star Trek‹. Die PERRY 
RHODAN-Heftromane sind die Fernsehserie, die neuen Taschenbücher sind 
dann der Kinofilm.« Er breitete die Hände aus, als hielte er eine 
Schlagzeile hoch: »Science Fiction im Breitwandformat – das ist es.«
Nach
 dem Frühstück nahmen wir ein Taxi und fuhren zurück ins 
Kongresszentrum. Ich war nach dem Gespräch richtiggehend beflügelt von 
den neuen Überlegungen. Und in meinem Kopf reifte schon der Gedanke, 
welchen Autor ich als ersten für ein Brainstorming anrufen könnte ...